In der Welt der Zukunft hat sich sehr wenig verändert. Die Luftverschmutzung, zumindest in London, haben die Menschen nicht wirklich in den Griff bekommen. Aber dennoch gibt es einige interessante Entwicklungen und vor allem Superheld:innen, die sogar einen eigenen Club haben. Unter ihnen ist auch Dragman, Protagonist der neuen Graphic Novel von Steven Appleby.
Dragman ist kein gewöhnlicher Superheld. Denn er kann seine Superkraft, das Fliegen, nur dann gebrauchen, wenn er Frauenkleider trägt. August Crimp, wie der Held mit bürgerlichem Namen heißt, trägt seit seiner Kindheit gerne Kleider und entdeckt bald, dass er fliegen kann. Als eines Tages ein Mädchen vom Dach des Londoner Kunstmuseums stürzt und von den Superhelden gerade niemand in der Nähe ist, führt das zu August Crimps Outing als Superheld:in Dragman. Gemeinsam mit Dog Girl, einem Mädchen, dass Super-Schnüffelkräfte hat und sich in einen Hund verwandeln kann, bestreitet Dragman die ersten Rettungsaktionen als Superheld:in, bis zum Tag der Prüfung des Superheldenstatus. Hier scheitert er an seinem Antagonist The Fist, einem sehr unangenehmen Macho-Superhelden. Daraufhin hängt Dragman seine Superheldenkarriere an den Nagel.
Die Seele als Ware
Drei Jahre später ist August Crimp glücklicher Familienvater, der seiner Frau sein frühes Leben aber verheimlicht. Diese hat nämlich panische Angst vor Superheld:innen, nachdem ihre Eltern bei einem Einsatz des Narren, eines weiteren Superhelden, getötet wurden. Er verheimlicht seiner Frau zunächst auch, dass er sich gerne Frauenkleider anzieht, da er sich damit schräg und daneben fühlt.
In der Zwischenzeit wurde der Sitz der menschlichen Seele entdeckt und es erblühte ein Handel mit den Seelen von Menschen, die sie für gutes Geld verkaufen, danach aber seltsam oder gar böse werden. Das Mädchen, dass er damals beim Sturz vom Kunstmuseum rettete, ist nun die Babysitterin von Augusts Sohn und bittet ihn als Dragman um Hilfe. Sie will ihren Eltern deren verkaufte Seelen zurückgeben. Gleichzeitig werden immer mehr ermordete Transfrauen in und um London gefunden, auch hier ist Dragmans Hilfe gefragt. So begibt sich August Crimp auf eine neue Mission und beginnt ein Versteckspiel vor seiner Frau.
Bunt und grau
Die Erlebnisse, Gedanken und Gefühle von August Crimp schildert Steven Appleby in seinen Zeichnungen mit klaren und gleichzeitig fließenden Linien. Seine Bilder lassen Raum für Betrachtungen, die (mimischen) Regungen der Handelnden sind deutlich zu erkennen. Steven Applebys Bilder über die Geschehnisse der Gegenwart hat Nicola Sherring in bunte, leuchtende Wasserfarben getaucht, die Erinnerungen und Berichte über Vergangenes sind dagegen in schlichtem Grau gehalten.
Ruth Keens kurze und pointierte deutsche Übersetzung des gesprochenen Worts ergänzen die Bilder von Steven Appleby gut, im Zusammenspiel vermittelt beides die Geschehnisse und inneren Regungen der Figuren eindrucksvoll.
Besonders das innere Ringen von Dragman, der so viel ist und so wenig davon öffentlich und unumwunden zeigt, wird immer wieder deutlich. Steven Appleby, selbst Transfrau, berichtet in Dragman auch über eigene Erlebnisse.
Fazit
Mit „Dragman“ hat Steven Appleby eine unterhaltsame, spannende und lehrreiche Graphic Novel verfasst. Seine Superheld:innen sind anders als die „klassischen“ Superheld:innen. Sie können einerseits unangenehme Machos sein und auf der anderen Seite herzlich und offen. Die Suche von Dragman, alias August Crimp, nach Identität und sich selbst, die Ablehnung von außen, die mysteriösen Morde an den Transfrauen und einige interessante Einfälle zu den Superheld:innen machen diese Graphic Novel zu einer Lesefreude, bei der, wie bei allen Superheld:innen, auch actionreiche Szenen nicht zu kurz kommen. Der Wechsel aus Spannung und philosophischen Momenten sowie Erkenntnissen über Selbstfindung und Selbstakzeptanz geht in dieser Graphic Novel sehr gut auf.
Autor | Steven Appleby deutsch von Ruth Keen Wasserfarben von Nicola Sherring |
Verlag | Schaltzeit Verlag Berlin |
Preis | 29,00 Euro |
Seitenzahl | 336 Seiten |