Lange Suchen, viele Absagen und am Ende trotzdem ein überteuertes Obdach – der Hamburger Wohnungsmarkt ist für Studierende eine Zerreißprobe. Was die Stadt tun will und warum Enteignung dabei keine Rolle spielen soll.
Von Kurt Krink und Lina Lemmermann
HAMBURG. Antek Lubocki sitzt im Nasch, einem hippen Café in der Caffamacherreihe am Rödingsmarkt. Die Ortswahl ist spontan, das WG-Zimmer des Kunststudenten liegt im rund zwei Kilometer entfernten Münzviertel. Für Antek ein Glücksfall. Denn hinter ihm liegt eine Suche nach Unterschlupf, die sich lange hinzog – und mitnichten selbstverständlich im angesagten Hamburger Zentrum endete.
Für Studierende ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt kompliziert. Das Wohnangebot in den deutschen Großstädten ist begrenzt, noch dazu solches, das bezahlbar ist. Grund dafür sind vor allem rasant steigende Mieten. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten infolge der multiplen Krisen tun ihr Übriges.
„Du musst erstmal etwas Bezahlbares finden, ohne dass das in Itzehoe oder Bremen liegt“, sagt Antek. Das ist freilich überspitzt, doch in den Ballungsräumen haben Studierende einen schweren Stand. Denn mehr als ein Teilzeitjob ist neben dem Vollzeit-Studium nicht drin, eine Wohnung muss vom in der Regel überschaubaren Lohn dennoch gestemmt werden: „Tagsüber studieren, abends am Wochenende bis nachts arbeiten. Das Geld geht hauptsächlich für Miete drauf“, beschreibt Antek, der sein Geld als Barkeeper in einem Nachtclub verdient, seinen aufreibenden Lifestyle. Er zahlt aktuell 550 Euro für sein WG-Zimmer.
Und trotz dieser ernüchternden Bestandsaufnahme muss immer noch festgehalten werden: Dass Antek überhaupt eine Unterkunft gefunden hat, gleicht einem Glücksfall. Er erzählt von Freund:innen und Mitstudierenden, die sich mit Couchsurfing über Wasser halten oder sich einfach direkt in den Ateliers in der Kunstschule einrichten: „Circa vier Leute pro Jahrgang schlafen in der Uni“, erklärt Antek: „Manche bringen ihre Matratzen mit, es gibt Sofas.“
Enteignung als Lösung?
Auf die Frage, was Antek sich von den zuständigen Akteur:innen wünscht, antwortet er bestimmt: „Vermieter enteignen. Es ist einfach bescheuert, dass Leute damit frei Geld machen können und es ausnutzen, dass Leute auf der Straße sitzen oder bei Freunden Couchsurfen oder einfach abnormale Preise in Kauf nehmen müssen.“ Klar gebe es Verwaltung, Instandhaltung und so weiter. „Aber das rechtfertigt nicht das Geld, das manche Leute mit Wohnraum machen.“
Auch die Initiative „Hamburg enteignet“ fordert, Immobilienunternehmen in Hamburg zu enteignen. Konkret soll das alle Unternehmen mit mindestens 500 Wohnungen betreffen. Sie machen große Immobilienkonzerne hauptverantwortlich für die schwierige Situation auf dem Hamburger Wohnungsmarkt.
Was Konzerne und Politik denken
Aber was sagen Immobilienkonzerne und verantwortliche Politiker:innen zu den Vorwürfen und Forderungen? Michael Lippitsch, Pressesprecher des Immobilienkonzerns „Heimstaden“, glaubt nicht, dass die Frage nach Enteignung wirklich eine große Zustimmung in der Bevölkerung hat. Das Ergebnis des Enteignungsvolksbegehrens in Berlin 2021 spricht zwar eine andere Sprache, „Heimstaden“ glaubt jedoch, dass die Fürsprecher:innen der Enteignung lediglich ein „Signal an Politik und an die Wohnungswirtschaft“ senden und „nicht die Enteignung per se wollen“.
