Ist das Kunst oder kann das weg? Die Existenzkrise der Kulturschaffenden

Die Existenzkrise der Kulturschaffenden betrifft auch die großen Deutschen Dichter. Foto: Pixabay

Im Jahr 2020 ist die Schaffenskrise der Hauptfigur Faust aus Goethes Tragödie wieder aktuell. Zumindest im übertragenen Sinne. Doch aktuell betrifft die Krise die Kulturschaffenden und nicht die Wissenschaftler*innen.
Bedingt durch die Pandemie bleiben die Bühnen leer und viele Konzerte fallen aus.

Das Problem ist bekannt. Während es im ersten Lockdown für viele Arbeitnehmer*innen in die Kurzarbeit oder ins Homeoffice ging, wurden Veranstaltungen abgesagt. Insbesondere Kulturschaffende verloren eine regelmäßige Einnahmequelle.
Demonstrationen aus der Veranstaltungsbranche fanden in den vergangenen Wochen in Hamburg, Berlin und vielen weiteren Städten statt. Doch rundum wirksame Lösungsansätze aus der Politik fehlen bislang.

Akut vom Aussterben bedroht: Die Forderungen der Veranstaltungsbranche

Nicht nur die Veranstaltungsbranche, auch der Einzelhandel und die Gastronomie kämpfen ums Überleben. Für sie sind 10 Milliarden Euro angesetzt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte zwar gegenüber dem SWR, dass die Maßnahmen ausreichend wären, aber schloss auch einen höheren Betrag nicht aus.
Kulturschaffende sollen nach der neuen Regelung 75 Prozent der Einnahmen aus dem Vorjahresumsatz im November bekommen. Auch im Dezember sollen die finanziellen Überbrückungsmaßnahmen weitergeführt werden.
Kritisch sehen diese Vorgehensweise einige Künstler*innen, da ein geregeltes, gleichbleibendes Einkommen in der Branche nicht immer gegeben ist.
Das Bündnis von Initiativen und Verbänden aus der Veranstaltungswirtschaft #AlarmstufeRot äußert, dass die Veranstaltungswirtschaft bei den aktuellen Hilfsmaßnahmen nicht ausreichend berücksichtig wird.

Sie fordern, dass:
1. bei Kleinunternehmern auch Quartals- oder Jahresdurchschnittsumsätze anerkannt werden.
2. die Entschädigungsgrenze auf 50% des Umsatzeinbruchs gesenkt wird.
3. Auslandsumsätze anerkannt werden.
4. einzelne Anträge auch von Gruppenunternehmen gestellt werden können.
5. der Beihilferahmen erhöht werden soll.
6. Steuerberater und Rechtsanwälte besser informiert werden müssen.

Mehr zu den Forderungen findet ihr hier.

Alarmstufe Rot: nicht Systemrelevant

Laut Angaben von #AlarmstufeRot ist es zum eben beschriebenen Rettungsdialog zwischen der Regierung und den betroffenen Branchen nicht gekommen. In Zusammenarbeit mit #AlarmstufeRot, äußerten sich viele Prominente in einem offenen Brief an die Politik: „In den letzten Monaten gaben Sie uns das Gefühl, weniger wert zu sein als Autos, Flugzeuge oder Fußballspieler.“
Bis jetzt hat das Bündnis mehrere Demonstrationen veranstaltet. Unter anderem in Hamburg unter dem Titel „Alster in Flammen“. Auch in Berlin haben viele Demonstrant*innen auf die Krise aufmerksam gemacht.

Die Künstler*innenpsyche

SWR2 hat mit einigen Künstler*innen gesprochen und ihre Eindrücke in der Corona-Krise eingefangen. Einige von ihnen haben aktuell das Gefühl durch die Politik nicht genug vertreten zu werden. Und mentale Folgen sind bereits durch viele Künstler*innen geäußert worden. Häufig haben sie sich auf anstehende Veranstaltungen vorbereitet und sich gefreut, wieder ihrer Leidenschaft nachzugehen. Doch durch die beschlossenen Maßnahmen wurden nicht nur Events abgesagt, auch die Vorbereitung und Hoffnung wurde erneut niedergeschmettert. Ein wichtiger Lebensinhalt wurde den Künstler*innen genommen, und mentale Folgen werden in den Maßnahmen nicht beachtet. Solche Stimmen sind immer häufiger zu hören. Einige Kulturschaffenden haben aber auch etwas Positives aus der Krise mitgenommen, so zum Beispiel die Sängerin Annette Postel. Sie schrieb sogar einen Corona-Song.

Im Dezember wurden bereits einige der Forderungen des Bündnisses umgesetzt. Doch #AlarmstufeRot will weiter für die Umsetzung aller Forderungen kämpfen. Zu hoffen ist, dass sich schlussendlich die Kultur- und Veranstaltungsbranche wieder fängt. Und nicht wie Faust ein jähes Ende findet, denn wie Goethe festhielt: „die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen“. Und genau deswegen ist sie so wichtig für die Gesellschaft.