Am Mittwochnachmittag war es so weit: Die Ampelparteien stellten nach langen Verhandlungen ihren Koalitionsvertrag vor, der festlegen soll, was und wie die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP plant. Auch Bildung und Forschung spielen eine Rolle: Wo steht die Ampel bei Fragen rund um Wissenschaft, Studierende und Bildungsförderung?
178 Seiten ist das Dokument lang: Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ haben die Koalitionsparteien der kommenden Regierung am Mittwoch ihr Programm vorgestellt. Das Koalitionspapier beinhaltet viele neue Punkte: 12 Euro Mindestlohn, Hartz-IV-Reform, Legalisierung von Cannabis und konkrete Pläne für den Klimaschutz. Auch die Themen Bildung, Forschung und Wissenschaft werden adressiert.
Das Bildungsministerium wird unter dem zukünftigen SPD-Kanzler Olaf Scholz an die FDP gehen. Nach Informationen der ZEIT soll es von Bettina Stark-Watzinger geführt werden, die für die FDP den Koalitionsvertrag mitverhandelt hat.
Im Wahlkampf betonte die Partei um Christian Lindner vor allem die Digitalisierung und den Föderalismus als große Herausforderungen in der Bildungspolitik der Zukunft. Für die Hochschulen stand ebenfalls die Digitalisierung im Mittelpunkt der bildungspolitischen Ambitionen. Zusätzlich betont das FDP-Wahlprogramm die Wichtigkeit eines starken Wissenschaftsstandortes und die Reformierung der BAföG-Förderung, die in Zukunft unabhängiger vom Erwerbsstatus der Eltern funktionieren solle. Diese Einschätzungen wurden auch von den anderen Parteien geteilt, offenbar konnte man sich hier gut einigen. Viele der FDP-Vorschläge finden sich im Koalitionsprogramm wieder.
Was steht im Koalitionsvertrag?
Die Ampelparteien beschäftigen sich in Sachen Bildung sehr stark mit Kindertagesstätten und Schulen. Bildung, so steht es im Papier, sei die Grundvoraussetzung für gleiche Startchancen für jedes Kind. Die neue Regierung will deshalb die Bildungsausgaben erhöhen. Eine genaue Zahl wird nicht genannt. Frühkindliche Bildung soll gestärkt werden. Damit sind Kitas gemeint, die vor allem auf sprachliche Förderung setzen sollen. Auch auf die Wichtigkeit von Medienkompetenz im frühen Kindesalter wird verwiesen.
Mit dem „Startchancen-Programm“ sollen jene Schulen besonders gefördert werden, die „einen hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler“ aufweisen. Teil dieser Förderung für bessere Bildungschancen sind das Schaffen zusätzlicher Stellen für Sozialarbeiter:innen und ein umfassendes Investitionspaket. Ein „Digitalpakt 2.0“ soll die Digitalisierung in den Schulen vorantreiben.
BAföG-Reform: Elternunabhängig und direkt
Eine BAföG-Reform forderten im Wahlkampf jede der drei Koalitionsparteien. Der Grundtenor: Die Ausbildungsförderung müsse elternunabhängiger gestaltet werden. Das wurde auch im Koalitionsvertrag so festgeschrieben. Außerdem sollen Freibeträge für Nebenverdienste und die Altersgrenze stark angehoben werden, so das Ziel der Ampelpartner:innen. Bisher durfte das BAföG mit wenigen Ausnahmen nur bis zu einem Alter von 30, beziehungsweise 35 Jahren bei Masterstudiengängen bezogen werden. Genaue Details zur Anhebung der Bezugsgrenze sind im Koalitionsvertrag noch nicht festgelegt.
Bisher musste zudem die Hälfte des bezogenen BAföG-Satzes als zinsloses Darlehen zurückgezahlt werden. Dieser Anteil soll gesenkt werden. Bis wann die Reform umgesetzt sein soll, wurde im Vertrag noch nicht festgelegt.
Wissenschaft: Innovation und anwendungsorientierte Forschung
Auch die Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind von Interesse für die Ampelparteien. Der Anteil der gesamtstaatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung soll bis 2025 von 3,19% (2019) auf 3,5 Prozent des BIP erhöht werden. Diese Zahl findet sich bereits in den Wahlprogrammen der SPD und Grünen.
Die zukünftigen Regierungspartner:innen sehen die Entwicklung des BioNTech-Impfstoffes in Deutschland als Chance für die Bundesrepublik, zum internationalen Standort für Biotechnologie zu werden. Diese Entwicklung wollen sie forcieren und zudem die Forschung an klimafreundlichen Lösungen für die Industrie mit Investitionen und Förderprogrammen in den Mittelpunkt der Wissenschaftspolitik stellen. Die „Deutsche Agentur für Transfer und Innovation“, die nach der Regierungsbildung neu gegründet werden soll, hat unter anderem das Ziel, die Zusammenarbeit von Start-ups und Unternehmen mit Hochschulen zu fördern. Im Koalitionsvertrag lässt sich ein starker Fokus auf naturwissenschaftliche Forschung und angewandte Wissenschaft finden.
Die internationale Vernetzung und Zusammenarbeit von Universitäten und Hochschulen, vor allem in Europa, sollen gestärkt werden. Auch im Hinblick auf Erasmus+-Programme plant die Regierung Förderungen.
Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft werden verbessert
Die Arbeitsbedingungen im akademischen Sektor haben im vergangenen Jahr vermehrt für Diskussionen gesorgt. Der Hashtag #IchBinHanna hat auf die prekären Verhältnisse im sogenannten akademischen Mittelbau hingewiesen. Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, die teilweise einen großen Teil der Lehre übernehmen, arbeiten oft in unsicheren Anstellungsverhältnissen. Auch an der Uni Hamburg gab es zuletzt eine Hörsaalbesetzung und gemeinsame Streiks von Hochschulangestellten und studentischen Beschäftigten, die gegen die schlechten Arbeitsbedingungen protestierten.
Auch im Koalitionspapier findet sich nach der deutschlandweit für Schlagzeilen sorgenden #IchBinHanna-Diskussion ein Absatz zu den Arbeitsbedingungen an den Universitäten. In der Post-Doc-Phase, so die Koalitionspartner:innen, soll Verbindlichkeit und Planbarkeit geschaffen werden. Auch dauerhafte Anstellungsverhältnisse, die heute an Universitäten eher selten sind, sollen von der künftigen Regierung gefördert werden. Zusätzlich wollen SPD, FDP und Grüne auf die Stärkung von Diversity und alternativen Berufswegen im akademischen Bereich achten.
Den kompletten Koalitionsvertrag kann man hier downloaden.