Die Bundesregierung nutzt es als Hauptmaßnahme gegen die Gasknappheit: Liquified Natural Gas, kurz LNG, auf deutsch: Flüssiggas. Es gibt jedoch viele Gründe, die dagegen sprechen, diese Ressource zu nutzen. Aktivist:innen fürchten etwa fossile Lock-Ins und sehen marine Ökosysteme bedroht. Aber was ist LNG überhaupt und wieso kommt es etwa auf Rügen zu Protesten gegen diese Ressource?
Warum LNG?
Die grundlegendste Definition, die es von Gasen gibt, besagt, dass Gase luftförmige Stoffe sind. Chemisch gesehen sind sie aber durchaus komplexer. In der Theorie können alle Stoffe zu Gas werden, soweit sie genug erhitzt werden. Bei Wasser liegt der Siedepunkt, also die Temperatur bei dem es gasförmig wird, beispielsweise bei 100 °C. Auf der anderen Seite werden Stoffe, wenn man sie weit genug abkühlt auch wieder flüssig. So wird Wasser wieder flüssig, wenn es auf unter 100 °C abkühlt.
Dieses Abkühlen von Gasen kann sehr praktisch sein, da sie dadurch nur noch einen Bruchteil ihres Volumens einnehmen. Wasser hat zum Beispiel ein 1700-fache Volumen im Gaszustand, weshalb man es bevorzugt in flüssigem Zustand transportiert.
Erdgas besteht zum überwiegenden Teil aus Methan. Dieses Gas ist zwar nicht ganz so langlebig wie CO2, hat aber eine 21-fache Treibhausgaswirkung und wird in Verbrennungsprozessen, wie etwa in Gaskraftwerken, zu CO2 umgewandelt. Erdgas ist somit maßgeblicher Treibstoff der Klimakrise.
Im Zuge des russischen Angriffs Russlands auf die Ukraine kam es in vielen Ländern der Westlichen Welt zu einem Stopp russischer Gasimporte. Dies führte zu Defiziten in den lokalen Gasspeichern sowie einer Teuerung des Gaspreises und damit verbunden des Strompreises.
Die Lösung der Bundesregierung für dieses Gasdefizit, ist die Nutzung von LNG. LNG steht für Liquified Natural Gas, übersetzt: Verflüssigtes Erdgas. Also Erdgas, dass verflüssigt wird, um es leichter über weite Strecken, auf denen es keine Gaspipelines gibt, zu transportieren. Es wird als eine Lösung zur Gewährleistung der Gassicherheit angesehen.
Um das Gas wieder umzuwandeln bedarf es LNG-Terminals, die auch Floating Storage and Regasification Units (FSRU) genannt werden. In Deutschland wurden bis Mai 2023 drei solcher Terminals in Betrieb genommen, davon zwei staatlich verwaltete in Wilhelmshaven und Brunsbüttel und ein privates in Lubmin. Im überarbeiteten LNG-Beschleunigungsgesetz vom 17. Mai 2023 sind drei weitere Terminals geplant: Wilhelmshaven II, Lubmin und Stade. Zudem steht der Hafen von Mukran auf Rügen als weitere Standort zur Debatte.
Wie wird LNG hergestellt?
Erdgas wird an vielen Standorten der Welt gewonnen. Es wird dabei aus dem Boden extrahiert und häufig direkt in eine Gaspipeline eingespeist. Will man jedoch Flüssiggas erzeugen, wird das Gas auf -161 °C heruntergekühlt. Diese Temperatur entspricht der Siedetemperatur von Erdgas, es wird somit in seinen flüssigen Zustand überführt. Diese Abkühlung reduziert das Gasvolumen um das 600-fache. Dieses flüssige Gas wird im Anschluss auf Schiffe verlanden und um die Welt verteilt.
Was spricht gegen LNG?
Es gibt eine lange Liste an Gründen, die gegen die Nutzung von Flüssiggas sprechen. Zunächst stellt sich die Frage, aus welchen Ländern das Gas geliefert wird. Die Hauptlieferanten für LNG nach Europa sind Katar, Nigeria und die USA .
