Klimawandel ist schlecht

Bild des IPCC AR6 Berichts, Foto: Jeong Jinsil

Dass der Klimawandel schlecht ist, sollte eigentlich keine Überraschung mehr sein. Aber immerhin: 1,5 °C sind (NOCH!) möglich, also irgendwie. Das zumindest sind die zwei Punkte, auf die der am Montag, dem 20. März 2023, veröffentlichte sogenannte Abschlussbericht des Weltklimarats gerne reduziert wird. Aber was soll das bitte sein, ein Abschlussbericht zum Klimawandel? Unsere Autorin Verena hinterfragt genau das.

Von Verena Muehlberger

Abschluss klingt nach einem Ende, nach etwas, das man in eine Ecke werfen kann und erst einmal vergessen darf. Dennoch nennt der Weltklimarat seinen am Montag veröffentlichten Bericht einen „Abschlussbericht“. Ist der Klimawandel also beendet, haben wir dafür gesorgt, dass Grönland nicht mehr schmilzt, dass unsere Korallenriffe nicht mehr sterben? Haben wir alle Hitzewellen und Überschwemmungen abgewandt, die mit jedem zusätzlichen Zehntel eines Grades Erwärmung häufiger werden?

Oder noch besser: Haben wir einfach mit dem Konzept des Klimawandels abgeschlossen; werfen also einfach das Handtuch? Haben uns also kollektiv dafür entschieden so zu tun, als wären nicht schon jetzt 3,6 Milliarden Menschen unausweichlich vom Klimawandel betroffen?

Grafik zum Artensterben unter verschiedenen Temperatur-Szenarien für die Zukunft. Momentan befindet sich die Menschheit auf dem 4,0 °C Pfad. Aus: IPCC AR6 Synthesis Report (Summary for Policymakers)
Grafik zum Artensterben unter verschiedenen Temperatur-Szenarien für die Zukunft. Momentan befindet sich die Menschheit auf dem 4,0 °C Pfad. Aus: IPCC AR6 Synthesis Report (Summary for Policymakers).

Jeder Zehntel-Grad zählt

Nein, der Abschlussbericht schließt einfach einen weiteren Evaluierungszyklus des Weltklimarates (engl.: Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz IPCC) ab. Den Sechsten seit 1990 und wohl kaum der Letzte. Allzu schade, dass der Bericht schon wieder damit beworben wird, dass er erwähnt, das 1,5 °C Ziel (Wir erinnern uns: Paris 2015, der große Durchbruch) sei zu erreichen. Und JA, das steht im Bericht, ABER neben einer langen Liste an Maßnahmen, die wir schon vorgestern hätten ergreifen müssen. Aber OK, wenn nicht 1,5 °C, dann passen ja auch 2 °C Erwärmung. 2 °C bedeuten zwar substanziell mehr negative Folgen für die Menschheit, etwa häufigere und verheerendere Extremwetterereignisse, aber auf dem Planeten leben kann man schon noch irgendwie. Schade nur, dass der Abschlussbericht auch deutlich macht, dass wir uns in der fünften Evaluierung 2014 ein bisschen vertan haben. 2 °C Erwärmung sind heute schlimmer eingestuft als wir uns vorgestern noch eingeredet haben.

Der Abschlussbericht sagt demnach eigentlich Folgendes: Große Teile des Planeten werden in naher Zukunft kein Leben mehr fördern. Alle Maßnahmen, die bis 2030 und darüber hinaus verabschiedet wurden, werden auch unter der großzügigsten Auslegung nicht ausreichen, um dies zu verhindern. In diesem Sinne sind sich die Klimawissenschaften einig, dass die Menschheit sich gerade zugrunde richtet.

„Globale Gründe, besorgt zu sein“. Die Grafik vergleicht Erkenntnisse aus dem aktuellen Evaluierungszyklus (AR6) des Weltklimarates mit denen des vorherigen (AR5). Aus: IPCC AR6 Synthesis Report (Summary for Policymakers)

Mit Sicherheit ins Chaos, aber auch daraus hinaus?

Nichts an dem Bericht ist neu. Im Englischen wird er „Synthesis Report“ (grob übersetzt: Zusammenfassungsbericht) genannt, was seinen Inhalt viel besser aufgreift. 2021 und 2022 kamen die drei Teile des letzten Weltklimaberichts (IPCC Assessment Report 6) heraus, zusätzlich gab es seit 2015 drei Sonderberichte zu den Themen: Ozeane und Kryosphäre¹, Klimawandel und Land, sowie den Sonderbericht zum 1,5 °C Ziel. Die Erkenntnisse, die in diesen sechs jeweils tausende Seiten umfassenden Berichten zu finden sind, wurden nun noch einmal kondensiert. Es wurden Synergien gesucht, um Lösungen zu finden für ein unumkehrbares, verheerendes Event, das, wenn wir es nicht stoppen, diesen Planeten zerstören wird.

Die häufigsten Worte im Bericht sind: sicher, sehr sicher und absolut sicher (high confidence, very high confidence, virtually certain). Somit sind fast alle darin enthaltenen Aussagen statistisch geprüft und belegt. Die Verfasser:innen sind sich deshalb auch sehr sicher, dass das Geld und die Ressourcen, die global (noch) zur Verfügung stehen, ausreichen, um eine nachhaltige Zukunft zu schaffen. Sie sind sich sehr sicher, dass, wenn richtig gemacht, diese Zukunft eine gleichberechtigtere und inklusivere Zukunft wäre. Denn Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit stehen sich nicht im Weg, schnelle Gewinne durch fossile Brennstoffe und die Rettung des Planeten allerdings schon.

Das Ruder kann herumgerissen werden

Am Montag wurde erst einmal nur die Zusammenfassung für Politiker:innen (Summary for Policymakers) veröffentlicht. Ein Dokument, in dem Regierungen von überall auf der Welt mitreden können. Über 6000 Anmerkungen wurden in der Woche vor der Veröffentlichung besprochen. Dadurch entstehen Formulierungen, die Verantwortungen zu vertuschen suchen. Aber trotzdem blieb dieses Mal klar, ein „weiter so“ wäre kollektiver Selbstmord (siehe Infografik im Titelbild). Das Ruder kann tatsächlich noch herumgerissen werden. Genug Geld ist da, und das Wissen, es sinnvoll einzusetzen, auch. Allzu schade bleibt, dass die momentan Mächtigen immer noch glauben, dass man sich auch in 80 Jahren mit Geld alles kaufen kann. Nur blöd, dass „alles“ bis dahin weniger umfassen wird als heute.

¹ Die Kryosphäre bezeichnet alle Eismassen des Planeten, neben den beiden großen Eisschilden in der Antarktis und in Grönland, umfasst sie auch alle Gletscher und das Meereis.