In „Irgendwas mit Medien“ beginnt der von sich selbst überzeugte Abiturient Lennart sein Medienkunst-Studium in Weimar und muss schnell merken, dass er hier nichts Besonderes mehr ist. Die achtteilige Mockumentary ist das erste große Projekt der Regisseure Jano Kaltenbach und Mirko Muhshoff. Mit KOPFZEILE haben sie über ihre neue Serie gesprochen.
Jano Kaltenbach und Mirko Muhshoff haben ihre künstlerischen Wurzeln in Weimar, wo sie an der Bauhaus-Universität Medienkunst studierten. Im Laufe des Studiums veröffentlichten sie verschiedene Filmprojekte. Mirkos origineller Kinderfilm „Oliver auf Kammerjagd“, den er zusammen mit Kai Zwettler drehte, wurde unter anderem auf den Filmfestivals von Bamberg und Landshut ausgezeichnet. Janos 24-minütiger Kurzfilm „Aber was ist mit der Show“ lief lange Zeit in der ARD-Mediathek und im MDR.
Am 14.04. startete nun ihre neue Serie „Irgendwas mit Medien“ (IMM) für den MDR und ARD Kultur, ebenfalls in der ARD Mediathek. Zum ersten Mal arbeiteten sie mit einer großen Produktionsfirma wie der UFA Serial Drama zusammen, die unter anderem für die kultige Vorabend-Daily „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ) verantwortlich ist. Außerdem standen die beiden für IMM neben ihrer Regiearbeit auch vor der Kamera und haben die Drehbücher geschrieben. Im Interview mit KOPFZEILE erzählen sie von tollen Momenten bei den Dreharbeiten, geben Tipps für junge Filmemacher: innen und erklären, warum sich Studienanfänger:innen mit dem Protagonisten der Serie identifizieren können, obwohl der eigentlich total unsympathisch ist.
Kopfzeile: Eure neue Serie „Irgendwas mit Medien“ ist im Format einer Mockumentary gedreht. Warum habt ihr gerade dieses Genre in Verbindung mit dem Thema Medienkunst-Studium ausgewählt?
Mirko: Tatsächlich kam das Genre bereits vor der Idee, sich mit Medienkunst zu beschäftigen. Wir beide sind große Fans dieses pseudo-dokumentarischen Formats, mit seinem authentischen Schauspiel, bei dem man nach Herzenslust rumnuscheln kann. Mockumentarys haben mich bereits in jungen Jahren fasziniert, weil sie sich auf einem sehr schmalen Grat zwischen Realität und Fiktion bewegt haben. Vor allem „The Office“ von Ricky Gervais bewundere ich sehr. So etwas wollten wir auch machen. Die Bürowelten aus „The Office“ kannten wir nicht gut genug, dafür konnten wir eine Menge aus dem Medienkunst-Kosmos erzählen. Eine Fusion dieses Formates mit der schrägen Medienkunst-Welt erschien uns sehr produktiv.
Jano: In Mockumentarys geht es auch viel um Authentizität. Davon hat die Produktion profitiert, weil wir auch mit einigen Laienschauspielenden zusammengearbeitet haben, die sich dann einfach selbst spielen konnten. Generell hatten Cast und Team häufig einen direkten, eigenen Bezug zum Medienstudium. Dadurch sieht das Studium in der Serie fast genau so aus, wie es bei uns war.
Das Gefühl des Verloren-Seins wollten wir unbedingt einfangen
Jano Kaltenbach über die Darstellung des Uni-Alltags in “Irgendwas mit Medien”
Kopfzeile: Der Uni-Alltag in „Irgendwas mit Medien“ wirkt tatsächlich sehr echt. Welche Aspekte waren euch bei dessen Darstellung besonders wichtig?
Jano: Das Gefühl des Verloren-Seins wollten wir unbedingt einfangen. Im Studium ist man auf sich allein gestellt und es interessiert niemanden, ob du zu einer Veranstaltung kommst oder eben nicht. Bei uns gab es auch einige Kurse, in denen keiner so richtig wusste, worum es genau geht. Diese „Laber-Kurse“ wollten wir ebenfalls in der Serie abbilden. Da hat man dann z.B. ein halbes Jahr wirklich nur über sogenannte Lebenslinien gesprochen, ohne richtig was zu lernen. Zusätzlich gab es bei uns nicht so große, volle Hörsäle, in denen dann vorne ein Professor stand und referierte. Stattdessen haben viele Kurse eher in kleineren Räumen stattgefunden. Für Außenstehende mag das in der Serie ein bisschen „billig“ gewirkt haben, aber so sah unser Uni-Alltag aus. Dieses Intimere hat natürlich auch positive Seiten.
