„Für echte Männer*innen“ – auf diesen Slogan hat die Welt gewartet

Herrenkosmetik, Parfum, Tabac Die Herrenkosmetik-Marke Tabac wirbt in ihrer neuen Kampagne mit dem Slogan „Für echte Männer*innen“. (Foto: Unsplash)

„Für echte Männer*innen“ – mit diesem Slogan und mit dem Gesicht von Sophia Thomalla bewirbt die Herrenkosmetik-Marke Tabac aktuell ihre Produkte. Die Werbekampagne zeigt wieder einmal: Wir haben noch viel Arbeit vor uns.

Sophia Thomalla befindet sich in der Mitte des Plakats. Die Farbe ihres Lackkleids: Rot. Die Farbe des Hintergrunds: Rot. Mit ihren Händen umrahmt sie das beworbene Produkt: TABAC ORIGINAL – After Shave Lotion. Auf einem ihrer tätowierten Unterarme prangt gut sichtbar das Gesicht Till Lindemanns. Etwas weiter oben im Bild dann der Schriftzug „FÜR ECHTE MÄNNER*INNEN“ – in Großbuchstaben, damit es auch wirklich jede:r versteht. An der Seite der Zusatz „100% ORIGINAL FOR EVERYONE“.

Tabac wurde in den 1950er-Jahren von dem Unternehmen Mäurer & Wirtz gegründet und bringt seither Herrendüfte sowie Pflegeserien für Männer auf den Markt. Vor wenigen Tagen ging die Marke mit einer neuen, wie sich zeigt äußerst kontroversen Werbekampagne an den Start: Die Aftershave-Lotion „für echte Männer*innen“ ist nun erhältlich. Auf diesen Slogan hat die Welt gewartet.

Gebrauch des Gendersterns: Inklusion oder Hohn?

Gleich ins Auge sticht der Genderstern inmitten des Wortes „Männerinnen“. Das Gendern polarisiert schon seit Jahren den Geschlechterdiskurs wie kein anderes Thema. Ein besonders einschlägiges Beispiel ist der Tweet von Friedrich Merz (April 2021), in dem er Substantive wie „Kinder“ oder „Hähnchen-Filet“ genderte. Was er vermutlich für eine geniale und rhetorisch äußerst ausgeklügelte Stichelei gegen die „#Gender-Leute“ hielt, ist in Wirklichkeit einfach nur ein Armutszeugnis. Aber an (Selbst-)Reflexion mangelt es offenbar nicht nur dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wie die Tabac-Werbung bestens zeigt.

Durch den Genderstern im Werbeslogan wird „Männerinnen“ als weibliches Pendant zu „Männer“ konstruiert. Tabac positioniert sich damit klar innerhalb des Genderdiskurses. Der Genderstern soll eigentlich zur Diversifizierung der Sprache beitragen, indem alle nicht-männlichen Geschlechtsidentitäten mitgedacht und repräsentiert werden. Tabac nutzt ihn jedoch völlig deplatziert als ironisches und überspitzendes Stilmittel – ähnlich wie Friedrich Merz. Was für ein kreativer und origineller Schenkelklopfer.

„Tabac ist ein Symbol unverkennlicher Männlichkeit und bietet optimale Lösungen für die Duft- und Pflegebedürfnisse moderner Männer.“
– Tabac

Die Produkte Tabacs wenden sich nach Selbstaussage der Marke an Männer. Tabac verfolgt also eine klare Zielgruppenorientierung, gegen die per se auch nichts einzuwenden ist. Dabei ist allerdings zu beachten, dass dies sicherlich nicht zum Aufbrechen des binären Geschlechtersystems beiträgt und sich auch generell die Frage stellt, was einen „Herrenduft“ so männlich macht und damit von Damendüften abgrenzt. Durch die Verwendung des generischen Maskulinums auf der Tabac-Website wird die Zielgruppenorientierung auch sprachlich bestätigt. Der nun gegenderte Slogan ist damit aber folgerichtig keine Bemühung um Gendergerechtigkeit und Inklusion, sondern lediglich eine herablassende Belustigung. Der Slogan-Zusatz „100% ORIGINAL FOR EVERYONE“ ist demnach umso zynischer, denn wie sich zeigt, richtet sich Tabac ganz und gar nicht an „everyone“.

How to schwarz-weiß denken: Von der (Un-)Echtheit des Mannes

Mit dem Slogan „Für echte Männer*innen“ wird außerdem ein Diskurs über die Authentizität von Männlichkeit aufgemacht: Wenn es „echte Männer*innen“ gibt, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass es ebenso „unechte Männer*innen“ gibt. Damit drängt sich also die Frage auf, was Tabac unter „(un-)echter Männlichkeit“ versteht.

Zwar behauptet Tabac, die Marke „passt sich den Bedürfnissen der Zeit an“, auf reaktionäre Genderstereotype und Geschlechterrollen möchte sie dann aber offensichtlich nicht verzichten, wie der Verweis auf „echte“ Männlichkeit im Slogan zeigt. Warum auch? Wir haben doch erst 2023!

