In ihrer Mockumentary “Irgendwas mit Medien” thematisieren die beiden Regisseure Jano Kaltenbach und Mirko Muhshoff mit einem Augenzwinkern den Alltag von Medien-Studierenden. Es geht um die Selbstüberschätzung junger Studierender, Probleme dabei, neue Freunde zu finden und das Gefühl der totalen Orientierungslosigkeit im universitären Lebensabschnitt. Mit einer gehörigen Portion Humor wird dabei auch immer der kleine Kosmos der Medienbranche parodiert, in dem beide Regisseure ihre Wurzeln haben.
Worum geht es?
Nach dem Abitur beginnt der selbsternannte Alleskönner Lennart (Mirko Muhshoff) sein Medienstudium in Weimar. Dabei wird er von einem Kamerateam begleitet, das für einen Dokumentarfilm seinen Alltag als Studierender filmt.
Wie allen Studienanfänger:innen bleibt Lennart am Anfang seines Studiums keine noch so peinliche oder unangenehme Situation erspart. Das Kamerateam dokumentiert pflichtbewusst alles, was Lennart widerfährt. Auch die emotionalen Tiefpunkte. Beispielsweise verbringt er einsame Partynächte auf fremden Sofas, ringt sich durch chaotische Gruppenarbeiten und scheitert regelmäßig an der eigenen Selbstüberschätzung.
Vor allem eines fällt ihm schwer: Freunde zu finden. Der Grund dafür liegt in seinem kindischen und arroganten Verhalten, welches ihn auch mal dazu verleitet, sich mit Sokrates oder Platon zu vergleichen. Als er aber wiederholt dem verplanten Langzeitstudenten Simon (Jano Kaltenbach) begegnet, beschließt er, sich mit ihm anzufreunden. Simon ist zu Anfang aber hauptsächlich genervt von Lennart und versucht ihn loszuwerden. Gemeinsam müssen sie sich im Laufe der achtteiligen Serie mit verschrobenen Dozierenden wie Professor Maulhardt (Dominique Horwitz) herumschlagen und nebenbei die großen Fragen des Erwachsenwerdens beantworten: Was kann ich überhaupt gut? Wo möchte ich hin mit meinem Leben? Wer bin ich eigentlich?
Scheinbare Authentizität
Das Format der Mockumentary verleiht der Serie eine schonungslose Authentizität. Wackelige Kameraarbeit, hektische Zooms und betont amateurhaftes Schauspiel verstärken den Eindruck einer objektiven Dokumentation. So ist es auch kein Zufall, dass jeder von Lennarts Schritten in der Handlung angeblich von einem Kamerateam festgehalten wird. Gelegentliche Interviews mit den Protagonisten, die das soeben Geschehene aus ihrer Sicht einordnen, vervollständigen den pseudo-dokumentarischen Look von “Irgendwas mit Medien”.
Auch der Uni-Alltag von Lennart und Simon ist an Echtheit kaum zu überbieten. Die Zuschauer:innen sehen Studierenden beim Flunkyball-Spielen auf dem Campus zu und erleben, wie Lennart an der schieren Größe der Uni verzweifelt, als er einen Seminarraum sucht. Die Dialoge zwischen Simon und Lennart könnten genauso an deutschen Unis stattgefunden haben. Dass die Serie mit vielen Laiendarstellern gedreht wurde, unterstützt ihre vorgebliche Authentizität.
Auch Jano und Mirko sind eigentlich gar keine ausgebildeten Schauspieler, sondern konzentrierten sich in vorangegangenen Projekten fast ausschließlich auf die Regiearbeit. Davon ist aber nichts zu merken, denn Jano verkörpert den dauergenervten Simon mit stets mürrischem Gesichtsausdruck und versteinerter Miene großartig. Mirko merkt man an, dass er sich bei der Rolle des Lennart an bekannten Protagonisten des Mockumentary-Genres wie Bernd Stromberg oder Ricky Gervais Charakter aus The Office (UK) orientiert. Mit einem energiegeladenen Schauspiel und viel Gespür für Komik begleitet er die Zuschauer:innen souverän durch die acht Folgen.
Eine Parodie auf den Medienkosmos
Der wahre Kern einer Mockumentary ist immer die Kritik an den seriösen und scheinbar “echten” Dokumentarfilmen und an darin besprochenen Themen. Irgendwas mit Medien möchte vor allem die Medienbranche und ihre Protagonisten parodieren.
Eigenwillige Charaktere wie Professor Maulhardt repräsentieren die Selbstverliebtheit und Verschrobenheit der Medienbranche. Maulhardt behauptet in einem Seminar wichtigtuerisch, dass Baumwolle ein höchst politischer Stoff sei. Jeden Studierenden, der das nicht weiß, beleidigt er sofort als unwissend. Außerdem ist da noch der Dozent Thilo (Valentin Emil Lubberger), der sich in erster Linie selbst gerne reden hört und seltsam enge Beziehungen zu einigen Studierenden pflegt.
