Anfang Juni fand in Seignosse, Frankreich, nach zwei Jahren Corona-Pause die adh Open im Wellenreiten statt – ein Surfcontest für Studierende aus Deutschland. Unsere Redakteurin Paulina war vor Ort und hat die Stimmung eingefangen.
Wir sind in Südfrankreich aber man hört kein Wort Französisch. Der Geschmack von Salz und Sonnencreme liegt auf den Lippen und ein leichter Wind zerzaust das Haar. Er weht vom Land aufs Meer – das ist gut, denn so formt er die Wellen besser. Wir haben Glück, wir haben eine Woche mit guten Wellen erwischt. Was das bedeutet, erklärt Sozioökonomik-Student Julius Wenzel, der in Portugal aufgewachsen ist und seit über 10 Jahren leidenschaftlich surft.
„Das Rezept für eine gute Welle? Das kann man gar nicht so verallgemeinern. Hier in Seignosse surfen wir einen Beachbreak so wie fast überall in dieser Gegend. Das heißt, dass der Swell, der sich aufgrund von Ozean-Stürmen formt, auf eine Sandbank trifft und dort als Welle bricht”, sagt der 25-Jährige. Er versteht unter einer „guten Welle” eine, die sich sauber formt, dann geordnet bricht und dabei lang und steil zu einer Seite läuft.
Sonne, Salz und das Rezept für die perfekte Welle
Und wie kriegt man das, so gute Wellen?
„Hier ist es gerade gut, weil der Swell eine relativ gute Größe hat und der Wind leicht vom Land aufs Meer pustet und so die Wellen schön ausformt. Wenn man nun noch zur richtigen Gezeit rausgeht, hier meistens bei ablaufendem oder auflaufendem Wasser, steht dem ungebremsten Wellenreit-Spaß nichts mehr im Weg. Dann musst du sie nur noch anpaddeln und surfen”, sagt Julius.
Und in der Tat, der Atlantik ist an diesem Tag on fire. Die Wellen formen sich wunderbar clean bis sie brechen und eine perfekte Linie ziehen. Die Surfer:innen haben ihren Spaß, wenn sie die Wellen entlang jagen – als ob sie mit ihnen spielen. Traumhafte Bedingungen, um herauszufinden, wer die besten surfenden Studierenden aus Deutschland sind.
Überall liegen Surfbretter am Strand, Surfskates und Neoprenanzüge vor den Bungalows, Hängematten sind aufgespannt, braungebrannte Menschen mit sonnengebleichtem Haar schlendern umher und es läuft entspannte Musik. Es ist ungewöhnlich warm für Mitte Juni, die Leute gehen in Spring-Suits oder Boardshorts ins Wasser, obwohl man zu dieser Jahreszeit normalerweise mindestens einen zwei bis drei Millimeter dicken Neoprenanzug braucht.
Die adh-Open – was ist das überhaupt?
Erst einmal bedeutet adh „Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband”. Es gibt Hochschulmeisterschaften in den verschiedensten sportlichen Disziplinen, wie zB. im Wellenreiten – und das nun schon seit über 20 Jahren. Die adh Open im Wellenreiten werden von der Hochschule Darmstadt ausgerichtet und vom Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband veranstaltet. Es können alle deutschen Studierenden teilnehmen – eine Vorqualifizierung ist nicht nötig, einzige Voraussetzung ist der deutsche Studierendenstatus.
Veranstaltet wird der Surfcontest vom Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband (adh). Häufig zahlt die Uni die Startgebühren. Ob deshalb so viele Studierende jährlich teilnehmen, weil manchmal sogar die Anfahrtskosten übernommen werden, ist sicherlich nur ein Gerücht.
„Darum ist das Niveau auch sehr durchmischt. Viele sind richtig gute Hobby-Surfer:innen und andere gehen mit weniger Erfahrung raus“, meint Julius Wenzel.
Aber genau das sind die adh Open im Wellenreiten – es ist kein bitterer Wettkampf, sondern der Spaß steht im Vordergrund.
Julius Wenzel
Nach Frankreich gebracht hat die adh Open unter anderem Martin Storck, Mitgründer vom Surfcamp „Wavetours”, einem der ersten deutschen Surfcamps. „Als wir hier in die Anlage kamen, da gab es noch keine Surfschule am Strand, vielleicht einen Surfshop in Le Penon und nicht mehr als ‘ne Handvoll Locals im Wasser”, erinnert er sich.
