Bundeskanzler Olaf Scholz segnete trotz Warnungen von sechs Ministerien den umstrittenen Hafen-Deal mit China ab. Statt ursprünglich mit 35 Prozent steigt die chinesische Reederei COSCO nun mit einer Minderheitsbeteiligung von 24,9 Prozent in ein Containerterminal des Hamburger Hafens ein. Damit hat China keine offiziellen Mitspracherechte im Hafen – doch ist das überhaupt der Punkt?
Die hitzige Diskussion um den Hafen-Deal verstand der Hamburger Hafenbetreiber HHLA kaum. Angela Titzrath, Chefin der HHLA, sagte im Interview mit Die ZEIT, dass Wandel durch Annäherung möglich und die Bindung von Reedereien wie COSCO essentiell sei, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Auch der Betriebsratsvorsitzende des betroffenen Terminals bat die Politik zu bedenken, dass der Handel mit China so oder so stattfinde. Funktioniere der Deal in Hamburg nicht, würde sich COSCO an die Häfen in Rotterdam oder Antwerpen wenden. Dort hat der Konzern längst Anteile. Güter würden dann von dort nach Deutschland transportiert, nur dass der Hamburger Hafen daran keinerlei Gewinn machen würde. Man fürchtet um Arbeitsplätze, muss im Wettbewerb bestehen, will China nicht auf die Füße treten. Schließlich ist es doch auch nur ein harmloser Deal, von dem alle Beteiligte profitieren, oder?
Kein langfristiges Denken
Doch genau hierin liegt schon der Widerspruch: Zwar soll der geringere Verkaufsanteil von 24,9 Prozent die Einflussnahme von China auf den Hafen in Grenzen halten, doch in der Realität ist sowohl der Hafen als auch ganz Deutschland längst wirtschaftlich abhängig von China – einem Staat, der von Jahr zu Jahr zunehmend einem totalitären Regime gleicht, mit Xi Jinping an der Spitze. Es ist kein harmloser Deal, der hier abgeschlossen wird. Kein Deal, bei dem sich beide Seiten freuen, gleichermaßen wirtschaftlich profitieren und auf Augenhöhe sind. Die HHLA hat Recht, wirtschaftlich hat man kaum eine Wahl, als das Terminal an COSCO zu verkaufen. Es ist ein Deal, der Deutschlands Abhängigkeit von China ein weiteres Mal klar aufzeigt. Kurzfristig mag Deutschland profitieren, langfristig verschafft sich China weitere wirtschaftliche Vorteile.
Während Deutschland bereitwillig kritische Infrastruktur preisgibt, spricht Xi dagegen schon lange klar aus, was er plant: China soll ökonomisch unabhängig werden aber auch als Weltmacht expandieren, unter anderem indem es „die Abhängigkeit der internationalen Produktionsketten von China verstärkt“. Das Prinzip des Gebens und Nehmens scheint kein chinesisches zu sein, denn Xi würde Deutschland andersherum vermutlich nie erlauben, in chinesische Häfen zu investieren. Zumindest ist es dazu noch nie gekommen.
Der Präsident des deutschen Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, sagte dazu: „Russland ist der Sturm, China der Klimawandel.“ Denn während wir gerade zu spüren bekommen, was die Abhängigkeit vom autokratischen Regime Russlands bedeutet, fragt man sich, ob man China überhaupt die Stirn bieten könnte.
Der chinesischen Propaganda folgend ist es nicht unwahrscheinlich, dass das demokratische Taiwan durch die Volksrepublik wieder „heimgeholt“ werden soll – notfalls auch mit Gewalt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland erlaubt es uns nur mit Biegen und Brechen gegen die Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine aufzubegehren. Auch wenn Deutschland die Sanktionen jetzt umsetzen kann, bedeutet dies erheblichen finanziellen Mehraufwand. Alles, weil man sich vorher auf dem Handelspartner Russland ausgeruht hat. Ob man im Falle eines Angriffs von China auf Taiwan überhaupt Handlungsspielraum hätte, will ich mir persönlich gar nicht ausmalen. Wir sind ökonomisch erpressbar und das gilt insbesondere für China.