Die Partei DIE LINKE ist die einzige der Bürgerschaftsfraktionen, die sich auf Nachfrage für die Forderungen der Initiative ausspricht und auf die Entscheidung der Expert:innenkommission in Berlin verweist. Die nach dem erfolgreichen Volksbegehren gebildete Kommission erläutert in ihrem Abschlussbericht , dass es kein milderes Mittel für dauerhaft bezahlbare Mieten gäbe und dass mehr Neubau nicht dauerhaft mehr bezahlbaren Wohnraum gewährleisten könne.
Doch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in Hamburg hält das Voting mit Blick auf den hiesigen „viel diverseren“ Wohnungsmarkt nicht auf Hamburg übertragbar. Derweil habe man zudem mit den „jüngsten Verschärfungen des Mietrechts den Preisanstieg bremsen“ können, teilt die Behörde auf Anfrage mit.
Die Bürgerschaftsfraktionen der Grünen und der SPD nennen neben anderen Gründen die möglichen zeitlichen Verzögerungen durch Klagen und gerichtliche Überprüfungen als Hürde. Das Instrument der Enteignung sei nicht geeignet um den Wohnungsmarkt zeitnah zu entspannen.
Die Bürgerschaftsfraktion der FDP verfolgt einen ganz eigenen Ansatz: „Wir wollen, dass jeder den Traum von Eigentum realisieren kann.“ Im Vergleich zu anderen Ländern sei Deutschland ein „Mietland“, so Sami Musa, stellvertretender Landesvorsitzender der FDP Hamburg, auf Nachfrage von KOPFZEILE: „Das kann und darf nicht so bleiben.“
Günstiger Wohnraum durch Wohnheime?
Wohnen im Wohnheim – das ist eine attraktive Möglichkeit für Studierende, da die Mieten oft bezahlbarer, keine Bürgschaften notwendig sind und es keine Mindestmietdauer sowie recht kurze Kündigungsfristen gibt. Zudem entstehen in Wohnheimen oft Gemeinschaften und es werden zahlreiche Freizeitaktivitäten angeboten. Plätze in Wohnheimen sind daher heiß begehrt – und so nur für einen Bruchteil der Studierenden verfügbar.
Das Studierendenwerk Hamburg bietet derzeit rund 4.400 Studierenden einen Platz in einer der 26 Wohnanlagen. Die Wohnheime sind zu 100 Prozent ausgelastet, auf der Warteliste stehen laut Angaben des Studierendenwerks aktuell über 700 Studierende (Stand Mai 2023). Bis 2030 sollen weitere 2.000 Plätze geschaffen werden. Diese Pläne werden jedoch durch steigende Kosten gefährdet. „Die Kostenentwicklungen im Bausektor erschweren die Realisierung erheblich. Für die Umsetzung wird von zentraler Bedeutung sein, ob die dafür erforderliche öffentliche Förderung zur Verfügung steht bzw. angesichts der erheblichen Kostensteigerungen im Baubereich ausgebaut wird“, erklärte das Studierendenwerk Hamburg gegenüber KOPFZEILE. Für dieses Vorhaben sei ihnen die Unterstützung der Stadt Hamburg zugesagt worden. Was dies konkret bedeutet, bleibt abzuwarten.
Eine stärkere Finanzierung der Studierendenwerke – das ist auch eine zentrale Forderung des Fachschaftsrats Sozialwissenschaften der Universität Hamburg. Für FSR-Mitglied Mena sind die Bemühungen des Hamburger Studierendenwerks nicht ausreichend, eine Ausfinanzierung sei daher dringend nötig. Ein Ausbau der Wohnheimplätze würde dabei nicht nur Studierenden zugutekommen, sondern zudem den allgemeinen Wohnungsmarkt entlasten und soziale Standards für das Thema Wohnen setzen. Um dem großen Ziel etwas näher zu kommen: Kräftezehrende Wohnungssuchen, wie sie Antek und viele andere erleben müssen, sollen der Vergangenheit angehören.