Klimakonferenz und Erdöl: Ein angespanntes Verhältnis

Mann in Büro Jan Wilkens, Forscher an der UHH zwei Tage vor der Abreise nach Dubai in seinem Büro Foto: Verena Muehlberger

Inmitten der Nachwirkungen der Corona Pandemie, des Ukrainekrieges, der Destabilisierung vieler afrikanischer Staaten und der neuen Eskalation im Nahen Osten, treffen sich mehr als 190 Staaten in Dubai, um über das Klima zu verhandeln. Vom 30. November bis zum 12. Dezember 2023 findet zum 28 Mal die UN-Klimakonferenz (Conference of the Parties (COP28)) statt. Mit dabei ist auch ein Forscher der Universität Hamburg, der von seinen Erfahrungen berichtet hat.

Auf den Weltklimakonferenzen tummeln sich mehr als 70.000 Politiker:innen, Forscher:innen und andere Interessensgruppen aus der ganzen Welt und versuchen ihren Interessen Raum zu schaffen. Um Zugang zu bekommen, bedarf es einer Akkreditierung. Jan Wilkens, Forschender an der UHH hat dieses Jahr zum dritten Mal eine solche Akkreditierung erhalten. Er ist Experte für die Politik des Nahen und Mittleren Ostens, mit Fokus auf die Klimapolitik in der Region. Normalerweise führt er vor Ort Feldforschung durch, seit drei Jahren hat er seine Forschung nun auch auf die COP ausgeweitet. An der Universität Hamburg ist er im Exzellenzcluster CLICCS angestellt und forscht zu sozialen Treibern und zur Wissensgewinnung in der Klimakrise.

Für ihn ist die Klimakonferenz somit nicht nur eine Veranstaltung, über die er in den Nachrichten liest, sondern eine hautnahe Erfahrung, auf die er sich intensiv vorbereitet. Jede COP ist für ihn anders. Dies liegt vor allem daran, dass der Austragungsort sich jährlich verändert. Das Gelände auf dem die COP stattfindet ist für die Zeit der Veranstaltung UN Territorium. In den zwei Wochen der Konferenz laufen verschieden Veranstaltungen parallel. Jan Wilkens hatte deshalb einige Zeit gebraucht um sich zu Orientieren und sich dem Format anzupassen.

Die Geschichte der COP

Heute ist die Weltklimakonferenz ein fester Termin der internationalen Politik. Jedoch hatte es einige Jahre gebraucht bis zunächst das Thema Klima und dann das Format etabliert waren. Die ersten Klimakonferenzen, die noch unregelmäßig stattfanden, wurden von der World Meteorological Organisation (WMO – Weltorganisation für Meteorologie) seit den späten 1970er Jahren abgehalten. Jedoch schaffte es das Thema Klima, Klimawandel und Nachhaltigkeit erst mit der Veröffentlichung des Bruntland-Berichts 1987 auf die globale Agenda. Der Brundland-Bericht schaffte dabei eine Definition für nachhaltige Entwicklung die bis heute die Debatte prägt:

Dauerhafte Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, da[ss] künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.

Nach dieser erstmal langsamen Etablierung nahm die Debatte schneller Fahrt auf. Der erste Umweltgipfel fand 1992 in Rio de Janeiro statt. Rio wurde dabei bekannt durch die Agenda 21, der Klimarahmenkonvention. Der nächste Meilenstein war dann COP3 in Kyoto 1997, die die Grundlagen für den globalen Emissionshandel legte, die bis heute genutzt werden.

Die Geschichte der COP ist dabei eine holprige. Während nach Kyoto die Weltgemeinschaft zusammenhielt, konnte in Kopenhagen 2009 gerade ein Minimalkonsens erreicht werden, der aber keinerlei Vorgaben an die Verhandlungspartner machte. Erst mit der Konferenz in Paris 2015 schien das Format wieder an Bedeutung zu gewinnen.