In den USA wird das Gas über die besonders umstrittene Form des Fracking gewonnen. Diese Methode ist aufgrund ihrer Bedenklichkeit in Deutschland verboten.
Zur Verflüssigung des Gases werden zudem bis zu 20 % der Energie des Gases benötigt. Hinzu kommen Energiekosten des Transportes und die Wiederüberführung in den gasförmigen Zustand.
Beim Abbau, wie auch während der weiteren Prozessierung des Gases, kommt es immer wieder zu Gasverlusten, welches direkt in die Umwelt gelangt. Bei den Reinigungsprozessen der Terminals werden zudem Giftstoffe wie zum Beispiel Chlor eingesetzt, welche die lokale Bevölkerung und insbesondere die Gewässer gefährden. Ein Beispiel für diese Verschmutzung ist Port Arthur in Texas, USA – ein Hotspot der fossilen und chemischen Industrie der USA. Hier ist die Häufigkeit von Herz-, Lungen, Nieren- sowie Krebserkrankungen doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt. Nutzt man also am Verbraucherende kein LNG, hilft man auch den Menschen auf der Seite wo das Gas gewonnen wird.
Aktivist:innen kritisieren zudem, dass der Bau zu fossilen “Lock-Ins” führt. Sie meinen damit, dass schon geschaffene Strukturen den Umbau auf alternative und klimaneutrale Energien blockieren. Um rentabel betrieben zu werden lohnt es sich nämlich nicht LNG-Terminals nur für ein paar wenige Jahre zu nutzen. Momentan ist ihre Nutzung in Deutschland bis 2038 vorgesehen.
Flüssiggas ist aufgrund der zusätzlichen Produktionsschritte auch nicht günstig und die Instandhaltung der Terminals teuer. Bisher hat der Bund schon 9.8 Milliarden Euro nur für die Errichtung und die Instandhaltung der Terminals eingeplant. Eine Summe, die schon jetzt vom Bund als zu gering engeschätzt wird. Insgesamt, wird das Projekt LNG für den deutschen Steuerzahler also nicht günstig werden.
Ganz abgesehen von den genannten Kritikpunkten, sollte klar sein: Erdgas ist ein fossiler Brennstoff. Das gewonnene Gas und seine Nutzung in Verbrennungsprozessen trägt somit maßgeblich zur weiteren Erhöhung der CO2 Konzentration bei. Wenn diese Ressource weiter genutzt wird, kann das 1.5 °C Ziel definitiv nicht erreicht werden.
LNG und Rügen
Im ersten Entwurf des LNG-Beschleunigungsgetzes war Rügen bereits als möglicher Standort vorgesehen. Dagegen wehrte sich jedoch die Rügener Bevölkerung. Ein großer Kritikpunkt war dabei die Angst um den Tourismus, schließlich ist ein großer Teil der Inselbevölkerung auf diesen angewiesen. Jedoch würde ein Terminal nicht nur die Aussicht stören, sondern auch das sensible Ökosystem der Ostsee weiter gefährden. LNG-Terminals sind zudem laut. So kam es in Brunsbüttel bereits zu Beschwerden wegen Lärmbelästigung.
Infolge dessen kam es zu heftigen Protesten und die Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen schaffte es bereits vor den Petitionsausschuss des Bundestages. Trotzdem landete der Hafen Mukran im überarbeiteten LNG-Beschleunigungsgesetz als ein möglicher Standort für ein LNG-Terminal.
Vom 26. Bis 29. Mai 2023 organisierten deshalb verschiedene Umweltgruppen ein Klimacamp auf dem Lebenshof Frankenthal auf Rügen und organisierten zwei Demos am Pfingstsonntag, um sich gegen den geplanten Bau zu wehren.
Die Aktion wurde von unserer Autorin Verena Muehlberger in Bildern festgehalten. Die Eindrücke, die sie dabei gewonnen habt, findet ihr .