Der Hafen-Deal ist nicht das Problem
Der Punkt ist auch nicht der Hamburger Hafen. Der zu verkaufende Minderheitsanteil an COSCO ist in der Tat so gering, dass eine direkte Einflussnahme in das lokale Hafengeschäft unwahrscheinlich ist. Viel schwerer wiegen die zahlreichen Investitionen Chinas in deutsche Technologien und Unternehmen, etwa der bekannte Verkauf des Augsburger Roboterherstellers KUKA an eine chinesische Firma, aber auch von Unternehmen wie KraussMaffei, ista (ja, die Heizungsleute, die einmal im Jahr unsere Zählerstände ablesen!) und Kiekert. Aktuell überlegt auch Elmos – endlich ein deutscher Hersteller für Halbleiter (sehr kritische Bauteile, etwa für PCs, Autos oder Kühlschränke, die sonst aus Asien importiert werden müssen) – an den chinesischen Konzern Sai MicroElectronics zu verkaufen. Doch hier mischt sich die Bundesregierung nicht mit ein, obwohl deutsche Unternehmen stark abhängig von asiatischen Halbleiterlieferungen sind.
Dies sind in der Summe keine wirtschaftlichen Quid pro quos, sondern ein Ausverkauf deutscher Technologie an China; während auf deutscher Seite in letzter Zeit keine kritischen Unternehmen aus China aufgekauft wurden. Denn das würde gegen Xis Prinzip „China First“ und dessen wirtschaftliche Unabhängigkeit gehen.
Der Hafen ist dabei ein Signal. Ein Signal an China, dass wir es als Wirtschaftsnation brauchen und ein Warnsignal an uns, dass wir endlich aufwachen müssen. Wir müssen als Wirtschaftsnation unabhängiger, selbstbewusster und auch fordernder werden, denn die merkelsche Gelassenheit und der Glaube an „Wandel durch Handel“ hat ausgedient. Diese Zeiten sind vorbei seit sich Chinas Ziele als Weltmacht immer deutlicher abzeichnen und uns die Gefahren autokratischer Regime durch Putin vor Augen geführt wird.
Somit ist die Diskussion um den Hafen nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen. Auch VW und BASF verstärken ihr China-Engagement, um nicht hinterherzuhinken. Dabei wäre es wünschenswert, dass wir nicht hinterherhinken, sondern vorne mitlaufen. Dass sich Unternehmen wie die HHLA auf Profite konzentrieren und hierfür Deals mit China eingehen ist klar, aber Deutschland als Staat darf diesen Fehler nicht machen und muss selbstbewusster mit China umgehen dürfen.
China braucht keine Samthandschuhe
Bundesfinanzminister Christian Lindner strebt zumindest eine Änderung des Außenwirtschaftsrechts an, um Investitionen in deutsche Unternehmen zu beschränken. Doch Scholz, der sich mit seiner Entscheidung zum Hafen über sechs Ministerien sowie kritische Stimmen aus dem Ausland hinwegsetzte und danach nur gemütlich seine Chinareise antrat, um Xi beim Tee zu beruhigen, scheint den Schuss noch nicht gehört zu haben.
Gerade erst flogen als Servicecenter getarnte mutmaßliche Polizeibüros der chinesischen Behörden in Europa auf. Unter dem Vorwand eine Anlaufstelle für im Ausland lebende Chines:innen zu sein, sollen die Einrichtungen in Wahrheit genutzt worden sein, um Druck auf chinesische Kritiker:innen und Geflüchtete auszuüben. Allein hieran zeigt sich, dass China längst mitten in Europa angekommen ist und dass die Annahme, man könne mit der Volksrepublik Handel betreiben, ohne unsere Sicherheit aufs Spiel zu setzen, eine falsche ist. Und auch wenn ich, wie wohl viele andere auch, über Trump nur den Kopf geschüttelt habe, hatte seine China-Politik Fans unter Menschenrechtsaktivist:innen aus Hongkong, darunter Joshua Wong und Glacier Kwong. In ihrer Kolumne schrieben beide, dass Trumps harter Kurs mit China Hoffnung an viele Hongkonger vermittelt habe und Deutschlands „Wandel durch Handel“-Taktik letztendlich eher China helfe.
Scholz sollte sich also überlegen, wem er helfen möchte. Und meiner Meinung nach sollte da an erster Stelle nicht China stehen, wie momentan augenscheinlich, aber auch nicht Aktivist:innen aus Hongkong oder die Sicherheit von Taiwan. An erster Stelle sollten Deutschland und Europa stehen und vielleicht sollte Scholz statt China mit Samthandschuhen anzufassen, lieber versuchen, unsere Nation unabhängiger und wirtschaftlich selbstbewusster zu machen. Doch bitte ohne den autokratischen Touch, mit dem er sich über sechs Ministerien hinwegsetzte.
Anmerkung der Redaktion: Der Verkauf von Elmos an das chinesische Unternehmen Sai MicroElectronics wurde in der Zwischenzeit untersagt, unter anderem durch die Initiative von Wirtschaftsminister Habeck.