Wenn man ganz ehrlich ist, haben wir ja auch alle mal so eine Cringe-Phase in unserem Leben durchgemacht, in der wir uns ein kleines bisschen überschätzt haben
Mirko Muhshoff
Kopfzeile: Wenn man Lennart, einem der Protagonisten der Serie, zuschaut, fühlt man sich oft an das eigene Studium erinnert. Warum könnten sich Studienanfänger:innen mit Lennart identifizieren, obwohl er eigentlich ziemlich unsympathisch geschrieben ist?
Mirko: Lennart befindet sich in einer Zeit der Umbrüche und muss sich großen Fragen stellen. Zum Beispiel „Wo will ich mit meinem Leben hin?“. Wahrscheinlich können sich viele junge Menschen damit identifizieren, weil sie grad selbst in so einer Phase in ihrem Leben stehen. Zumindest, wenn man Lennarts schlimme Charaktereigenschaften einmal ausblendet. Und wenn man ganz ehrlich ist, haben wir ja auch alle mal so eine Cringe-Phase in unserem Leben durchgemacht, in der wir uns ein kleines bisschen überschätzt haben. Daher ist es für einige Zuschauer:innen sicherlich kathartisch, weil sie kleines bisschen von sich selbst in Lennart wiederentdecken.
Grundsätzlich sind die ambivalenten Charaktere interessanter, als die, die eindeutig zuzuordnen sind
Mirko Muhshoff über den Protagonisten der Serie
Kopfzeile: Protagonist: innen in Mockumentarys sind oft streitbare Charaktere, genauso wie Lennart. Man denke an Bernd Stromberg oder Michael Scott aus „The Office“. Was reizt euch an einem Charakter wie Lennart?
Jano: Wir wollten Lennart als Charakter so schreiben, dass er zwar sehr unsympathisch ist, aber trotzdem gemocht wird, weil man sich selbst in ihm erkennt. Interessant ist es, ihn so scheitern zu lassen, dass man ihn bemitleidet, obwohl er so ein blöder Typ ist. Letztlich müssen die Zuschauer:innen natürlich entscheiden, ob das geklappt hat. Für mich persönlich ist das eine schöne Art, sich mit einer Figur auseinanderzusetzen. Das Mockumentary-Format ist hier sehr praktisch, weil wir direkt mitbekommen, dass er uns entweder belügt oder versucht, das Geschehene zu vertuschen. Wenn es schlussendlich auffliegt, hat das eine Menge Humor-Potential.
Mirko: Das war immer der Spagat, in dem wir uns befanden: Lennart soll zwar von Folge 1 bis Folge 8 eine kleine Entwicklung durchmachen, darf allerdings auch nicht zu einsichtig werden. 3% besser zu werden, konnten wir ihm erlauben. Wenn er allerdings zu einsichtig wird, sieht man einfach einem netten Studi beim Studieren zu. Das ist dann nicht mehr witzig. Grundsätzlich sind die ambivalenten Charaktere interessanter, als die, die eindeutig zuzuordnen sind.
„Während der Dreharbeiten habe ich erst realisiert, dass das ja alles Sachen sind, die wir uns zuhause am Laptop ausgedacht haben“
Jano Kaltenbach
Kopfzeile: „Irgendwas mit Medien“ war euer erster richtig professioneller Dreh. Wie haben sich die Dreharbeiten von vorherigen Projekten unterschieden und was waren die Vorteile davon?
Jano: Neu war die Drehdauer von 22 Tagen. Bei studentischen Projekten, die wir davor gemacht haben, ging der längste Dreh acht Tage. Danach waren alle immer total fertig, weil wir die letzten zwei, drei Nächte durchgedreht haben, um noch rechtzeitig fertig zu werden. Arbeitsschutz gab es da nicht. Sowas kann man bei 22 Drehtagen nicht machen. Ein klarer Vorteil war die Zusammenarbeit mit einer professionellen Produktionsfirma wie der UFA Serial Drama, die Drehpläne und andere Dinge organisiert hat. Wenn wir dann morgens ans Set kamen, stand schon alles da und war vorbereitet, was an diesem Tag benötigt wurde von den Requisiten bis zu den Räumlichkeiten, in denen man dreht, und alle Schauspieler:innen waren bereit. Während der Dreharbeiten habe ich erst realisiert, dass das ja alles Sachen sind, die wir uns zuhause am Laptop ausgedacht haben. Ein wunderschöner Moment.
Mirko: Aufgrund der produktionellen Gegebenheiten hatten wir nicht immer die Möglichkeit mit allen Schauspielenden vorher zu proben. Oft haben wir uns erst eine Stunde vor Drehbeginn mit den Schauspielenden zusammengesetzt, um eine Szene durchzusprechen, bei der man sich nicht sicher ist, ob sie die ganze Länge trägt oder überhaupt witzig ist. Als wir bei der Probe bemerkt haben, dass es so funktioniert, ist uns echt ein Stein vom Herzen gefallen. Manchmal haben die Szenen dabei sogar eine zusätzliche Qualität bekommen, die wir so gar nicht beabsichtigt hatten. Beim Schreiben kann man schließlich nur raten, was im Nachhinein lustig ist. Die Kehrseite der festen Arbeitszeiten war, dass man bei Drehschluss tatsächlich auch alles pünktlich fallen lassen muss. In einigen Momenten hätten wir im studentischen Kontext sicherlich gesagt: „Komm, wir machen noch zwei Takes“. Aber wir mussten uns ein bisschen bremsen, um die 22 Tage durchzuhalten (lacht).
