„L’apotheque“: Museum für Sexspielzeug in St. Pauli eröffnet

Der Innenraum der L'apotheque.

In einer Apotheke aus dem Jahr 1799 reihen sich eine alte Kasse, ein Waschbecken und ein alter Apothekentresen neben Dildos verschiedener Farben, Formen und Größen und verschiedene Vibratoren samt Anleitungen. Die „L’apotheque“ befindet sich in St. Pauli in der Clemens-Schultz-Straße 90 und ist laut den Gründerinnen Anna Genger und Bianca Müllner das erste Museum für historisches und außergewöhnliches Sexspielzeug in Deutschland. 

Die alte Kasse der Apotheke aus dem Jahr 1799 neben den Ausstellungsstücken, unter anderem einem regenbogenfarbenen Dildo. 

Nicht nur Sexspielzeug 

Anna Genger ist in St. Pauli aufgewachsen und trägt jetzt zum Kiezgeschehen bei, indem sie die denkmalgeschützte Apotheke ihrer Mutter übernommen hat. Das Grand Opening des Museums fand im Juni mit Musik im Hinterhof, Bar und den obligatorischen Keksen in Vulva-, Klitoris- und Penisform statt. Es wird selbstgemachter Gin verkauft und Proben für das feministische Parfüm „Feminista“ liegen aus. 

Es gibt aber (auch) nicht nur Sexspielzeug in der ehemaligen Apotheke. Nadine Beck, Kuratorin für den Bereich Sexspielzeug in der „L’apotheque“, deutet auf einen Gegenstand: Der Schallwäscher Vibrette, ein Vorläufer der Waschmaschine und hergestellt in der DDR in den 1950er Jahren, wurde von einigen Schwangeren zur Abtreibung umfunktioniert und daraufhin vom Markt genommen. Nicht weit entfernt steht ein Vibrator der Firma Lioness, der unter anderem auch Daten zur Dauer zur (Selbst-)Befriedigung aufführt, die mit dem Durchschnitt verglichen werden können. Anna Gengers persönliches Lieblingsgegenstand ist jedoch ein sehr altes, japanisches Ausstellungsstück („Higo Zuiki“), aus dessen Material bereits im frühen Mittelalter Dildos, Penisaufsätze und -ringe geformt wurden. Es gibt den Plan, künftig ähnliche Exponate im Museum-Shop verkaufen zu können. 

Der Schallwäscher Vibrette, DDR 1950er Jahre

Ausgelebte Sexualität ist noch immer schambehaftet

In der „L’apotheque“ treffen die Vergangenheit der alten Apotheke und der historischen Gegenstände mit der Gegenwart und der Zukunft der Selbstbefriedigung zusammen. Es ist ein Museum der Aufklärung zum Körper. Dafür braucht es auch nicht viele Worte, das Ambiente spricht für sich. „Massagegeräte, Sexspielzeuge, Sexualität und Gesundheit stehen seit jeher in engem Zusammenhang“, liest man (jedoch auch) auf einer Tafel, die die kleine Ausstellung vorstellt. Es geht natürlich um die Entstigmatisierung eines Lebensbereichs und seiner Diversität, dessen schambefreite Thematisierung vielen Menschen immer noch große Mühe abverlangt. Selbst wenn an manchen Orten der Fortschritt spürbar wird, gibt es noch immer viel zu tun. „L’apotheque“ ist nicht nur darum eine wichtige Bereicherung für den Kiez. Das Interesse ist da: Ein älterer Mann mit St. Pauli-Cap, eine Frau mit Kind und viele andere laufen durch den Ausstellungsraum in den Hinterhof, in dem die Gründerinnen eine Ansprache halten und sich für das Erscheinen der Hamburger:innen bedanken. Noch muss das Museum auf eine finale Genehmigung warten, damit es zu festen Zeiten in St. Pauli geöffnet haben kann, erklärt Anna Genger. Die Hoffnung besteht, dass es Ende Juli endlich so weit ist.