Die Diskussion um Männlichkeit wird mittlerweile an immer mehr Orten geführt, wogegen Sophia Thomalla und Tabac sich offensichtlich positionieren. Durch den Slogan wird eindeutig ein Schwarz-Weiß-Denken über Geschlecht aufrechterhalten, das der Inbegriff toxischer Männlichkeit ist.

Sophia Thomalla und der Antifeminismus

Durch die Auswahl Sophia Thomallas als Aushängeschild der Werbekampagne positioniert sich Tabac ebenfalls. Die 33-Jährige fiel bereits mit zahlreichen antifeministischen, äußerst problematischen Äußerungen auf:

2015 war sie zu Gast bei „Hart aber fair“ – die Sendung widmete sich dem Thema Gleichberechtigung. Thomalla ließ sich zu Beginn der Sendung vorstellen und machte ihren Standpunkt gleich deutlich: Frauen, die nichts Besseres zu tun hätten, als andauernd gegen Sexismus vorzugehen und sich für Gleichstellung einzusetzen, hätten einfach noch nie ein Kompliment bekommen. Na klar. Das wird’s sein, Sophia!

In einem Tweet zog sie einen äußerst geschmacklosen und menschenverachtenden Vergleich zwischen kleinen Brüsten und geflüchteten Menschen. Später rechtfertigte sie ihre Aussage, indem sie vorgab, es sei ein soziales Experiment gewesen. Mit Sicherheit!

Bodyshaming ade? Auch hierzu hat Frau Thomalla interessante Ansichten. Sie warnt vor der Glorifizierung eines hohen Körpergewichts durch Shows, in denen kurvige Models die Hauptcharaktere darstellen. Dabei ignoriert sie gekonnt, dass gerade die konventionellen Schönheitsideale der meisten Shows Fettfeindlichkeit reproduzieren und unser Nachdenken über Schönheit stark beeinflussen.

Vor kurzem erregte sie die mediale Aufmerksamkeit durch die Verteidigung ihres Ex-Freunds Till Lindemann (Frontmann der Band Rammstein), der aktuell unter anderem des (systematischen) sexuellen Missbrauchs von Frauen beschuldigt wird. Thomalla spricht Betroffenen nicht nur ihre Erfahrungen ab, sondern unterstellt ihnen zusätzlich Motive wie Geltungsdrang.

Mit unpassenden Bemerkungen kennt sich Sophia Thomalla also bestens aus. Die Liste mit weiteren Beispielen kommt einem endlos vor. Das Zusammenspiel von Werbeslogan und Werbegesicht ist somit alles andere als irrelevant bei der Betrachtung der Kampagne.

Einseitiges Narrativ in der Berichterstattung?

Sophia Thomalla wird zu Recht in den Medien für ihre Aussagen und ihr Mitwirken an der Kampagne kritisiert. Interessant ist jedoch die Berichterstattung über die gesamte Kampagne. Während Tabac in den meisten Artikeln nur am Rande erwähnt wird, ist es Sophia Thomalla, die in den Fokus der Betrachtung gerät und für die provokative Werbung kritisiert wird.

Ihr Charakter polarisiert, ihr Name sorgt für Klicks und Aufruhr. Die Berichterstattung offenbart allerdings ein Narrativ, das allem voran das weibliche Gesicht der Kampagne zur Zielscheibe macht, anstatt zum Beispiel die verantwortliche Werbeagentur oder Stephan Kemen, den männlichen CEO des Unternehmens hinter Tabac, zu kritisieren. Aber wer ist schon Stephan Kemen?

Dumm gelaufen: Wenn die Zielgruppe den Altherrenwitz nicht versteht

„Sorry, aber es gibt nur Männer und nicht Männer*innen. Wer hat denn hier so ‘ne Scheiße geschrieben.“
– ein Instagram-User

Bei Instagram spalten sich die Kommentare zum Werbepost in zwei Lager – beide echauffieren sich gleichermaßen: Auf der einen Seite befinden sich die Leute, die die Werbung aufgrund der Verhöhnung des Genderns als unmöglich und unzeitgemäß ansehen. Auf der anderen Seite versammeln sich jene User:innen, die Tabacs Altherrenwitz leider nicht verstanden haben. Wie kann sich Tabac bloß dem „Genderwahn“ anschließen?! Dumm gelaufen, wenn die eigene Zielgruppe den Altherrenwitz nicht verstanden hat und sich dadurch nun von der Marke abwendet. Ob das geplant war?

Eins muss man Tabac jedoch lassen: Die Werbung ist marketingstrategisch ein voller Erfolg, denn die Kampagne ist in aller Munde. Doch vielleicht sollte gerade der einfach mal geschlossen bleiben, wenn man nichts Sinnvolles zu sagen hat.