Abgesagte Konferenz: Kampf um die Wissenschaftsfreiheit

"We want our World back", Konferenz, UHH, Wissenschaftsfreiheit Die Uni ist rund um die Raumabsage der UHH an die Konferenz "We want our World back!" mal wieder Konfliktherd, wenn es um Wissenschaftsfreiheit geht (Foto: Pixabay).

Der AStA der Uni Hamburg und das Network for an Alternative Quest bezeichnen es als beispiellosen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Die Räume für die Konferenz „We want our World back!“ entzog die Uni aber trotzdem. Vorausgegangen war die vom Hamburger Verfassungsschutz mitgeteilte Vermutung, bei der Konferenz könnten Extremist:innen dabei sein. Was ist da passiert? 

Um was für eine Veranstaltung geht es überhaupt? 

Ein zweiseitiges Statement des AStAs und vom Network for an Alternative Quest prangert die Entscheidung des Unipräsidiums rund um Hauke Heekeren an. Am 28. März sei die Erlaubnis für die Nutzung der Räumlichkeiten der Universität zurückgezogen worden. Die Konferenz sollte eigentlich am Osterwochenende vom 07. bis zum 09. April stattfinden. 

Die Konferenz heißt „We want our World back!” und ist der vierte Teil der Veranstaltungsreihe „Die kapitalistische Moderne herausfordern“. Bereits die vorigen drei Konferenzen fanden 2012, 2015 und 2017 an der Hamburger Universität statt. Sie setzen sich unter anderem aus verschiedensten Vorträgen, Workshops, Diskussionen, Konzerten und Performances zusammen. Schwerpunkte hierbei: Kapitalismuskritik, die kurdische Freiheitsbewegung, Demokratie, die Klimakatastrophe. So startete die vierte Konferenz mit der Thematisierung von Ökoziden und wurde mit Beiträgen von verschiedensten Professor:innen, Dozent:innen und Aktivist:innen begleitet. Im Laufe der Veranstaltungen war auch die erste indigene Präsident:innenschaftskandidatin Mexikos und Menschenrechtsaktivistin María de Jesús Patricio Martínez dabei. 

Insgesamt wurden im Vorhinein für die Konferenz über 1300 Teilnehmer*innen erwartet. Die Veranstaltungen wurden in Arabisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Kurdisch, Spanisch und Türkisch übersetzt. Das Statement des AStAs und dem Network for an Alternative Quest hebt auch hervor, wie besonders die Veranstaltung in ihrer internationalen Vernetzung ist. Das zeigt nicht zuletzt, welche und wie viele Unterstützer:innen das Statement mit dem Aufruf, die Veranstaltungsräume wieder freizugeben, hat: An erster Stelle steht beispielsweise der renommierte Linguistik-Professor Noam Chomsky. Auch die Philosophin, Aktivistin und Feministin Silvia Federici erinnert die Universität an ihre Pflicht und Verantwortung, Visionen und Lösungen für die Krisen der Gegenwart zu fördern und zu formen. Zehn des zwölf Seiten langen Statements listen die etlichen weiteren Unterstützer:innen der Petition, auch bestehend aus den AStA der Universität Hannover, der HU in Berlin, der Uni Frankfurt und einigen Fachschaftsräten auf. 

Silvia Federici äußert sich zum Raumentzug seitens der UHH für die Konferenz.

Laut des Statements versuchten die Veranstalter:innen der Konferenz, einen Kompromiss mit der Uni Hamburg zu finden und gegebenenfalls das Programm anzupassen. Die Uni zeigte sich jedoch nicht kompromissbereit und vermied teilweise den Austausch mit dem AStA. Das wiederholte auch das für die Pressfragen zuständige Referat für Soziale Bewegung: 

„Das Unipräsidium hat uns sehr kurzfristig per Mail mitgeteilt, dass die Räume entzogen werden. Ab diesem Zeitpunkt gab es keine Möglichkeit persönliche Gespräche zu führen. Alle Versuche der Kontaktaufnahme wurden abgewiesen.“

Wer sind die Veranstalter:innen und was steckt hinter dem Verdacht?

Der AStA der Uni Hamburg organisiert die Konferenz gemeinsam mit dem Network for an Alternative Quest. Ersterer ist von den Studierenden der Uni Hamburg gewählt und vertritt über 40.000 Studierende. Bei dem Network for an Alternative Quest handelt es sich nach Auskunft des AStAs um einen „Zusammenschluss verschiedener Initiativen und Gruppen, die sich für eine autonome Bildung und Organisierung einsetzt“ und die kurdische Freiheitsbewegung unterstützt. Diesem Netzwerk gehören laut Verfassungsschutz Gruppierungen an, die der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahestehen. Die PKK strebt die Eigenständigkeit der kurdischen Bevölkerung an und wird auf der EU-Terrorliste geführt. 

