Der kurze Traum vom Präsenzsemester

Wieder allein zu Hause lernen? Das wäre der traurige Höhepunkt eines ohnhehin nicht ideal laufenden Semesters. (Foto: Steinar Engeland/Unsplash)

Angesichts steigender Infektionszahlen sieht es an der Universität Hamburg nach einer teilweisen Rückkehr zur Online-Lehre aus. Damit würde die Pandemie wieder Studierende treffen, die große Hoffnungen auf das Wintersemester gesetzt hatten. Doch die Erwartungen wurden schon zu Beginn des Semesters nicht erfüllt.

Nach gerade einmal sechs Wochen der Vorlesungszeit ist es so weit: Erste Lehrveranstaltungen an der Universität Hamburg wurden wieder in Online-Formate überführt, weitere Lehrende haben diesen Schritt bereits angekündigt. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Traum von einem halbwegs normalen Wintersemester schon wieder ausgeträumt ist.

Dabei ist gerade unter den Studierenden die Impfquote hoch: Eine anonyme Umfrage der LandesAStenKonferenz Hamburg (LAK) und des AStA der Universität Hamburg ergab im Oktober, dass 81 Prozent der befragten Studierenden an staatlichen Hochschulen vollständig geimpft seien. Ein wichtiges Zeichen – ganz besonders, da viele Studierende in die Prioritäten-Gruppe 4 gefallen sein dürften, also im Sommer überhaupt erst die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen. Damit verbunden war die Hoffnung auf Normalität, auf Präsenzlehre und ein Campusleben, das viele so schmerzlich vermisst oder im schlimmsten Fall auch nach drei Semestern Studium noch nie erlebt hatten. 

Optimistischer Start

Zunächst sah auch alles verheißungsvoll aus. Man wolle so viel Präsenzlehre wie möglich anbieten, hieß es vor Semesterbeginn von allen Seiten. Die Orientierungswoche wirkte geradezu wie ein Befreiungsschlag, sie wurde sogar ausgelassener zelebriert als vor der Corona-Pandemie.

Doch schon bald zeigte sich, dass das Wintersemester die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte. Während an anderen Universitäten tatsächlich der überwiegende Teil der Lehrveranstaltungen in Präsenz angeboten wurde, fand an der Universität Hamburg vieles weiterhin digital oder hybrid statt. Die Gründe dafür sind vielfältig und Studierende und Dozent:innen haben in den vergangenen Semestern immerhin auch die Vorzüge der digitalen Lehre erkannt.

Der Mischmasch aus Präsenz- und Onlineveranstaltungen stellte Studierende aber vor eine Herausforderung. Denn selbst wer in Hamburg wohnt, schafft es in 30 Minuten zwischen zwei Seminaren nicht immer vom Campus nach Hause oder zurück, wenn eine Veranstaltung in Präsenz, die Folgende aber digital stattfindet. Auch die Universität selbst räumt ein: „Für viele Studierende ist es nicht einfach, Präsenzlehrveranstaltungen und digital durchgeführte Lehrveranstaltungen im persönlichen Stundenplan zu vereinbaren.“

Fehlende Arbeitsplätze und Sicherheitsbedenken

Das eigentliche Problem ist aber nicht die Kurswahl der Studierenden, sondern der Mangel an Arbeitsräumen für genau solche Fälle. Zwei Gebäude sind wegen Bauarbeiten ganz oder teilweise geschlossen. Sitzgelegenheiten in den Foyers wurden abmontiert oder gesperrt, wohl um Ansammlungen zu vermeiden. In der Bibliothek kann man zwar einer Vorlesung lauschen, die Beteiligung an Diskussionen ist jedoch nicht möglich. Geschlossene Arbeitsräume können in manchen Bibliotheken nur als Gruppe gebucht werden, außerdem nur zu festgelegten Zeitslots, die unter Umständen mit den Seminarzeiten kollidieren. Nicht selten saßen Studierende in den ersten Wochen auf Fluren, in Treppenhäusern oder der überfüllten Mensa, um an einer Zoom-Sitzung teilnehmen zu können. Konzentriertes Arbeiten ist so kaum möglich.

Das führte dazu, dass Studierende sich nach kurzer Zeit entnervt Online-Veranstaltungen oder hybride Optionen zurückwünschten. Dazu kamen zunehmend auch Sicherheitsbedenken. Für die Gebäude hatte die Universität ein 3G-Konzept erstellt und dafür eigens den „Campus-Pass“ eingeführt, einen extra QR-Code, der nach Vorlage eines Impf-, Test- oder Genesenennachweises ausgestellt wurde. An den Eingängen wurde der Campus-Pass gescannt – am Anfang. Schon bald scherzten Studierende darüber, wie lange sie schon ohne Kontrolle in die Gebäude gekommen waren. Die Universität sagt dazu: „Zu jeder Zeit an jedem Ort ist eine Kontrolle möglich, aber im Vordergrund steht der Lehrbetrieb und nicht der ‚Kontrollbetrieb‘.“ Dass keine Einlasskontrollen erfolgen, sondern die Kontrolle im laufenden Betrieb durchgeführt werde, habe sich bewährt. Angesichts steigender Inzidenzen sorgt das jedoch für ein mulmiges Gefühl.

Dass Lehrveranstaltungen nun wieder in Online-Formate überführt werden, ist da fast erleichternd, gleichzeitig aber auch unglaublich frustrierend. Denn nachdem Studierende fast anderthalb Jahre lang vergessen wurden, für Risikogruppen zurückgesteckt haben und größtenteils als letzte mit der Impfung an der Reihe waren, spürten sie zu Semesterbeginn endlich einen Hauch von Normalität, der Hoffnung gab. Das wird ihnen jetzt wieder genommen.