Theaterkritik: The Mushroom Queen

Werbeplakat für “The Mushroom Queen“ im Schauspielhaus. Foto: Rocket&Wink Werbeplakat für “The Mushroom Queen“ im Schauspielhaus. Foto: Rocket&Wink

Unter der Regie von Marie Schleef entsteht eine abstrakte Darstellung unserer heutigen Zeit. „The Mushroom Queen“ zieht einen dabei in seinen Bann. Grotesk, doch mit viel Humor und Präzession lernen wir, was es heißt Mensch zu sein.

von Verena Muehlberger

Eines Nachts im Garten

Die Frau (Ute Hannig) kann nicht schlafen. Deshalb stellt sie sich in ihren Garten und beginnt, ihre Ehe zu hinterfragen. Wie schön es doch wäre, für eine kurze Zeit einen Platzhalter zu haben. Dem gegenüber steht die Mushroom Queen (Ute Hannig), die eigentlich mit der ganzen Welt verknüpft ist. Sie will wissen, wie es ist, Mensch, Substanz und Individuum zu sein. Vor allem aber möchte sie wissen, was Liebe ist. Somit beschließt sie, die Frau zu entführen und wird zu ihrem Ebenbild. Doch sie kann nicht ganz Mensch sein, ihre eigene (Pilz-)Kultur ist mit ihr verwachsen.

Der Mann (Markus John), weiß sofort, dass seine Frau fort ist, aber es kümmert ihn nicht. Die neue Frau findet er sowieso viel besser. Nur die Hunde sind skeptisch. Sie misstrauen dem neuen Frauchen, zumindest bis sich der Weiße (Maximilian Scheidt) einlullen lässt. Der kleine Braune (Sachiko Hara) bleibt allerdings standhaft. Bis zum Schluss sucht er nach der verschwundenen Frau.

Diese lernt, was es heißt Pilz zu sein, sich im Untergrund fortzubewegen und auszubreiten. Obwohl sie vom Haus weg wollte, macht sie auf den Weg zurück. Sie verliert sich selbst dabei, aber sie ist auch befreit und fängt an, ihr neues Ich anzuerkennen. Doch den kleinen braunen Hund vermisst sie, für ihn versucht sie wieder Mensch zu werden.

Die Darstellung

Es ist grotesk, was auf der Bühne passiert. Das Haus wird von Pilzen eingenommen, während die Mushroom Queen mit dem Menschsein kämpft. Ute Hannig, stellt dabei eindrucksvoll dar, was es heißt, mit der Sprache zu kämpfen und eine andere zu nutzen. Die der Sporen, die nach und nach das Gefüge der Beziehungen im Haus durchdringen.

Es gibt kaum Dialoge, stattdessen wird fast wortlos gespielt. Die Kurzgeschichte von Liz Ziemska wird hingegen als Übertitel eingeblendet. Die Regie erlaubt es dabei, sich weiterhin zu wundern, über jenes, was zwischen Wort und Darstellung liegt.

Alles scheint in Zeitlupe abzulaufen. Trotzdem gibt es keine Ruhe. Die psychedelische Musik, die den Hintergrund füllt, ist immer unter Spannung. Zugleich wird man durch die visuellen Effekte, wie den Einsatz der Rückwand als Projektionsfläche für das Reich der Pilze, in eine andere Welt gezogen. Dort ist es in manchen Momenten heller als im Haus. Hier hat sich nun die Finsternis festgesetzt. Zeitweilig mutet das Dargestellte wie ein Horrorfilm an, der aber nie ganz Gänsehaut hervorruft. Zu sehr lenkt die Frage ab, wie Pilz nun Mensch werden kann. Aber die Grenzen zwischen den Spezies werden nicht nur hier verwischt. Liz Ziemskas Geschichte, fragt auch, welchen Geist ein Hund haben kann und ob  dieser für seine eigenen Interessen einstehen kann. Das wird vor allem in der sehr unterschiedlichen Verkörperung des Hund-Seins von Sachiko Hara und Maximilian Scheidt deutlich.

Unsere Rolle im Gefüge

Die Mushroom Queen entscheidet sich für ein Leben im Haus. Es ist kein Gefängnis für sie, stattdessen ist sie darüber und über seine Bewohner Herrin. Somit werden im Stück klassische Rollenbilder, aber auch unsere Wünsche und Bedürfnisse, hinterfragt. Die Pilze sind dabei auch eine Erinnerung daran, dass der Mensch nicht die Welt ist, denn „Alles ist Myzel; Myzel ist Alles“.

Der Mann, der seine Frau nicht sucht, lässt sich vielleicht aus Bequemlichkeit auch nicht auf die neue Frau ein. Er spielt somit seine klassische Männerrolle weiter. Und die Frau zwingt sich zunächst zurück in ihr körperliches Denken. Doch die Welt bietet mehr als das Vertraute. Alles will sie dennoch nicht aufgeben. Denn auch in einem Leben, in dem man nicht bleiben will, gibt es Lichtblicke. In ihrem Fall den kleinen braunen Hund.

Somit haben alle eine Rolle im Gefüge ihrer Welt. Selbst, wenn sie versuchen auszubrechen, kann nie alles ganz zurückgelassen werden.

Fazit

Die Art der Darstellung schafft es, den/die Zuschauer:in einzunehmen. Die verlangsamten Bewegungen in der gesamten Interpretation werden dabei durch den Einsatz der visuellen Elemente und der musikalischen Untermalung unterstrichen. Durch das Einblenden des Textes als Übertitel steckt man dabei in einem Limbo aus der inneren Gefühlswelt der Handelnden und der Interpretation auf der Bühne fest. Mit etwa 90 Minuten Spielzeit ist das Stück dabei kurz genug, um all diese Eindrücke verarbeiten zu können.

Ob man nun eine Interpretation der Frage nach unserer Rolle im (Welt-)Gefüge oder einfach ein abstraktes, unterhaltsames Theater vor sich liegen hat, darf der/die Zuschauer:in für sich selbst entscheiden.

Nächste Vorstellungen:

08.März, 23.März, 25.März, 10.April, 14.April, 15.April,

RegieMarie Schleef
BühneLina Oanh Nguyễn
Video und AnimationSeongji Jang
KostümJi Hyung Nam
SounddesignNguyễn + Transitory
DramaturgieFinnja Denkewitz