„Das Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ Normalerweise würde ich, wenn ich Wandtattoo-eske Sprüche, wie diesen vom ehemaligen Pfarrer und Arzt Albert Schweitzer, lese zynisch werden und einen dummen Kommentar dazu abgeben. In diesen Tagen mache ich das nicht, sondern denke nach – über das Teilen.
Heute am 11.11. ist St. Martin. An dieser Stelle kurz Alles Gute zum Namenstag an alle Martins und Martinas, die diesen Kommentar gerade lesen. Die Kirche feiert heute die Tat eines Mannes, der der Geschichte nach sein Schwert genommen hat, um seinen Mantel zu teilen und ihn einem armen Bettler am Wegesrand zu schenken. Nun fragt ihr euch vielleicht: Was hat das mit mir zu tun? Vielleicht macht ihr euch nicht viel aus der Kirche und an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habt ihr auch kein Schwert neben eurem Mantel zu Hause rumliegen. Unabhängig davon, ob man an die Martinsgeschichte glaubt oder nicht, wäre jetzt allerdings ein guter Moment sich mal zu fragen: Wann habe ich eigentlich das letzte Mal etwas geteilt?
Die Wahl
Teilen und der Prozess dahinter haben viel damit zu tun, wie wir uns selbst und unser Umfeld wahrnehmen. Häufig steht man beim Teilen vor der Entscheidung, entweder mehr Gutes für sich selbst zu haben oder nicht mehr ganz so viel für sich zu haben, aber dafür ein Umfeld zu schaffen, in dem mehr Menschen glücklich sind und von einem profitieren. Überträgt man diese Wahl auf die Politik haben die Vereinigten Staaten von Amerika in der letzten Woche ihre Wahl getroffen. Sie entschieden sich mehrheitlich gegen den amtierenden Egoismus und für mehr Solidarität miteinander.
Niemand braucht ein Schwert
Natürlich verlangt nun keiner von euch die USA zu sein. Es verlangt auch keiner von euch, sich ein Pferd zu schnappen und dem nächsten Bettler am Hauptbahnhof eure teuerste Jacke und `nen Fuffie hinzulegen. Was die aktuelle Situation allerdings von uns allen abverlangt, ist, sich Solidarität zu bewahren in einer Zeit, in der fast jeder genug eigene Probleme zu bewältigen hat. Das ist und bleibt schwer. Doch Verständnis zu zeigen und anderen eine Freude zu bereiten, ist möglich auch und gerade in diesen Zeiten. Ein paar Snacks mit den Mitbewohner*innen zum Beispiel, einen netten Wortwechsel mit dem Kassierer oder einen kurzen Plausch mit dem Kellner oder der Kellnerin im Café, das gerade Schwierigkeiten hat. All das und viel mehr kann und darf man dieser Tage und darüber hinaus miteinander erleben und teilen.