400 Studierende aus ganz Deutschland
Heute sind rund 400 Studierende aus ganz Deutschland angereist, um sich das Spektakel der adh Open nicht entgehen zu lassen. Vor zwei Jahren, vor der Corona-bedingten Zwangspause, kamen rund 1500 Studis nach Seignosse. Damals wurde das Event auch noch von Martin Storcks Camp „Wavetours” veranstaltet.
126 Studierende sind heute als Teilnehmer:innen dabei – somit sind die adh Open immer noch Deutschlands größter Wellenreitcontest.
„Der Fokus liegt in diesem Jahr mehr auf dem Surfen, und weniger auf anderen studentischen Hobbys”, findet Julius Wenzel. „Das Event ist kleiner, mit Leuten, die tatsächlich am Surfen interessiert sind und es herrscht eine ziemlich familiäre Atmosphäre”.
Mehr als nur ein Surfcontest
Aber der neue Kooperationspartner und Organisator Coastline Kollektiv hat auch dafür gesorgt, dass die Party nicht fehlt.
Ob Beachrave in Hippiehosen oder Surfboardtest, Yoga Kurs oder Live-DJ – mit einem spannenden Rahmenprogramm waren auch die Studierenden, die selbst nicht am Contest teilgenommen haben, bestens versorgt.
Mit Events wie dem Surfflohmarkt oder einem gemeinsamen Beach-Cleanup rückten die Veranstalter den Fokus auch auf die Nachhaltigkeit – ein Thema, das entgegen der Erwartung bei den um die Welt reisenden-Surfenden auf der Suche nach der perfekten Welle manchmal zu kurz kommt.
„Auch mir gefällt der neue Wind, der auf den adh Open weht, sehr gut”, sagt Christoph Edeler, adh-Sportartenbeauftragter im Wellenreiten. „Ziel der adh Open im Wellenreiten soll vor allem ein hoch qualitativer sportlicher Wettkampf sein, aber auch der studentische Austausch und nicht nur Party und Spaß. Den Fokus auf solch wichtige Themen wie Nachhaltigkeit zurückzuholen, finde ich großartig und wichtig.”
CoKo – Coastline Kollektiv – die neuen Organisatoren
Diese Neuausrichtung des Surfcontests war auch Grund, warum sich das Coastline Kollektiv in diesem Jahr als Organisator engagiert. Vorher hatten die Mitglieder für den früheren Kooperationspartner „Wavetours” ein Familien-Camp ausgerichtet und kannten deshalb auch die adh Open.
„Uns lag der Fokus zu sehr auf Party und zu wenig auf dem Surfen. Deshalb haben wir uns gedacht: Warum das Ganze nicht mal selbst in die Hand nehmen und den Fokus zurückholen, auf den Sport und die Nachhaltigkeit?”, erklärt Mitgründerin Ann-Sophie Ott.
Heute, für die adh Open, ist das Team gewachsen. Sogar die ganze Familie Ott ist am Start: Schwester Marie macht Social Media und Organisation, Bruder Moritz koordiniert die Surfkurse, Mama Ott kocht für alle und Papa Ott ist Judge (also Wertungsrichter). Auch viele Freiwillige sind gekommen, um die adh Open zu unterstützen, viele von ihnen studieren selbst.

(Foto: Adrien Bombal)
Der Surfcontest – wie funktioniert’s?
Aber zurück zum Surfen: Wie lief der Contest eigentlich ab? Bei den adh Open treten die Teilnehmer:innen in vier verschiedenen Klassen gegeneinander an: den „Open”, wo es keine vorgeschriebene Boardgröße gibt und den „Longboard”, jeweils getrennt nach Women und Men.
Die Teilnehmer:innen surften in verschiedenen Konstellationen gegeneinander, die vorher vom Jury-Team per Zufallsgenerator zusammengestellt wurden. Dabei bekamen die meist vier Kontrahent:innen jeweils 20 Minuten Zeit, um die Judges von ihrem Können zu überzeugen. Bewertet wurde dann jede einzelne Welle mit einem Score zwischen Null und Zehn. Auch für die Wertungsrichter:innen keine einfache Aufgabe, denn sie müssen die verschiedenen Wellen aller Teilnehmenden in Relation setzen und vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Bedingungen gegeneinander abwägen.