Lennart ist mindestens genauso stellvertretend für die Medienbranche wie die anderen Charaktere. Er ist ein überdrehtes Abziehbild der Generation Selbstverwirklichung und hält sich entsprechend für einen großen Künstler. Logischerweise scheitert er regelmäßig an seinen utopischen Ansprüchen. Der pseudo-dokumentarische Stil von “Irgendwas mit Medien” ist ideal geeignet, um diese Niederlagen ungeschönt abzubilden. Da das Kamerateam Lennart ständig begleitet, hält die Kamera auch seine großspurigen Ankündigungen und Behauptungen. Die Kamera ist aber auch dabei, wenn sich das Behauptete als Lüge herausstellt und ihn in ernsthafte Schwierigkeiten bringt. Diese Szenen haben viel Humor-Potenzial, führen aber häufig auch zu unangenehmen Fremdschäm-Momenten.
Klischee und trotzdem zutiefst menschlich
Charaktere in Mockumentarys sind meist völlig überzeichnete Stereotypen, die wiederum auf andere Klischee-Charaktere treffen. Beim Zusammentreffen dieser speziellen Persönlichkeiten kommt es wie nicht anders zu erwarten zu Konflikten. Auch Irgendwas mit Medien bedient sich dieser einfachen, aber wirkungsvollen Formel. Obwohl Lennart eine Menge Klischees erfüllt, können sich die Zuschauer:innen trotzdem mit ihm identifizieren. Betrachtet man sein Verhalten unter Abzug einiger Extreme genauer, wirkt es nämlich zutiefst menschlich und nachvollziehbar. Jeder hat in seinem Leben mal eine Phase, in der chronische Selbstüberschätzung und kindisches Verhalten die eigene Persönlichkeit dominieren. Die Verzweiflung darüber, im ersten Semester nur schwer Freunde zu finden, ist den meisten Studienanfänger:innen sicherlich auch geläufig.
Das macht Lennart zu einem sehr ambivalenten Charakter. Zum Glück reflektiert er sein Verhalten kaum, sodass die Serie über die gesamte Laufzeit hinweg sehr lustig bleibt.
In den acht Folgen macht er entsprechend nur eine minimale Entwicklung durch. Menschen brauchen eben Zeit, um zu lernen und sich zu verändern. Einige tun es vielleicht nie. Der ein oder andere dürfte in Lennart eigene unangenehme Charaktereigenschaften entdecken.
Strombergs kleine Schwester
Irgendwas mit Medien orientiert sich, wie unschwer zu erkennen ist, an den großen Serien des Mockumentary-Genres wie z.B der britischen Serie “The Office” oder deren deutscher Adaption “Stromberg”.
Dabei kommt sie allerdings nie an den unverwechselbaren Stil der großen deutschen Mockumentary-Schwester von 2004 heran. Stromberg zeichnete sich durch klug konstruierte Szenen und eine immense Dichte an Witzen aus. Wenn Bernd Stromberg vor der Kamera stand, ereigneten sich im Hintergrund mindestens drei oder vier genauso witzige Handlungen seiner Kollegen, die alle von einer Kamera eingefangen wurden.
Irgendwas mit Medien schafft das nicht und konzentriert sich in den meisten Szenen lediglich auf Lennart und seine Aktionen. Im Hintergrund passiert wenig bis gar nichts, weshalb die Einstellungen bisweilen etwas leer und zusammenhangslos wirken. Außerdem verwenden Jano Kaltenbach und Mirko Muhshoff einfach zu viele Schnitte. Selbst in statischen Dialogszenen wird ohne Not herumgeschnitten. Dadurch wirkt die Serie sehr hektisch und verhindert, dass sich lustige Szenen richtig entfalten können.
Stromberg setzte seiner Zeit auf lange Einstellungen mit vielen Details. Die Regisseure ließen die Kamera manchmal sogar nach Ende der Szene noch weiterlaufen, um spontane Improvisationen der Schauspielenden einzufangen.
Die Kamera verkommt zum bloßen Beobachter
Mockumentarys haben nicht zuletzt die Eigenheit, die Kamera als Teil der Handlung zu verstehen. Schließlich geben viele Vertreter des Genres vor, dass die Protagonist:innen von einem Kamerateam begleitet werden, das authentische Eindrücke aus ihrem Alltag sammeln will. In Irgendwas mit Medien verkommt die Kamera aber oft zum bloßen Beobachter und wird nicht ins Geschehen mit einbezogen. Auch interagieren die Charaktere kaum mit der Kamera. Wiederum macht Stromberg sehr gut vor, wie die Kamera in die Szene mit einbezogen werden kann. Oft tritt die Kamera zunächst aus der Szene heraus und beobachtet die Charaktere “heimlich”, nur um sie dann bei einer Peinlichkeit zu ertappen. Manchmal verändern Figuren auch plötzlich ihr Verhalten, wenn sie bemerken, dass sie gefilmt werden.
Auch wenn Irgendwas mit Medien sicherlich kein Stromberg-Klon sein möchte, kann es in Sachen Kameraarbeit und Szenen-Design noch eine Menge vom deutschen Giganten des Mockumentary-Genres lernen. Irgendwas mit Medien punktet vor allem mit toll geschriebenen, ambivalenten Charakteren und dem unverbrauchten Schauplatz des Medienkosmos. Das Genre der Mockumentary sorgt für eine überraschend hohe Frequenz an Fremdschäm-Momenten und originellen Pointen.
Die achtteilige Mockumentary ist seit dem 14.04 in der ARD-Mediathek verfügbar.
Hier findet ein Trailer der Serie: