Vor Tausenden Menschen mit seiner Lieblingsband live zu spielen ist für viele ein Traum. Für den Studenten Clint wurde dieser Traum im November Wirklichkeit. Wie kam es dazu?
Das Leben von Clint, 28, dreht sich um Musik und Sound. Der gebürtige Hamburger studiert an der Hochschule Osnabrück Musikproduktion, arbeitet nebenher als Audioproduzent für verschiedene Podcasts und spielt in zwei Punkbands Schlagzeug. Es sind kleine Bands, mit der erfolgreicheren erreicht er monatlich etwas über 250 Hörer:innen.
Im November geht für ihn unerwartet ein Traum in Erfüllung: Für zehn Tage kann er mit den deutschen Punklegenden von ZSK, einer seiner Lieblingsbands, auf Deutschlandtour gehen. Als Support für die amerikanischen Punkrockstars Rise Against spielen sie jeden Abend vor Tausenden Fans. Mit KOPFZEILE hat Clint darüber gesprochen, wie es dazu kam, vom Tourleben erzählt und verraten, wovor er am meisten Angst hatte.
KOPFZEILE: Lass uns ganz vorne anfangen. Wie bist du zur Musik gekommen?
Clint: Seit ich denken kann, wollte ich immer Schlagzeug spielen und mich mit Musik umgeben. Mit sechs haben meine Eltern mir zumindest Klavierunterricht organisiert in der Hoffnung, dass ich mich damit zufriedengebe. Habe ich aber natürlich nicht. Und dann habe ich mit acht anfangen dürfen Schlagzeug zu lernen.
KOPFZEILE: Du spielst aber noch mehr Instrumente.
Clint: Genau, Gitarre kam dann irgendwann im Teeniealter dazu. Das habe ich nie richtig verfolgt, aber über die Jahre erreicht man dann doch ein gewisses Level. Und ich hatte im Studium die Möglichkeit, an zwei Instrumenten Unterricht zu bekommen. Da habe ich dann nicht Schlagzeug gewählt, sondern Klavier und Gitarre, um als Produzent im Songwriting mehr Fähigkeiten mitzubringen.
KOPFZEILE: Aktuell spielst du in zwei Bands.
Clint: Genau, bei fakepunt und Them Horny Snakes. Mit fakepunt versuchen wir gerade so viel wie möglich live zu spielen. Bei Them Horny Snakes haben wir uns während des Lockdowns intensiv mit unserem Album beschäftigt und dadurch so ein bisschen den Schwung im Live-Bereich verloren. Aber das Album ist jetzt im Mixing und wir wollen auch da ab nächstem Jahr wieder so viel wie möglich auftreten.
Von kleinen Bühnen in die Barclays Arena
KOPFZEILE: Und vor wie vielen Leuten spielt ihr dann so?
Clint: Ich schätze mal zwischen 20 und 300 Leuten. Nicht mehr als 500 auf jeden Fall.
KOPFZEILE: Im Kontrast dazu hast du ja jetzt eine Deutschlandtour vor mehreren Tausend Menschen gespielt. Weißt du, was da die größte Location war?
Clint: Die Barclays Arena in Hamburg hat sich auf jeden Fall am größten angefühlt. Da waren es, glaube ich, 13.000. Aber ich weiß nicht, ob vielleicht eine andere Arena doch größer war.
KOPFZEILE: Warum hat sich Hamburg so groß angefühlt?
Clint: Die größten Konzerte, auf denen ich war, waren eigentlich immer in der Alsterdorfer Sporthalle. Da habe ich zum Beispiel Green Day und Parkway Drive gesehen und gefühlt geht es halt nicht größer. Und der Fakt, dass ich so riesengroße Bands in kleineren Hallen gesehen habe, als ich selber jetzt gespielt habe, das wirkt dann natürlich massiv
KOPFZEILE: Du bist ja auch Hamburger, waren dann auch Freunde und Familie im Publikum?
Clint: Ja, das trägt auch dazu bei, dass es sich am größten angefühlt hat. Also es war die dritte Show der Tour und da war der Druck irgendwie am höchsten, weil Freunde von mir da waren und meine Eltern. Das hat schon irgendwie erheblich zu dem Druck beigetragen, dass ich umso dringender nichts versemmeln sollte.
KOPFZEILE: Waren sie denn zufrieden mit dir?
Clint: Ja, die sowieso. Mir war in dem Moment wichtiger, dass ich selbst zufrieden bin. Aber ja, der Druck war schon irgendwie krass an dem Tag.
Der Druck war schon krass an dem Tag.