Die Gruppen, die der PKK nahestehen sollen, sind auch in einem Dokument aufgeführt, das ein Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Ronen Steinke, am 06. April veröffentlicht hatte. Gemeint sind unter anderem kurdische Gruppierungen wie die Internationale Initiative „Freedom for Abudllah Öcalan – Peace for Kurdistan“ oder das „Kurdish Women’s Office for Peace (CENI)“. 

Nicht zuletzt, weil hinter dem Verbot der PKK und dem „Terrorismusverdacht“ gegenüber Kurd:innen, die der Kurdischen Freiheitsbewegung nahestehen, ein komplizierter und hochpolitischer Komplex steckt, mutet der Verdacht des Verfassungsschutzes vielen Aktivist:innen merkwürdig an. Es werden schon länger Stimmen laut, dass der ausgesprochene „Extremismusverdacht“ missbraucht wird und politisch aktive Kurd:innen stigmatisiert. 

Zudem war der Hamburger Verfassungsschutz bereits vor ein paar Monaten mit einem solchen, kurzfristig (einen Tag vor dem Start der Initiative) ausgesprochenen, Verdacht gegenüber der Initiative „Hamburg Enteignet“ aufgefallen, was Kritik hervorrief. Auch die Organisator:innen der Veranstaltungen sehen Kalkül hinter dem Agieren des Verfassungsschutzes. In ihrem Statement stellen sie den Verfassungsschutz in Frage. Während ihre Veranstaltung als extremistisch dargestellt würde, gäbe es „bis heute keinen Untersuchungsausschuss zu den Verstrickungen zwischen dem Hamburger Verfassungsschutz und dem „NSU“. Auf Rückfrage unterstrich der AStA nochmals, dass keine der verdächtigten Gruppen in Deutschland oder anderswo verboten seien. Auch bei den vergangenen Konferenzen seien keine Straftaten oder strafbare Inhalte Teil der Veranstaltungen gewesen. 

Sorge um die Wissenschaftsfreiheit

Die Veranstaltung fand trotzdem statt, aber nicht an der Uni Hamburg. Diese verwies nach der Kontaktierung des Verfassungsschutzes, darauf hin, dass es in ihren Räumlichkeiten keine Veranstaltung „mit parteipolitischer Ausrichtung“ geben dürfe. Das gelte vor allem für eine Partei, die in Deutschland verboten ist. Der AStA bestätigte zudem, dass es die Idee gab, auf die Uni zu zugehen und das Programm anzupassen: „Da uns [aber] nicht mitgeteilt wurde, welche der Programmpunkte dem Präsidium nicht passten, konnten wir auch keine Vorschläge einbringen.“ 

„Wenn das Präsidium vor Gericht in Frage stellt, ob wir als Studierende das Recht auf Wissenschaftsfreiheit haben, dann ist das ein Skandal. Aus diesem Grund sehen wir auch zukünftige Veranstaltungen in Gefahr.“ 

Referat für Soziale Bewegung

Stattdessen fanden die Veranstaltung unter anderem im Bürgerhaus Wilhelmsburg statt, auch übertrug ein Livestream das Programm. Etliche Workshops wurden ins Gängeviertel, das Centro Sociale oder die Rote Flora verlegt. Am Samstag gaben sich die Veranstalter:innen der Konferenz „We want our World back!“ kämpferisch und gewillt, das Programm trotzdem durchzuführen. Trotzdem war die Enttäuschung noch immer groß: Wir wollten es unbedingt an der Universität stattfinden lassen. Wir wollten den Dialog aufrechterhalten und sichergehen, dass solche Diskussionen überall stattfinden können, auch an den Universitäten, sagte zum Beispiel Harvin Guneser, Frauenrechtsaktivistin, Journalistin, Ingenieurin und eine der Sprecherinnen der Initiative „Freiheit für Abdullah Öcalan – Frieden in Kurdistan“. 

Die Frage ist aber auch, ob es wieder zu ähnlichen Absagen seitens der Uni kommt. Das Referat für Soziale Bewegung befürchtet genau das und sieht „auch zukünftige Veranstaltungen in Gefahr”. Auch wegen dieser Befürchtung haben sich bereits viele Organisationen und Gruppen mit dem AStA und dem Network for an Alternative Quest solidarisiert.

