Einige Studierende finden auf einem besonders schweren Weg an die Universität Hamburg: Auf dem einer Flucht. So erging es auch dem 30-jährigen Samir aus Damaskus. Was ihn antreibt, mit welchen Herausforderungen er konfrontiert war und wie er Hilfe des Projektes #UHHhilft der Universität Hamburg erhalten hat, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Von Laura Russ und Alina Zwerenz
Samir sitzt bei Sonnenschein auf einer Bank und beobachtetet sichtlich zufrieden das lebhafte Treiben der Studierenden auf dem Campus der Universität Hamburg. „Hamburg ist eine so krasse Stadt, sehr multikulti und lebendig und der Campus ist genauso“, sagt er lächelnd, während Studierende um ihn herum sitzen, sich fröhlich unterhalten, essen und arbeiten. Samir passt mit seinen schwarzen Haaren, den lässigen Klamotten und seinem offenen Gesicht gut in die Menge der Menschen – und doch ist er auf einem anderen Weg an diese Universität gekommen als die meisten um ihn herum. Denn sein Weg begann mit einer Flucht.
Seine Entscheidung fiel in Damaskus
„Dass ich hier in Hamburg bin, hat mehrere Gründe“, erzählt der 30-jährige Samir aus Damaskus. Vor sieben Jahren kam er nach Deutschland, genauer nach Gadebusch in Schwerin. Die wirtschaftliche Lage in seiner Heimat Syrien wurde so prekär, dass er dort keine Zukunft mehr für sich sah. Seine drei Schwestern und seine Mutter musste Samir zurücklassen. Er schaut traurig, aber entschlossen. „Ich musste diesen Weg gehen, denn Europa war eine riesige Chance für mich. Ich wollte sowieso diese Gesellschaft und die Kultur entdecken und mich mit den Werten auseinandersetzen“, erklärt er. Über seine Entscheidung nach Deutschland zu kommen, ist Samir sehr froh. Er sei „jetzt eine ganz andere Person“ und Hamburg ist nach Damaskus „seine zweite Stadt“.

In Damaskus hat Samir ein Diplom in BWL absolviert, was ihm in Deutschland als kaufmännische Ausbildung anerkannt wurde. In diesem Bereich hat Samir sowohl in Damaskus als auch in Hamburg für insgesamt zehn Jahre gearbeitet. Nun beginnt er das Studium Soziale Arbeit in Hamburg: „Alleine hätte ich das nicht geschafft. Das mag ich so an der Universität – die Menschen werden hier unterstützt.“
#UHHhilft hilft!
Diese Unterstützung erhielt Samir, wie viele andere geflüchtete Studierende bei der Studienorientierung #UHHhilft. Das Projekt wurde im Wintersemester 2015/2016 ins Leben gerufen und wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBf) finanziert. Das erzählt Jana Hesse, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin von #UHHhilft. Sie begleitete das Projekt bereits 2015 als Studentin. Nach ihrem Bachelor in Sozialökonomie arbeitete sie von 2016 bis 2020 als studentische Angestellte im Team von #UHHhilft und ist seither festangestellt.
„Im Jahr 2015 hat die Zivilgesellschaft viel Engagement für Geflüchtete gezeigt. Dieses Engagement darf in der Universität nicht aufhören, da auch diese eine gesellschaftliche Verantwortung hat“, erklärt Jana Hesse. Das Motto von #UHHhilft ist damals dasselbe wie heute: Bildung dürfe nicht erst ein Thema am Ende der Integrationsdebatte sein. Auch acht Jahre später haben die zwei Festangestellten und die neun studentischen Hilfskräfte des Projektes die Vision, eine breite Integration durch Bildung zu fördern. Geflüchtete sollen auf ihrem Weg ins Studium und an die Universität Hamburg unterstützt werden. Jana Hesse berichtet stolz von dem Projekt. Warum ihr diese Arbeit so wichtig ist, wird deutlich aufgrund der Tatsache, dass die Arbeit ihres Teams jeden Tag Menschen unterstützt, die studieren wollen. Im vergangenen Wintersemester 2022/2023 haben 259 Personen aktiv an den Angeboten der vier Fachklassen teilgenommen. Die Teilnehmenden kommen aus über 50 Herkunftsländern, 98 davon sind Frauen, 161 sind Männer.
