Hamburgs langer Weg zum Taubenschutz

Taubenschlag, Hamburg, Tauben, Hamburger Hauptbahnhof, Taubenschutz, Taubenschlag am Hamburger Hauptbahnhof (Foto: Leia Kantenwein)

Von Leia Kantenwein und Lara Haßlberger

Freiwillige mussten lange darum kämpfen, dass sich die Stadt um die Stadttauben kümmert, langsam kommt das Thema auch im Rathaus an. Momentan vermehren sich die ehemaligen Haustiere fast ungebremst und das zeigt sich auch im Hamburger Stadtbild. Ein Konzept zum Taubenmanagement soll jetzt Abhilfe schaffen.

Wir alle haben uns schon mal über die Stadttauben geärgert. Die Gefahr, am Bahnhof in ihren Kot zu treten, ist alltäglich. Ständig muss hinter ihnen her geputzt werden und sie müssen aus Restaurants oder Bahnhöfen verjagt werden. Doch das Problem der Stadttauben ist menschengemacht, die entflogenen Vögel waren vor einigen Jahrzehnten unsere Haustiere. Nachdem wir sie in den Städten allein gelassen haben, haben sie sich durch den von uns angezüchteten Brutzwang schnell vermehrt. Eigentlich können sie bis zu 16 Jahre alt werden – in der Stadt sterben sie bereits nach zwei bis drei Jahren.

Stadt Hamburg setzt auf Vergrämung

Um sie zu verjagen, wird auf sogenannte Vergrämung gesetzt. Das heißt, dass dort, wo die Tauben nicht gerne gesehen werden, Netze, Stacheln, Stromkabel oder Ähnliches angebracht werden. In der Stadt finden die Tauben kaum nahrhaftes Futter. Die Ernährung durch Pommes, Abfall und Zigaretten führt zu sogenanntem Hungerkot, der das Stadtbild verunstaltet. Eine Lösung dafür sind Taubenschläge, wo die Tauben Zugang zu artgerechtem Körnerfutter bekommen und der Bestand kontrolliert werden kann. Die Kosten für ihren Betrieb werden hauptsächlich durch Spenden getragen, die nötige Arbeit verrichten Freiwillige.

Für die Stadttaube ist der Hamburger Hauptbahnhof ein attraktiver Lebensraum. Die Stacheln, die zu ihrer Abwehr angebracht wurden, dienen ihr als Grundlage, um darauf ihr Nest aufzubauen. Schaut man sich am Hauptbahnhof um, sind die Tauben nicht zu übersehen. Tauben suchen im Erbrochenen nach Essen, verletzte und schwache Tiere schaffen es nicht mehr, um Essen zu kämpfen, und verenden schließlich.

Die Mitglieder des Hamburger Stadttauben e.V. wollten diesem Elend nicht mehr tatenlos zusehen und eröffneten 2016 einen Taubenschlag im Hamburger Hauptbahnhof. Der Taubenschlag befindet sich in Räumen, die durch die Deutsche Bahn zur Verfügung gestellt wurden – doch der Verein hält den Schlag am Laufen. Hier werden die Tauben gefüttert, erhalten tierärztliche Versorgung und die Größe der Population wird durch Austausch der Eier durch Attrappen geregelt.

Vereine fühlen sich im Stich gelassen

Die Unterstützung der Hansestadt Hamburg und der Deutschen Bahn empfindet der Verein als unzureichend. Eigentlich sei es Aufgabe der Stadt, die Einhaltung der Tierschutzgesetze zu gewährleisten. Über die Hamburger Politik sagt Eileen Jörs von Gandolfs Taubenfreunde: „Es ist nach wie vor sehr schwierig, Gelder für den Tierschutz zu generieren.“ Eileen Jörs merkt an, dass es der Stadt Hamburg an einer Person fehle, die sich um den Tierschutz kümmert. Denn Tierschutz werde in der Hansestadt Hamburg generell zu wenig betrieben. Die Parteien der Bürgerschaft seien in der Verantwortung und müssten aufhören, diese auf private Akteur:innen und Freiwillige abzuwälzen.

Laut einer Kostenaufstellung von Gandolfs Taubenfreunden kostet es je nach Standort 8.500 Euro bis 20.000 Euro einen Taubenschlag für 200 Tauben aufzubauen und weitere 9.990 Euro im Jahr, um ihn aufrecht zu erhalten. Am Beispiel Nürnberg zeigen Gandolfs Taubenfreunde, dass es sich lohnen würde, auf diese Methode zu setzen. Geschätzte 56,9 Millionen Euro würde die Großstadt in Franken pro Jahr für Vergrämungsmaßnahmen ausgeben, während es nur 1,4 Millionen Euroeinmalig und ab dann 0,2 Millionen Euro jährlich kosten würde, ein Netz von Taubenschlägen aufzubauen und zu betreiben. Dafür gibt es rechtliche Verpflichtungen.

Stadttauben laut Gutachten Haustiere: Länder haben Schutzpflichten

Ein von der Berliner Landestierschutzbeauftragten Kathrin Herrmann in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Oktober 2021 zeigt, dass es sich bei Stadttauben um Haustiere statt um Wildtiere handelt. Daraus ergeben sich für die Länder gewisse Schutzpflichten. Diese Schutzpflichten könne man laut Gutachten nur durch ein professionelles Taubenmanagement, etwa durch die flächendeckende Etablierung von betreuten Taubenschlägen, erfüllen.