Das 1.5 Grad Ziel

Paris schuf das 1.5 Grad Ziel, beziehungsweise das Ziel die Globale Erwärmung auf „well below“ (weit unter) 2°C, zu limitieren. Der Weltklimarat (Intergouvernemental Panel on Climate Change kurz IPCC) erforschte dann aber direkt welche Bedingungen gegeben sein müssten, um dieses Ziel zu erreichen. 2018 wurde vom IPCC der Sonderbericht „1.5°C globale Erwärmung“ veröffentlicht. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass das Ziel nur dann erreichbar ist, wenn eine tiefgreifende gesellschaftliche Transformation vorangetrieben wird. In der Gleichung müssten die 2020iger Jahre, das letzte Jahrzehnt der fossilen Brennstoffe darstellen.

Doch auch nach Paris schien sich nichts zu tun. Die Welt sah weg, bis 2018 Greta Thunberg mit ihrem Schulstreik für das Klima „Fridays for Futur“ auf den Plan rief. Einer Aktion die Global unglaublich viele Anhänger der neuen Generation fand. Für viele landete dabei das Thema das erste Mal auf der Agenda, für andere schuf die Aktion neue Hoffnung. Das Thema schien endlich ausreichend Raum zu bekommen.

Krisen über Krisen

Doch dann kam Corona, der Einmarsch Putins in die Ukraine und erst kürzlich die erneute Eskalation des Nahostkonfliktes. Somit fällt das Thema Klimawandel und gesellschaftliche Transformation unter den Tisch. Andere Krisen werden relevanter. Die Klimakrise wird deshalb schnell zum Randthema und es ist deshalb fraglich, welche Wirkung und welchen Einfluss die Weltklimakonferenz hat. Damit steht nicht nur im Raum, ob das Format verändert werden muss, sondern auch, ob sich die Institution ganz auflösen könnte.

Dieses Jahr waren die Stimmen der Kritik am Format besonders präsent. Der Gastgeber ist ein Mann, der durch den Verkauf von Öl zum Milliardär wurde. Sultan Al Jaber ist temporär der Kopf der Weltklimakonferenz, während sein eigentlicher Job die Leitung des Staatskonzern Adnoc ist. Das ein Präsident der Klimakonferenz noch einen anderen Job hat ist dabei nicht das Problem, sondern dass Adnoc der zwölftgrößte Erdölkonzern der Welt ist. Ihm gehören 90% der Erdöl- und Erdgasvorkommen der Vereinten Arabischen Emirate. Somit stehen die Interessen des Konzerns gegen die Bemühungen den globalen Erdöl und Erdgas Konsum zu reduzieren.

Entscheidungsmacht zu haben ist schwierig

Jan Wilkens ist inzwischen COP erfahren und in Dubai zum dritten Mal dabei. Das erste Mal war er 2021 in Glasgow mit acht weiteren Kolleg:innen und betrieb Feldforschung der anderen Art. Heraus kam eine wissenschaftliche Arbeit über die Beobachtungen in der „Blue Zone“, den Bereich der COP der nur für akkreditierte Personen zugänglich ist. In der Blue Zone befinden sich verschiedene Stände und Pavillons, in denen sich die Staaten, aber auch Indigene Gruppen oder Jugendorganisationen, vorstellen können. Somit wird in der Blue Zone ein Gefühl der Diversität erzeugt, Jan Wilkens bemerkt aber trotzdem, dass Entscheidungsmacht und wirklichen Einfluss auf die Debatte zu haben, schwierig ist. Dies liegt auch daran, dass die Kosten der COP von Jahr zu Jahr steigen. Sollte man eine Akkreditierung haben, muss man sich auch noch Flug und Unterkunft leisten können.

Mit auf dem COP-Gelände befindet sich auch die frei zugängliche Green Zone. Für viele Jahre war diese ein Versammlungsort von Aktivist:innen. Aus seinen Beobachtungen weiß Jan Wilkens jedoch, dass sich dies geändert hat. „Es waren vor allen Dingen große Unternehmen, die ihre privaten Greening Projekte oder Klimaneutralitätsprojekte in der Green Zone vorstellten. Jetzt zum Beispiel in Dubai, kann man sich einfach anmelden. Wenn die Green Zone nur noch auch aus großer Unternehmen besteht, die dann ihre Umweltprojekte vorstellen, dann zeigt sich natürlich, wie sich die Vorstellung von dem was da passieren soll und wer eine Rolle spielt sehr stark verändert hat.“

Klima und Politik

So divers wie die möglichen Antworten auf die globale Temperatur- und Umweltveränderungen sind auch die Auswirkungen dieser Veränderungen. Während gerade die Länder im Mittelmeerraum, wie etwa Ägypten, die Auswirkungen stark wahrnehmen, ist dies in den Golfstaaten noch nicht so prägnant. Somit erwartet Jan Wilkens, das die Debatte in den kommenden zwei Wochen geführt wird, von anderen Themen dominiert ist, als im vergangenen Jahr in Ägypten.

