Mehr Hirnschmalz für Bildung, bitte!

Letzte Woche entschied die Universität Hamburg, das Wintersemester komplett digital stattfinden zu lassen (Foto: Pexels)

Seit Beginn der Pandemie wird über eine Lösung für die Schulen diskutiert. Zwar lässt sich über den Erfolg streiten, immerhin findet das Thema aber in die Öffentlichkeit. Anders sieht es bei den Universitäten aus: Über ihre Situation verliert die Politik kaum ein Wort. Das muss sich ändern.

Mit Hoffnung und einem kleinen Funken Sorge hatten Studierende und Lehrende im Sommer bereits zum entfernten Wintersemester hinübergelinst. Würden Präsenzveranstaltungen wieder möglich sein? Gerechnet hatte man damit und so entstand die Idee eines Hybrid-Semesters. Zwei Wochen vor dem Semesterstart wurde Hamburg zum Risikogebiet. Kneipentouren und Campusrallyes wurden abgesagt und die Orientierungswoche auf die nötigsten Informationsveranstaltungen reduziert.

Von der Notbremsung der Universität ließ sich das Virus allerdings nicht einschüchtern. Drei Tage vor Semesterbeginn sah sich die Universitätsleitung deshalb gezwungen, das Wintersemester gänzlich online stattfinden zu lassen. Angesichts der rapide steigenden Infektionszahlen und des angekündigten Teil-Lockdowns war die Entscheidung absehbar und im Sinne der Gesundheit aller vernünftig.

Und damit geht es mit dem studentischen Homeoffice in die nächste Runde. Überraschenderweise ist der Aufschrei der Studierenden über die Online-Lehre trotzdem gedämpft. Während der Semesterferien hatte sich eine Gruppe zusammengefunden, eine Kundgebung geplant und eine Petition für Präsenzlehre im Wintersemester aufgesetzt. Große Demos gegen die Entscheidungen blieben allerdings aus. Was aber nicht heißt, dass die Studierenden weniger unter der Situation leiden. Im Gegenteil: Soziale Kontakte und die Motivation zu lernen fehlen vielen weiterhin. Studierende vereinsamen und werden zusätzlich von gravierenden finanziellen Sorgen und Nöten geplagt. Die Medienberichte zu dem Thema wiederholen sich mittlerweile.

Wo bleibt die Hilfe von oben?

Spätestens jetzt drängt sich die Frage auf wie es sein kann, dass die Politik über ein halbes Jahr lang über die Öffnung der Schulen fachsimpelt, aber über die Situation der Universitäten und der Studierenden kein Wort verliert. Sicher, Schüler*innen bedürfen der Aufsicht, wohingegen man Studierenden eine gewisse Eigenverantwortung zuschreiben kann. Aber wie sieht es mit den Erstis aus, den blutigen Studienanfängern, die in den letzten Jahren immer jünger geworden sind und schon vor Corona nicht wussten, wie man sich für die richtigen Kurse anmeldet? Buddy-Programme von Studierenden aus höheren Semestern können nur bedingt auffangen, was sonst in Sprechstunden direkt am Campus geklärt wurde.

Hinzu kommt die durch den erneuten Lockdown verstärkte finanzielle Notlage vieler Studierender. Wie kann es sein, dass die Politik der Gastronomie 75 Prozent ihrer sonstigen Einnahmen zahlt, während Studierende, die ihre Nebenjobs in gerade dieser Branche verlieren, nur befristete Kredite erhalten?

Die Regierung muss mehr Hirnschmalz und finanzielle Mittel dafür aufwenden, um die universitäre Bildung zu unterstützen. Immerhin sind die jetzigen Studierenden die Arbeitskräfte von morgen, ergo diejenigen, die die deutsche Wirtschaft global wettbewerbsfähig machen und nach der Corona-Pandemie wieder aufbauen müssen. Überbrückungshilfen sind gut und schön, helfen aber nur bedingt, wenn man nach dem Studium zunächst einmal damit beschäftigt ist, Schulden zu begleichen.

Krisen können produktiv machen

Expert*innen betonen immer wieder, dass wir uns auf weitere Pandemien einstellen und vielleicht sogar für eine lange Zeit mit dem Coronavirus leben müssen. Für die Universitäten ist das Wintersemester die Chance, um die Erkenntnisse über das digitale Lernen auszubauen und die jetzigen Methoden der Wissensvermittlung zukunftsfähig zu machen – sie vielleicht sogar zu revolutionieren. Mit Beginn der Pandemie zeichnete sich bereits ab, dass traditionelle Formate wie Vorlesungen ausgedient haben. Jetzt muss Platz geschaffen werden für neue, asynchrone Lehrangebote in kreativen Formen wie Podcasts und Videos.

Noch viel mehr ist aber die Politik in der Pflicht. Damit die Wirtschaft in den nächsten Jahren wieder wachsen kann, müssen zukünftige Arbeitskräfte jetzt unterstützt werden. Das bedeutet Investitionen, um auch am Campus die Digitalisierung voranzubringen. Und wenn Wissensvermittlung und die Entwicklung mündiger Bürger*innen an den Universitäten weiterhin analog stattfinden soll, dann liegt es jetzt an ihr, finanzielle Mittel für den Campus bereitzustellen, damit Seminare ohne Gefährdung der Teilnehmenden auch in den Räumlichkeiten der Universität stattfinden können.

So gesehen ist die Pandemie eine Chance, wenn man sie als solche erkennt und sich mutig den Bedenken stellt. Frei nach den Worten des Autors Max Frisch: „Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“