Im November 2023 trafen sich AfD-Politiker:innen mit Unternehmern und bekannten Neonazis, um einen perfiden „Masterplan zur Remigration“ von Millionen von Menschen zu diskutieren. Das hat das Investigativnetzwerk Correctiv in einer brisanten Recherche öffentlich gemacht. Viele Menschen sind schockiert, in mehreren Städten haben bereits Demos gegen die AfD stattgefunden. Wichtig ist jetzt, dass wir weitermachen. Ein Kommentar von Josephine Kanefend.
Als die Geschichte von Correctiv über das Geheimtreffen öffentlich wurde, war der Aufschrei groß. Alle Medien übernahmen die Meldung. In Talkshows, Radiosendungen und auf Social Media wird seitdem viel diskutiert: Darüber, wie schockierend alles sei und wie jetzt mit der AfD umgegangen werden solle.
Schockierend sind die Aussagen der Neuen Rechten, aber leider ist vieles davon gar nicht so neu. Teile der AfD reden seit Langem von „Remigrationsmaßnahmen“, um den angeblichen „Bevölkerungsaustausch“ zu verhindern. Einige AfD-Politiker:innen beeilten sich nach Bekanntwerden des Treffens sogar, die Exklusivität der Recherche zu relativieren und zu betonen, dass die massenhafte Abschiebung von Menschen ohnehin schon lange Kurs der Partei sei.
Selten war die Floskel „besser spät als nie“ wahrhaftiger
Dabei ist der Begriff der „Remigration“ viel zu verharmlosend, ein Euphemismus – das muss immer wieder betont werden. „Remigration“ bedeutet für AfD & Co. nichts anderes als die massenhafte Vertreibung von Menschen. Die auf dem Geheimtreffen diskutierten Pläne gehen über die Abschiebung von Geflüchteten hinaus. Dass diese auch die Ausweisung von deutschen Staatsbürger:innen, vor allem mit Migrationshintergrund, vorsehen, scheint viele besonders schockiert zu haben. Und auch, dass mit dem persönlichen Assistenten von Alice Weidel, Roland Hartwig, ein AfD-Mann von Bundesebene auf dem Treffen vertreten war, zeigt die Brisanz der Angelegenheit (Anm. d. R.: Mittlerweile hat sich die AfD von ihm getrennt). Hinzu kommt, dass die Partei dieses Jahr die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg gewinnen könnte. Das alles scheint bei vielen Menschen einen Erwachungsmoment ausgelöst zu haben.
Diesen müssen wir nutzen. Auf Social Media und in Polittalks über den Umgang mit der AfD zu diskutieren ist richtig und wichtig. Aber genauso wichtig ist es jetzt, die Empörung auf die Straße zu tragen und Haltung zu zeigen – gegen die Unmenschlichkeit von rechtem Gedankengut und für die Universalität der Menschenrechte. Natürlich hätte das in Anbetracht der bekannten AfD-Inhalte schon längst passieren müssen – doch selten war die Floskel „besser spät als nie“ wahrhaftiger als jetzt.
Nicht überrascht sein, sondern bereit
In den Tagen nach Erscheinen der Correcitv-Recherche haben bereits in vielen Städten Demos mit mehreren tausend Teilnehmenden stattgefunden. Das ist gut so – und es darf erst der Anfang sein. Wir kennen es alle: Eine schockierende Meldung dominiert die Nachrichten, dann ist das Thema zwei, drei Wochen präsent, bis das nächste Ereignis eintrifft oder die Gesellschaft schlicht erschöpft ist. Das ist menschlich – nicht Jede:r kann sich dauerhaft und intensiv mit allem beschäftigen. Deshalb ist es auch wichtig, den eigenen Fight zu finden und seine Kräfte zu konzentrieren. Aber gerade beim Thema Rechtsextremismus ist es essenziell, dass wir alle am selben Strang ziehen – eben weil die viel zitierte Verteidigung der Demokratie so viele Kämpfe umfasst: antirassistische, feministische, allgemein das Einstehen für Gerechtigkeit und Frieden. Es ist wichtig, dass die breite Masse auf die Straße geht und nicht nur antifaschistische Gruppen, die sich diesem Kampf im Übrigen schon seit Jahren widmen und dafür oft genug kriminalisiert werden. Und vor allem wird es darum gehen, dass diese Masse sich regelmäßig mobilisiert.
Man muss nicht links sein, um gegen Rassismus und Hetze zu demonstrieren, und radikal schon gar nicht. Man muss menschlich sein. Lasst uns nicht aufhören Präsenz zu zeigen gegen Faschismus und Menschenfeindlichkeit. Lasst uns zeigen, dass wir mehr sind – nicht nur den Rechten, sondern auch den demokratischen Parteien, die politische Verantwortung tragen. Lasst uns zeigen, dass wir wach sind – und die Politik daran erinnern, dass sie es auch sein muss, unter allen Umständen.
Die Aktivistin und Autorin Tupoka Ogette appelliert auf Instagram: „Dear white people: Seid nicht überrascht. Seid nicht schockiert. Bitte. Seid ready.“ Wie wichtig das ist, zeigt die deutsche Geschichte – denn wir wissen alle, was geschah, als die Bevölkerung der dreißiger Jahre nicht ready war.
Wie du dich sonst engagieren kannst:
Demonstrieren zu gehen ist wichtig, aber um langfristig etwas zu verändern, brauchen wir zivilgesellschaftliches Engagement, das darüber hinaus geht. Beim Hamburger Bündnis gegen Rechts findest du Links zu verschiedenen Gruppen und Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzen. Wenn du die Kräfte und Kapazitäten hast: Engagiere dich ehrenamtlich und trage dazu bei, dass Hass und Hetze keine Chance haben.