Jano: Zusätzlich hatten wir viel weniger Zeit als sonst, weil jede Minute auf einmal Geld gekostet hat. Natürlich ist das eher der Kontrast von Studi-Projekt zu professioneller Produktion. Für eine professionelle Produktion war die verfügbare Zeit so im Mittelfeld, denke ich.
Im Endeffekt nützt es nicht so viel, wenn man seinen Bachelor oder Master hat, aber im gesamten Studium nur Paint-Bilder mit einem Pixel darauf abgegeben hat
Mirko Muhshoff über das Medienkunst-Studium
Kopfzeile: Ihr habt ja gerade schon erzählt, dass ihr im Studium viele Projektarbeiten realisiert habt. Klassische Klausuren wurden keine geschrieben. Wie ist es eigentlich, in einem solchen Studium immer auf Knopfdruck kreativ sein zu müssen?
Jano: Zwar machen wir uns in der Serie über dieses „Kreativarbeit ist auch Arbeit“ lustig, aber im Grunde stimmt es. Während man klassische Studi-Aufgaben eher mit Fleiß bewältigen kann, gibt es im Kreativbereich Momente, in denen man Fleiß reinstecken möchte, aber einfach nicht weiterkommt. Das kann dann sehr frustrierend sein. Trotzdem ist es schon verständlich, wenn Leute sich fragen, was wir den ganzen Tag eigentlich machen. Es gab in unserem Studium nämlich Leute, die auch mit sehr geringem Aufwand gute Noten bekommen haben.
Mirko: Im Endeffekt nützt es nicht so viel, wenn man seinen Bachelor oder Master hat, aber im gesamten Studium nur Paint-Bilder mit einem Pixel darauf abgegeben hat. Natürlich hat das niemand gemacht, aber man hätte vielleicht damit durchkommen können.
Jano: Am Ende geht es im Studium darum, ein Portfolio aufzubauen. Wer da viel Arbeit reinsteckt, ist nachher wesentlich gefragter.
Film ist auch immer Teamarbeit
Jano Kaltenbach
Kopfzeile: Apropos harte Arbeit. Welche Tipps würdet ihr denn jungen Menschen geben, die Interesse am Filmemachen haben? Müssen die „Irgendwas mit Medien“ studieren, um Regisseur:innen zu werden?
Mirko: Ich würde nicht davon abraten, etwas in der Richtung zu studieren, aber man muss es nicht machen. In einem solchen Studium lernt man eben, selbstständig zu arbeiten und zu lernen. Das ist eine tolle Gelegenheit und sehr praktisch, egal in welche Richtung man nachher gehen möchte.
Jano: Der Vorteil des Studiums ist, dass wir gewisse Freiheiten hatten. Dazu gehören vor allem die Zeit, um kreativ zu werden und neue Leute kennenzulernen, die das Gleiche wollen. Film ist auch immer Teamarbeit. Die Uni bietet viele Möglichkeiten und vor allem die Technik zum Umsetzen von Projekten. Trotzdem würde ich auf keinen Fall sagen, dass man unbedingt ein Studium braucht. Außerdem darf man das Medien-Studium nicht mit einer Filmhochschule verwechseln. Die haben ein riesiges Budget und gute Connections in die Filmindustrie. Im Grunde kann aber heutzutage jede:r, der oder die eine Idee hat, Filme machen und das ist auch gut so.
Kopfzeile: Dann würde ich euch noch ein paar kurze Entweder-Oder-Fragen stellen: Team Kaffee oder Team Mate?
Beide: Kaffee!!
Mirko: nur bei Bananen-Mate würde ich ins Wanken kommen.
Kopfzeile: Bananen-Mate? Das habe ich ja noch nie gehört.
Kopfzeile: Entweder ein Leben lang nur Regie für Vorabend-Dailys wie GZSZ führen oder wöchentlich einen Koch-Podcast zusammen aufnehmen?
Jano: Podcast!
Mirko: Ich bin Team GZSZ.
Kopfzeile: Was ist eure Lieblingsserie oder Lieblingsfilm?
Mirko: Das ist echt eine schwierige Frage. Ich sage „Achteinhalb“ von Frederico Fellini.
Jano: Mein all-time-favourite ist Forrest Gump.
Kopfzeile: Am Wochenende lieber ins Kino oder auf einen Techno-Rave?
Beide: Kino!
Mirko: Sowas wie Techno-Raves gibt es bei uns in Weimar nur sehr selten (lacht).
Kopfzeile: Vielen Dank für das Interview.