Was die meisten Punkte bringt, sei je nach Klasse unterschiedlich, erklärt Contest-Direktor Tobias Hante.
„Bei den Open Men und Women bringen zum Beispiel (High-Risk)- Manöver wie gute Turns, oder Cutbacks viele Punkte und es kommt darauf an, ob sich die Surfer:innen in die Critical Parts der Welle trauen” sagt er.
„Wichtig ist auch, eine Welle gescheit zu beenden. Wenn jemand am Ende fällt, kann der Anfang noch so beeindruckend gewesen sein. Generell orientieren wir uns bei der Bewertung an Speed, Power und Flow. Gewertet werden dann die besten zwei Wellen, die werden zusammengezählt. Es dürfen aber nur 12 Wellen genommen werden, sonst gibt es eine Strafe. Dieses Jahr ist das Niveau echt gut”, findet der Contest-Direktor. Zwischen 0,5 und 8,7 Punkten ist alles dabei.
Die Sieger:innen
Vier Tage spannender Contest und einen Layday (ein Tag Pause) später kristallisierte sich heraus, wer sich in den verschiedenen Klassen bis ins Finale gesurft hatte.
Der Final-Day war nochmal ein Highlight mit traumhaften Bedingungen – cleane Wellen, Sonne und gute Laune. Überzeugt haben dann Kim Petersen (International University of Applied Sciences/ Open Women), Julius Wenzel (Uni Kiel/ Open Men), Lucia Gerbsch (HfG Offenbach/ Longboard Women) und Marvin Amend (HAM Ismaning/ Longboard Man). Sie sicherten sich mit ihrer beeindruckenden Performance die ersten Plätze bei der adh Open 2022.
Am Ende des Tages fasste Selma Jepsen, (DSHS Köln), zweiter Platz bei den Open Women, die Stimmung beim Contest wie folgt zusammen: „Surfcontests kamen für mich eigentlich nie in Frage, wegen der Aufregung und aus dem Fakt, dass mir dann andere dabei zuschauen. Dabei mache ich den Sport eigentlich für mich ”, so Selma. Doch dann haben sie zwei Freunde überredet. Die Stimmung sei gar nicht so angespannt gewesen, wie zuerst gedacht, meint sie.
Es hat einfach richtig Spaß gemacht! Denn auf dem Wasser kriegt man eh nicht viel mit – und das Beste: man hat die Wellen fast ganz für sich – und muss sie sich nur mit den drei anderen aus dem Heat teilen.
Selma Jepsen
„Ich freu mich natürlich total, ich hab schon bei einigen Contests mitgemacht, aber das ist der erste, den ich gewinne!”, sagt Open-Men-Gewinner Julius Wenzel.
Trotzdem ist das irgendwie auch nicht ganz fair, muss man dazusagen. Es ist einfach ein Unterschied, ob man wie ich in Portugal aufgewachsen ist und easy surfen gehen kann oder immer nach Sylt fahren muss, um ein paar Wellen zu kriegen.
Julius Wenzel
Abgeschlossen wurde der Contest dann krönend mit der Night of the Champs, in der die Sieger:innen neben originellen Treibholz-Pokalen und selbstgebastelten Muschelketten, ausreichend mit Neoprenanzügen, Surfskates und Finnen versorgt wurden – Preise, die Surfende eben wirklich gut gebrauchen können.
“Mein bester Moment?” Organisatorin Ann-Sophie grübelt. “Ich glaube erstmal konnte ich es gar nicht fassen, dass alles so gut geklappt hat. Gecheckt hab ich das erst, als die Gewinner:innen feststanden.”
Da sind wir alle ins Wasser gerannt, das ganze Team gemeinsam, und haben uns von den Wellen im Shallow-Break schön durchwaschen lassen – da kam das Lachen und die Tränen und die Erleichterung!
Organisatorin Ann-Sophie


(Foto: Oliver Powell)


(Foto: Patrick Catford)








(Foto: Patrick Catford)
Noch ein paar Infos zur adh Open im Wellenreiten:
Die Anmeldung zum Surf-Contest der adh Open im Wellenreiten funktioniert über die jeweils zuständigen Hochschulsporteinrichtungen online unter unter diesem Link.
Alle weiteren Informationen zur Veranstaltung findet ihr hier oder hier.
Alle Ergebnisse vom Contest hier.