Clint über das Konzert in Hamburg
Der Weg auf die große Bühne
KOPFZEILE: Dann kommen wir dazu, wie du überhaupt dort auf der Bühne gelandet bist. Eigentlich hat ZSK ja einen anderen Schlagzeuger.
Clint: Der hatte Knieprobleme und hat das in der Woche vor der Tour beim Arzt untersuchen lassen. Und da kam dann die Nachricht, dass er die Tour auf jeden Fall vermeiden und sich stattdessen operieren lassen sollte, wenn er noch weiterhin Schlagzeug spielen wolle. Und dann hat er sich schweren Herzens entschieden, sich lieber operieren zu lassen. Das hat auch alles gut funktioniert, soweit ich weiß, jetzt ist er wieder fit und kann wieder spielen.
KOPFZEILE: Und wie sind ZSK dann auf dich gekommen?
Clint: Wir haben über die Hochschule die Möglichkeit, Coachings mit externen Dozenten zu bekommen. Und da ich extrem großer ZSK-Fan bin und die Produktion auch sehr gelungen finde, habe ich vor einem guten Jahr Flo von Schwarz – den Produzenten und Manager von ZSK – kontaktiert. Zum Zeitpunkt der Tour kannten wir uns also noch nicht mal ein Jahr, aber er wusste, dass ich Riesen-ZSK-Fan bin und auch Schlagzeuger in dem Genre. Und der ist dann auf mich zugekommen.
KOPFZEILE: Die ganze Geschichte war ja auch sehr kurzfristig.
Clint: Ja, also ich habe den Anruf Montagnachmittag bekommen und sollte mich innerhalb der nächsten Stunde entscheiden. Und die Tour ging Freitagmorgen los. Das heißt, ich habe dann angefangen zu üben, Montag und Dienstag hatte ich nur eine Stunde Zeit, mittwochs ein bisschen mehr. Dann bin ich Donnerstagmorgen nach Berlin gefahren, habe mein Schlagzeug mitgebracht und das Equipment fertiggemacht. Donnerstagabend haben wir kurz geprobt und dann ging es los.
KOPFZEILE: Wie lernt man denn so schnell Songs auf dem Schlagzeug?
Clint: Ich habe beim Üben viel nach Gefühl gespielt. Es sind ja doch überschaubare Vokabeln. Wenn man weiß, okay, bei dem Song kommt der und der Groove über soundso viele Takte, dann muss man sich nur noch merken, an welcher Stelle mal eine Pause ist und wie oft der Refrain kommt. Gerade bei ZSK ist es sehr oft auch ein ähnliches Tempo und ein ähnlicher Groove. Und dann bin ich zusehends sicherer geworden und wusste, dass ich mir einfach vertrauen kann, weil ich die Songs kenne.
Sorge vor einem Blackout
KOPFZEILE: Wie nervös warst du vor dem Tourauftakt in Düsseldorf?
Clint: Ich hatte schon die Sorge, dass ich angesichts der großen Menschenmenge und der frisch gelernten Songs vielleicht einen Blackout bekommen könnte. Letztendlich habe ich mich aber einfach nur in so einem Tunnel gefühlt und war relativ ruhig. Ich habe auch festgestellt, dass diese Menschenmenge von der Bühne aus ganz anders wirkt, als wenn man als Publikum in den Saal kommt. Wahrscheinlich wegen der Beleuchtung, aber es wirkt alles viel näher dran und viel übersichtlicher. Das hat mich positiv überrascht.

KOPFZEILE: Kommen wir zum Tourleben. Was macht man als Vorband eigentlich, während die Hauptband spielt?
Clint: Also zunächst heißt es ja nach der Show erstmal Equipment abbauen und verladen, aber wenn man das alles geschafft hat, kann man sich entspannt in den Feierabend begeben. Meistens haben wir dann erstmal zugesehen, dass wir noch was vom Catering erwischen, weil man sich dort so kurz vor der eigenen Show eher zurückhält. Und dann guckt man sich wie alle anderen auch die Hauptband an, entweder von der Bühne selbst oder aber auch ganz normal aus der Crowd.
KOPFZEILE: Weißt du, ob Rise Against euch auch zugeguckt haben?
Clint: Ich kann das nicht mit letzter Gewissheit sagen, weil ich selbst während der Shows nicht den Überblick darüber hatte… Aber ich gehe schon davon aus, dass sich irgendwann jeder mal zumindest ein, zwei Songs angeguckt hat. Von Brandon Barnes (Schlagzeuger von Rise Against, Anm. der Redaktion) habe ich auch Feedback bekommen.