In einem Taubenschlag können die Tiere sich zurückziehen, sich artgerecht mit Körnerfutter ernähren und in Ruhe in Nistzellen brüten. Hier verbringen sie 80% ihrer Zeit und hinterlassen dementsprechend etwa 80 Prozent ihres Kots, berichtet Andrea Scholl vom Hamburger Stadttauben e.V. Im Taubenschlag am Hamburger Hauptbahnhof kommen derzeit 150 bis 200 Tauben gleichzeitig unter. Tierschutzkonform wird hier die Vermehrung der Tauben eingedämmt. Allein dank dieses einen Taubenschlag schlüpften 800 Taubenküken im Jahr 2020 nicht. Laut dem Verein ist das aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es brauche mehr Finanzierung und mehr Flächen für weitere Taubenschläge, um einen Großteil der Tauben zu versorgen und die Stadttaubenpopulation durch Eieraustausch zu verringern. Dafür treten die Vereine Stadttauben e.V. und Gandolfs Taubenfreunde seit Jahren an die Politik heran. Stadttauben seien aber kein “sexy Thema”, so Dirk Schattner, 1. Vorsitzender vom Hamburger Stadttauben e.V.

Warum der Ausbau von Taubenschlägen auf sich warten lässt

Nach Angaben des Arbeitskreises Tierschutz der Hamburger SPD geht der Prozess schleppend voran. Koordinatorin Britta Schlage erklärt, dass es schwierig sei, langfristige Kosten bewilligt zu bekommen, wie sie für den Betrieb von Taubenschlägen nötig wären. Vergrämungsmaßnahmen werden leichter bewilligt, auch wenn deren Kosten deutlich höher seien. Ein weiteres Problem sei es, geeignete Standorte für Taubenschläge zu finden.

Die tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion Hamburg, Lisa Maria Otte, setzt sich ebenfalls für ein Netz aus Taubenschlägen ein. Sie betont, dass ein gut ausgearbeitetes Taubenmanagement für die Stadt beide Seiten glücklich machen würde, ob man nun Tauben nun mögen würde oder nicht. Dadurch würde es den Tauben besser gehen und sie wären im Stadtbild weniger bemerkbar. Maßnahmen wie Vergrämung sollte man Otte zufolge nur dann einsetzen, wenn damit die Tauben nicht verletzt werden. Das öffentliche Fütterungsverbot ist nur für die Grünen-Politikerin nur dann haltbar, wenn ausreichend Körner in Taubenschlägen bereitgestellt werden.

Grüne und SPD hatten in der Bürgerschaft je 35.000 Euro für die Jahre 2023 und 2024 bewilligt, um den Taubenschutz in Hamburg voranzubringen. Die Sprecherin für Verbraucherschutz der SPD- Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Sarah Timmann, erklärt, dass mit diesen Mitteln kritische Schwerpunkte in Hamburg identifiziert werden und in den ersten Bezirken dazu bereits Projekte umgesetzt werden. Zudem soll das Amt eines oder einer Taubenschutzbeauftragten eingeführt werden.

Anträge von Linkspartei und FDP scheiterten durch Gegenstimmen von Rot-Grün

Zentral bei der Stadt müsse auch die Verantwortung liegen, da die Bezirke nicht die nötigen Ressourcen hätten, sagt der tierschutzpolitische Sprecher der Linksfraktion Hamburg, Stephan Jersch. Vergrämung, also der Einsatz von Spikes, Netzen und ähnlichen Vertreibungsmethoden, sollte gar nicht mehr eingesetzt werden, da dadurch das Problem nur verschoben werde, betont er. Die Stadt habe aber bisher überwiegend auf solche Maßnahmen gesetzt.

Schon 2019 stellten die Linken aber auch die FDP jeweils Anträge zur Etablierung von Taubenschlägen. Abgelehnt wurden die Anträge mehrheitlich mit den Stimmen von Grünen, SPD und AfD. Auch 2021 und 2022 bemühte sich die Linksfraktion weiter um die Finanzierung von Taubenschlägen und scheiterte an den Gegenstimmen von Rot-Grün.

Auch ein Antrag, der es Initiativen und Tierschutzvereinen wie Gandolfs Taubenfreunden oder dem Stadttauben e.V. erlaubt hätte, trotz des bestehenden Fütterungsverbots kranke oder verletzte Tiere mit Futter anzulocken, wurde von Rot-Grün abgelehnt. Die SPD-Verbraucherschützerin Sarah Timmann sagte zur Begründung, dass eine Ausnahmeregelung für die Fütterung verletzter Tiere zu viele Ressourcen beanspruchen würde und in der Verwaltung auch aus finanziellen Gründen nur schwer umsetzbar sei.

Lichtblick in Sicht?

Im Januar 2023 stellte die CDU eine Kleine Anfrage zu dem Thema Taubenhäuser. In der Antwort des Senats wurde die konsequente Einhaltung des Fütterungsverbotes weiterhin als wichtige Maßnahme genannt. Daraus geht jedoch auch hervor, dass der Wille, Taubenschläge in den Bezirken zu errichten, bei der Politik besteht.

Die ersten Gelder sind bewilligt und Hamburg geht einen Schritt hin zu einem strukturierten Umgang mit den Stadttauben. Ob diese Schritte zu dem gewünschten Taubenmanagement führen oder ob es, wie Eileen Jörs von Gandolfs Taubenfreunden es nennt, nur zu einem weiteren „Flickwerk” kommen wird, bleibt abzuwarten.