Und was sagt die Uni?

Die Uni Hamburg rund um den neuen Präsidenten Hauke Hekeeren hat sich übereinstimmend mit einer Vermutung des Verfassungsschutzes dagegen entschieden, eine Veranstaltung stattfinden zu lassen, die nach Lösungen für Probleme sucht, die der Kapitalismus zu großen Teilen erzeugt hat und nicht lösen kann. Kritik an der Uni gibt es dabei nicht nur seitens der Veranstalter:innen. In einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung schreibt Ronen Steinke, die Uni scheine einen „Vermeidungskomplex“ zu entwickeln.

Das Café Knallhart hat sich an der Seite der Veranstalter:innen gegen die Entscheidung des Präsidiums gestellt. Die Transparente verschwanden kurz darauf lautlos vom Campus.

Auch scheint sich das Präsidium in Sachen Kommunikation nicht mit Ruhm bekleckert zu haben: Einerseits ist da die kurzfristige Absage an die Veranstalter:innen, dann der Eindruck, dem Verfassungsschutz auf einen Hinweis sogleich gefolgt zu sein und nach Aussagen des AStAs jegliche Kommunikationsversuche mit den Veranstaltenden blockiert zu haben. Auf einer Demo am Donnerstag gegen die Entscheidung des Präsidiums waren zwei Transparente zu sehen, die Hauke Heekeren als „Handlanger vom Verfassungsschutz“ bezeichneten und dazu die Aussagen „Kapitalismuskritik ist kein Extremismus“ und die Forderung enthielten, die Räume für die Veranstaltung wieder bereitzustellen. Diese Transparente, die zum Café Knallhart, einem studentischen Freiraum auf dem Unihauptgelände gehörten, wurden ein paar Stunden später von dort ungesehen entwendet. Das Knallhart sieht in einem Statement die Uni dahinter und den Einzug der kritischen Transparente als Zensur. Nach den Osterfeiertagen tauchte dann eines der beiden Transparente vor dem Café wieder auf.

„Wir haben die besagte Veranstaltung gerade deshalb untersagt, um die Wissenschaftsfreiheit zu schützen.“

Die Uni Hamburg über den Entzug der Räumlichkeiten

Auf direkte Nachfragen bezüglich der Kommunikationsweise der Universität, antworte diese, sie habe den Hinweis des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) „sorgfältig geprüft“ und die Einschätzung – der Verdacht auf PKK-Nähe der kommenden Veranstaltung – als „schlüssig und nachvollziehbar“ bewertet. Gleichzeitig verwies sie darauf, dass es im Vorhinein eine „eigene Prüfung der Veranstaltung durch die UHH“ gegeben habe. Im Gegensatz zum AStA spricht die Universität von einem ständigen Austausch, den es rund um die Absage gegeben habe. Auf die Frage, was die Uni von der Kritik des AStAs, einiger Studierenden und anderen politischen Gruppen – die unter anderem die Sorge um die Wissenschaftsfreiheit der Uni beinhaltet – halte, antwortete diese: „Wir haben die besagte Veranstaltung gerade deshalb untersagt, um die Wissenschaftsfreiheit zu schützen.“ Dabei verwies die Uni vor allem auf die aus ihrer Sicht mögliche „parteipolitische Einflussnahme“. 

Zwei sehr unterschiedliche Darstellungen 

Die Konferenz des AStAs und des „Network for an Alternative Quest“ konnte trotzdem stattfinden, nur in anderen Räumlichkeiten wie zum Beispiel dem Bürgerhaus Wilhelmsburg. Die Veranstalter*innen verbuchten das als großen Erfolg und positionierten sich klar gegen die Entscheidung der Universität und deren Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz

Besonders mit Hinblick auf künftige Konflikte dürfte der Entzug der Räumlichkeiten und die fehlende Aussprache zwischen AStA und Präsidium nicht hilfreich sein. Denn diese wird es auf jeden Fall geben, seien es Veranstaltungen von Kapitalismuskritiker:innen oder auch Klimaaktivist:innen. Letztere hatte die Uni bei einer Besetzung der „Letzten Generation“  von der Polizei räumen lassen. Im Mai wird es unter der End Fossil Kampagne #MayWeOccupy weitere Besetzungen überall in Deutschland geben. Wenn es eine an der Universität Hamburg geben sollte, bleibt es abzuwarten, wie die Uni sich dann verhält.