Mit der COP in Dubai ist es das zweite Jahr in Folge, dass die COP in einem Land mit fraglichen Demokratiebedingungen stattfindet. Klimapolitik bedeutet globale Transformation, wie laut Jan Wilkens, jedem, der in dem Feld arbeite, inzwischen ganz klar sei. Diese Transformation wird viele Staaten dazu zwingen ihr aktuelles Rechtsystem zu überdenken. Dies mag auch der Grund gewesen sein, weshalb die Demonstrationen um die COP27 in Scharm asch-Schaich zum Teil stark unterdrückt wurden. Ähnliches wird in dem Autoritären System der Vereinigten Emirate am Rand der COP28 auch erwarten zu sein.

Die Zukunft des Weltklimas

Kehrt man nun aber zum eigentlichen Thema der COP28 zurück, dem Weltklima und der Zukunft der Menschheit, werden wohl andere Fragen den Diskurs bestimmen. Wie jedes Jahr wird es auf der Klimakonferenz um die Frage der Emissionsreduzierung und der Dekarbonisierung gehen. Da der Gastgeber aber Akzente setzen kann, wird es gerade unter Sultan Al Jaber, den Chef einer Ölfirma, eine interessante Diskussion werden. Jan Wilkens bemerkt dabei aber auch, dass, obwohl die Kritik an der Person berechtigt ist, nicht nur die Vereinigten Arabischen Emirate oder andere Golfstaaten von der Öl- und Gasindustrie profitieren, „sondern leider eben global viele Akteure. Auch wir im Westen sind sehr stark mit involviert.“ Die Debatte um den Gastgeber bringt genau diese Ambivalenz zum Vorschein. Die Weltgemeinschaft sieht somit noch einmal deutlich, wie Emissionen ein globales Problem sind. Für Jan Wilkens ist eine klare Exit-Strategie ein Imperativ der Verhandlungen, er befürchtet aber, dass eine solche Strategie wieder nicht klar genug definiert wird.

Der große Durchbruch im Vorjahr war die Konkretisierung der Begreiflichkeit des „Loss and Damage“ (Verluste und Schäden) die sich auf die große Frage der Klimagerechtigkeit bezieht. Seit Jahrzehnten ist klar, dass insbesondere die großen Industriestaaten hauptverantwortlich für Emissionen waren und sind. Die „Loss and Damage“ Regelungen sollen nun dafür sorgen, das genug Gelder in Regionen fließen können, die unterdurchschnittlich wenig zur Krise beitragen aber überdurchschnittlich stark unter dem Klimawandel leiden. Jan Wilkens hofft, dass auf der diesjährigen COP die Bedingungen für diesen Ausgleich konkretisiert werden. Jan Wilkens stellt deshalb die Frage, wer sich bereit erklären könnte Verantwortung zu übernehmen und zu Handeln. Dabei sieht er es als positiv an, dass es Anzeichen der Annäherung zwischen den USA und China gibt. Es braucht aber klare Bestimmungen, um die Klimafinanzierung voranzubringen. Das Deutschland nun direkt am Auftakttag der COP28 zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten 200 Millionen USD für den Loss and Damage Fond versprochen haben, kann in dieser Hinsicht erstmal als ein gutes Zeichen gewertet werden.

Trotz dieser Ankündigung ist es nicht gegeben, dass die Weltklimakonferenz Antworten auf die vom veränderten Weltklima gestellten Fragen geben wird. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, muss die Frage gestellt werden, ob die Weltklimakonferenz überhaupt noch einen Stellenwert hat. „Das ist eine Befürchtung die ich habe. Wir sitzen auf dem Ungewissen“, so Jan Wilkens.