KOPFZEILE: Wie war denn das Leben im Tourbus?
Clint: Das ist, finde ich, eine sehr gemütliche, komfortable Art des Reisens, weil man sich einfach nach der Show da in die Koje haut und dann am nächsten Morgen quasi in der nächsten Stadt aufwacht. Und wir haben abends dann immer gern noch zusammengesessen und uns unterhalten und Karten gespielt oder so was. Das macht schon Spaß und ist auch ein großer Luxus.
KOPFZEILE: Und wie läuft so ein Tourtag dann ab?
Clint: Erstmal geht man rein, guckt sich die Venue an und zieht sich einen Kaffee. Dann checkt man: Wann gibts Essen, wann darf man ausladen? Häufig habe ich dann erst mal in der Venue geduscht und gefrühstückt. Dann lädt man alles schon mal aus. Ich habe in meinem Fall dann immer direkt angefangen, das Schlagzeug aufzubauen, damit das alles schon ready ist. Und dann konnten wir immer noch so ein paar Stunden einfach chillen. Dann kommt irgendwann der Soundcheck und da wir halt die erste Band waren, haben wir als letzte Soundcheck gemacht. Dann geht es schon fast auf die Bühne. Deswegen hatte ich ja auch vorhin gesagt, dass man sich beim Catering etwas am Riemen reißen muss, damit man auf der Bühne nicht in den Seilen hängt.
KOPFZEILE: Wie haben die Fans denn darauf reagiert, dass du plötzlich am Schlagzeug sitzt?
Clint: Ich habe mich sehr willkommen gefühlt. ZSK haben ja sogar ein Fotoshooting mit mir gemacht, was ich auch überraschend fand. Und ich war auch ganz normal am Merchstand. Teilweise sollte ich auf Platten unterschreiben und so weiter, das war den Leuten dann egal.
Ich habe mich sehr willkommen gefühlt.
Clint über die Reaktion der ZSK-Fans
KOPFZEILE: Was war denn dein schönster Moment auf der Tour?
Clint: Für mich waren eigentlich die herausragenden Momente die, in denen Freunde von mir auch mit dabei waren. In Hamburg sind tatsächlich auch Freunde aus meiner Grundschulzeit angereist, die eigentlich auch mit der Musik gar nicht unbedingt was am Hut haben. Und meine Familie natürlich. Das war schon ein besonderer Moment. Und da gab es eben auch noch das Highlight mit Vom Ritchie von den Toten Hosen, der am ersten Abend spontan einen Song mit ZSK spielen wollte, wo ich meinen Platz räumen musste und ihn auf der Bühne begrüßen durfte. Das war natürlich direkt bei der ersten Show eine krasse Erfahrung. Aber es gab jeden Abend irgendeine Besonderheit, wo eine Band aus der Szene dann auch im Backstagebereich vorbeigeschaut hat. Das waren auch besondere Momente.

Wie gehts es weiter?
KOPFZEILE: Jetzt ist die Tour vorbei und du spielst wieder vor höchstens 500 Leuten. Wie gehst du damit um?
Clint: Ich habe festgestellt, dass ich auf jeden Fall abgeklärter geworden bin durch diese zehn Tage Erfahrung. Und trotzdem ist der Fokus nicht weniger stark bei so einer kleinen Show, habe ich gemerkt. Es sind ja auch komplett andere musikalische Herausforderungen und ich würde nicht sagen, dass es weniger anspruchsvoll dadurch wird, dass weniger Leute dastehen, sondern der Anspruch ist ja immer derselbe, nämlich so gut wie möglich zu performen und die Leute abzuholen.
Der Anspruch ist immer derselbe, nämlich so gut wie möglich zu performen.
Clint über die Rückkehr auf die kleinen Bühnen
KOPFZEILE: Willst du denn weiter versuchen, mit eigenen Projekten wieder auf große Bühnen zu kommen oder dich aufs Produzieren fokussieren?
Clint: Das ist eine gute Frage. Da bin ich selber gerade so ein bisschen am Überlegen. Natürlich ist der Traum mit der eigenen Band und den Freunden auf große Bühnen zu kommen, nicht ausgeträumt. Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass ich mich irgendwann vielleicht entscheiden muss. Ich werde jetzt die nächste Zeit einfach weiterhin alles was kommt, mitnehmen. Aber langfristig ist mir auch wieder klar geworden, dass ich mich eher im Studio sehe und nicht so sehr auf Tour.
KOPFZEILE: Dafür alles Gute und vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Florian Görres.