gesehen: Network

Howard Beale wird vom seriösen Nachrichtensprecher zum wütenden Prediger. Foto: Armin Smailovic

Welche Erwartungen haben die Menschen an die Medien? Dass Abstrusität und Wahn in der Branche manchmal mehr zu zählen scheinen als Seriosität, ist zumindest beim fiktiven Fernsehsender UBS der Fall. Dessen verrückter Prophet ist Howard Beale. Um seinen Aufstieg und Fall dreht sich das neue Stück des Thalia Theaters, nach dem Film „Network“ von Paddy Chayefsky.

Howard Beale (Wolfram Koch) ist Nachrichtenleser beim Sender UBS, er macht diesen Job seit gut 25 Jahren und war einer der Stars des Business‘. Jetzt soll ihm gekündigt werden. Nach einer durchzechten Nacht mit seinem guten Freund und Chef, Max Schumacher (Felix Knopp), erklärt er erst diesem und dann vor laufenden Kameras, er werde sich in seiner letzten Sendung live erschießen.

Die Quoten steigen und so wird Howard Beale doch wieder vor die Kamera gestellt und vom seriösen Nachrichtensprecher zum wütenden Propheten und Sprachrohr der Massen.

Während seiner Auftritte wird Howard Beale immer psychotischer. Zunächst steigen die Quoten des Senders weiterhin, ebenso wie der Wahnsinn des Moderators, der seinen Frust in die Kameras brüllt. Sein Zustand macht besonders seinem Freund Max Schumacher zu schaffen. Er versucht, den Firmenchef Frank Hackett (Jirka Zett) und die für die Unterhaltungsabteilung zuständige Diana Christensen (Christiane von Poelnitz) davon zu überzeugen, die Sendung wieder abzusetzen. Doch wegen ihres großen Erfolgs weigern sie sich.

Mensch oder Erfolg?

Das Theaterstück „Network“ stellt dem Publikum, das auch aktiv ins Spiel eingebunden wird, verschiedene Fragen über sich und die Medienwelt: Was ist „ordentliches Fernsehen“? Wie viel zählen der Mensch, seine Gesundheit, sein Leben in einem auf Erfolg getrimmten Unternehmen? Was wollen die Zuschauenden sehen? Sind wir tatsächlich alle eine verblödete, träge Masse, die zwar aus den Sesseln ihren Frust auf die Straße schreit, aber sonst nichts macht? Nimmt das Publikum tatsächliche fast nur noch Informationen aus dem Fernsehen auf? Welche Macht haben Medien und Medienmacher*innen?

Das Stück liefert verschiedene Antworten auf diese Fragen. Im Verlauf der Inszenierung wird immer wieder deutlich, dass die Menschen in den Chefetagen, zumindest bei dem fiktiven Sender UBS, mehr auf die Quoten und ihr Markenimage achten. Das Wohl des Einzelnen wird dabei dem Erfolg des Senders untergeordnet. Das trifft aber nicht auf alle zu, den zumindest der Nachrichtenchef Max Schuhmacher versucht, sich für „ordentliches Fernsehen“ und seinen Freund einzusetzen.

Auch die Passivität und Einfältigkeit des (Fernseh-) Publikums wird von Howard Beale demonstriert. Er versucht immer wieder, seine Zuschauer*innen aufzurütteln.

Sechs Teile bilden ein Ganzes

Beales Nachrichtenstudio ist ganz dem Geist der Zeit entsprechend gebaut. Das schlichte aber große, weiße Pult steht vor einer Wand aus leuchtend orangenen Kreisen, in die mehrere Uhren mit den anderen Zeiten großer Städte weltweit eingebaut sind.

Das Studio ist einer von sechs halboffenen Räumen, die alle wechselnd bespielt werden. Damit auch immer der gerade relevante Raum zum Publikum hin steht, sind die einzelnen Elemente auf einer Drehbühne aufgebaut.

In der Mitte der Bühne, zwischen den einzelnen Räumen steht eine Combo von drei Musikern, die das Stück mit Livemusik begleiten. Sie spielen sowohl die Jingles für die Fernsehsendungen als Zwischenmusiken. Die Bandmitglieder sind gekleidet wie Hippies, die Kostüme der anderen Darsteller*innen sind passend zu den siebziger Jahren geschnitten, mit Schlaghosen und breiten Krawatten.

Fazit

Mit den vielen Fragen, die „Network“ aufwirft ist das Stück sehr am Zahn der Zeit, denn auch momentan stehen „die Mainstream-Medien“ ebenso wie Social Media immer wieder im Zentrum von Kritik und Diskussionen. Bühnenbild und Kostüme schaffen es überzeugend, das Publikum in die siebziger Jahre zu versetzten und bieten gleichzeitig interessante Möglichkeiten des Schauspiels auf Distanz.

Bei den darstellerischen Leistungen ist das Spiel von Wolfram Koch besonders beeindruckend. Es gelingt ihm mühelos, zwischen dem seriösen Nachrichtensprecher und dem wahnsinnigen Propheten zu wechseln. Auch den zunehmenden Wahn Howard Beales zeigt er gelungen. Seine wütenden Ausbrüche sind dabei allerdings sehr kräftig, was das Stück immer wieder sehr laut und aggressiv werden lässt.

Insgesamt zeigt das Thalia Theater mit „Network“ einen unterhaltsamen und interessanten Theaterabend, bei dem die Live-Musik der Band das I-Tüpfelchen ist.

Darsteller*innenJulian Greis
Felix Knopp
Wolfram Koch
Oliver Mallison
Björn Meyer
Christiane von Poelnitz
Jirka Zett
RegieJan Bosse
MusikJonas Landerschier (Keyboard), Günter Märtens (Kontrabass, E-Bass), Matthias Strzoda (Schlagzeug)
BühneStéphane Laimé
KostümeKathrin Plath

Weitere Informationen findet ihr hier.