Die Geflüchteten erfahren von #UHHhilft hauptsächlich über Freund:innen, Bekannte oder andere Beratungsstellen, wie dem Campus Center oder der Abteilung Internationales. Auch Samir hat über einen Kumpel von #UHHhilft erfahren. Erste Anlaufstelle bei #UHHhilft ist der Counter beim Von-Melle-Park 9 auf dem Campus der Universität. Dorthin können Geflüchtete ohne Termin kommen und sich beraten lassen. Die Beratungsgespräche finden im Einzelgespräch oder in Gruppen statt. Sie umfassen unter anderem die Unterstützung hinsichtlich Fragen zu möglichen Studiengängen, aber auch die Anerkennung vorheriger Ausbildungen und Zeugnisse. Darüber hinaus sind zwei der zentralen Themen, welches Sprachniveau die Geflüchteten haben und ob ihr Studienwunsch mit ihren Sprachkenntnissen zu erreichen ist. Jana Hesse hebt hervor, dass #UHHhilft weitaus mehr als eine reine Beratungsstelle ist: „Wenn die Geflüchteten in Hamburg ankommen, haben sie oft keine Kontakte und suchen Anschluss“, erzählt sie. Durch gemeinsame Aktivitäten, das Buddy-Programm, Sprachkurse und Fachklassen sei #UHHhilft ein Ort, an dem die Geflüchteten eine Gemeinschaft bilden und Freund:innenschaften schließen können. Dies kann dazu beitragen, dass sich die Geflüchteten nach ihrer Ankunft wohler fühlen und sich integrieren. Auch Samir wurde von #UHHhilft beraten. „Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich nichts gewusst und war traurig und bedrückt, weil ich dachte, ich kann es nicht schaffen, zu studieren“. erzählt er und erinnert sich an diese schwere Zeit zurück. „#UHHhilft hat mir von A bis Z geholfen und einen umfangreichen Überblick gegeben“, erklärt Samir und strahlt vor Freude und Zuversicht.
Aller Anfang ist schwer – besonders nach einer Flucht
Nicht nur für Samir ist insbesondere die Zeit der Ankunft und des Einlebens eine Herausforderung. „Viele Geflüchtete haben neben Schwierigkeiten wie dem Erlernen einer neuen Sprache auch mit psychologischen Herausforderungen zu kämpfen“, erklärt Jana Hesse. Ein großer Teil der Geflüchteten hat auf der Flucht traumatische Erfahrungen machen müssen, deren Folgen sich häufig erst zeitversetzt im Studium zeigen. Dazu gehören zum Beispiel Lern- oder Konzentrationsprobleme, die zu Frustration und Druck führen können. Oder aber die finanziellen Herausforderungen und Schwierigkeiten beim Einleben in ein neues Umfeld. #UHHhilft bietet zwar selbst keine psychologische Beratung an, weist jedoch auf andere Stellen hin und versucht, die Hürden des Studieneinstiegs zu verringern.

Das ist jedoch nicht immer einfach zu erreichen. „Es ist schwierig, sicherzustellen, dass die Geflüchteten, die sich für das Programm anmelden, auch wirklich aktiv an den Angeboten teilnehmen“, erzählt Jana Hesse. Die Gründe, die sie von der Teilnahme abhält, seien häufig nur schwer einschätzbar und demnach schwer zu lösen. Daran anschließend ist es eine Herausforderung, die Wirksamkeit des Programms zu messen. Neben den harten Erfolgskriterien, wie eine nachgewiesene Verbesserung der Deutschkenntnisse oder einer Bewerbung auf einen Studienplatz, die klar messbar sind, seien auch weiche Erfolgskriterien von Bedeutung. Zu diesen gehören laut #UHHhilft beispielsweise, ob sich eine Person integriert fühlt, das Hochschulsystem in Deutschland kennengelernt hat oder den Studienwunsch konkretisiert hat. Gerade diese Aspekte würden den breiten Integrationsansatz ausmachen, weshalb es ein Problem sei, dass diese bei der Messung der Effektivität der Arbeit von #UHHhilft weniger Beachtung erhalten als harte Erfolgskriterien.
Wohin führt Samirs Reise?
Samir ist einer von vielen, der von diesem breiten Integrationsansatz profitiert. Als er vor sieben Jahren nach Deutschland kam, wusste er nicht, wo ihn diese Reise hinführen würde. Heute sitzt er auf einer Bank auf dem Campus der Universität, fühlt sich zugehörig und ist zuversichtlich hinsichtlich seines Studiums. „Im kommenden Wintersemester möchte ich beginnen, Soziale Arbeit zu studieren, und danach im Bereich Integration arbeiten.“ Er habe am eigenen Leib gemerkt, dass Menschen Schwierigkeiten haben, sich zu integrieren. Ein Studium zu finden, die Sprache zu erlernen und die vorherrschenden Werte der Gesellschaft zu verstehen. „Ich habe diese Herausforderungen selbst erlebt und möchte die Unterstützung, die ich bekommen habe, weitergeben.“ Er lächelt. Was ihm vor sieben Jahren schwer fiel, soll keine Hürde für weitere geflüchtete Menschen sein, die in Deutschland leben und studieren wollen.