„Letzte Generation“ besetzt Audimax

Seit Montag besetzt die „Letzte Generation" einen Hörsaal im Audimax mit der Forderung einer Lebenserklärung (Foto: Letzte Generation)

Welche Verantwortung trägt die Universität in den Zeiten des Klimawandels? Darüber sind sich die „Letzte Generation“ und der neue Präsident der Universität Hamburg uneinig. Die Aktivist:innen fordern eine Positionierung gegenüber Robert Habecks Plänen, in der Nordsee nach Öl zu bohren, um die Unabhängigkeit von Russland zu ermöglichen. Die „Letzte Generation“ sieht einen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag und die Gefährdung des ohnehin angeschlagenen Klimas und verlangt eine „Lebenserklärung“ von Habeck. Die Aktivist:innen waren bereits vergangenes Jahr durch einen Hungerstreik im Regierungsviertel aufgefallen.

Forderung einer „Lebenserklärung“

Klima-Aktivist:innen der Bewegung „Letzte Generation“ haben am Montag das Audimax 2 an der Universität Hamburg besetzt. Derzeitige und ehemalige Studierende sowie Unterstützer:innen haben einen offenen Brief an den Präsidenten der Universität Hamburg, Hauke Heekeren, geschrieben: Sie fordern, die Uni solle eine Lebenserklärung von Robert Habeck verlangen. Anlass für die Aktion ist das Vorhaben des Wirtschaftsministers, LNG-Terminals zur Beschaffung von Flüssigerdgas bauen zu lassen, unter anderem an der Nordsee in Brunsbüttel. Hintergrund ist das von der Bundesregierung anvisierte Öl-Embargo gegen Russland. Das Vorhaben soll im Rekordtempo durch die Synchronisierung von Planung, Genehmigungsverfahren und Bau fertig gestellt werden.  In dem offenen Brief äußern sich die Aktivist:innen folgendermaßen zum Vorhaben Robert Habecks: „Wir begrüßen die Bemühungen schnellstmöglicher Energieunabhängigkeit von Russland und beobachten gleichzeitig mit Besorgnis, dass – in dem kleinen Zeitfenster, dass uns noch bleibt, um das Schicksal der Menschheit zu entscheiden – eine Abkehr von fossilen Brennstoffen nicht geplant zu sein scheint.“

„Wir haben Schlafsäcke und Isomatten dabei“, sagte eine Pressesprecherin der „Letzten Generation“ vor Ort. „Wir werden nicht freiwillig gehen, wenn die Forderungen nicht angenommen werden.“ Die Nordsee-Ölbohrungen sollen gestoppt werden, um die Lebensgrundlage zu sichern und den Klimakollaps abzuwenden. Die zusätzliche Investition in fossile Brennstoffe sei nicht langfristig und verstoße zudem gegen den Koalitionsvertrag. 

Nachhaltigkeit für Heekeren eigentlich ein zentrales Thema

Universitätspräsident Hauke Heekeren hatte sich bei seinem Amtsantritt im März selbst das Thema der Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben und einen konkreten Klimaschutzplan für die Uni gefordert. „Das geht vom allgemeinen Energieverbrauch bis zum aktiven Klima- und Ressourcenschutz in unserem Uni-Alltag. Mir ist auch wichtig in diesem Zusammenhang zu reflektieren, welchen Beitrag die Uni zur Nachhaltigkeit in der Gesellschaft leisten kann“, sagte er in einem von der Pressestelle der Universität herausgegebenen Interview. Gegenüber der Protestaktion im Audimax äußerte sich Hauke Heekeren allerdings bereits wenige Stunden nach der Besetzung kritisch: „Es ist jedoch nicht die Aufgabe einer Hochschule, die unabhängig agiert, bundespolitische Forderungen zu stellen oder sich diesen anzuschließen“, sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Die „Letzte Generation“ sieht das anders. Die vor einigen Monaten ins Leben gerufene Aktivist:innengruppe stützt sich auf die wissenschaftlichen Prognosen, allein die wenigen nächsten Jahre könnten einen Zusammenbruch des Klimas gerade so noch abwenden. Die Besetzung soll nicht nur alle Studierenden, sondern auch alle anderen Menschen auf die nahende Klimakatastrophe, die bereits jetzt im vollen Gange ist, hinweisen. Die Rolle der Universitäten als Vertretung unseres Bildungssektors sei entscheidend: „Wir als Universität haben nicht nur eine Verantwortung für unser eigenes, inner-universitäres Handeln – als Universität sind wir Teil einer wichtigen und mächtigen Säule der Gesellschaft und tragen eine Verantwortung für diese.“ Die Aktivist:innengruppe bezieht sich hierbei auf das Konzept der „Pillars of support“.

„Stell dir vor, uns bleiben noch 2-3 Jahre und alle machen erst ihr Studium fertig.“ Die „Letzte Generation“ heißt so, weil nur noch die wenigen nächsten Jahre den Zusammenbruch des Klimas abwenden können. (Foto: Anna Ströbele Romero)

Bereits in Leipzig erfolgreich

In Leipzig hatte die „Letzte Generation“ den größten Hörsaal der Universität und einen Teil des Innenhofs besetzt. Das Rektorat der Uni Leipzig bekannte sich daraufhin nach wenigen Tagen öffentlich zum Klimanotstand, sprach sich gegen fossile Brennstoffe und die anvisierte neue fossile Infrastruktur aus und versprach, die Forderung im Senat zu thematisieren. Mit dem konkreten Bezug zur Förderung von Nordseeöl wurde vom Rektorat „die Forderung der Besetzer:innen, jegliche neue Förderung fossiler Energien durch die Bundesregierung abzulehnen, da dies nicht zuletzt dem Koalitionsvertrag und der höchstwahrscheinlichen Überlebensfähigkeit unserer Gesellschaft widerspräche“ anerkannt. Während und nach der erfolgreichen Besetzung in Leipzig erhielt die Bewegung großen Zulauf.

Vielfältiges Programm im Hörsaal

In Hamburg soll die Besetzung des Audimaxes genutzt werden, um Vorträge und Lesungen zu halten, Filme vorzustellen und zu diskutieren. Das Programm ist vorläufig auf bis zum Dienstag geplant, weil unklar ist, wie lange die Aktivist:innen den Hörsaal besetzen werden. „Wir wollen uns gemeinsam bilden und Menschen einladen, friedlich und entschlossen ins Handeln zu kommen“, heißt es auf einem Flyer über die Hörsaalbesetzung. Zudem hat die Initiative einen Telegramkanal erstellt, in dem regelmäßige Updates mitgeteilt werden. Je mehr mitmachen würden, desto wirksamer sei der Protest und der Druck auf die Universität werde erhöht.