Einige behaupten, der Mond sei aus Käse. Bei Lorenzo Romano ist das anders – hier ist der Mond ein Pfannkuchen. Aber der Erdtrabant ist noch viel mehr, sodass der Komponist ihm eine ganze Oper widmet. Diese nimmt das Publikum mit in die Weiten des Alls – und feierte nun in der opera stabile ihre Uraufführung.
Seit Jahrhunderten fasziniert der Mond die Menschen, seiner Erforschung widmeten sich bereits Galileo Galilei oder Giordano Bruno. Dichter:innen und Lyriker:innen schreiben Texte über ihn, andere widmen ihm Musik. Anders als im Deutschen ist der Mond in romanischen Sprachen weiblich, die Sonne hingegen männlich. Dem Mond werden zudem weibliche Eigenschaften zugeschrieben. Laut Lorenzo Romano hat der Mond im Italienischen Attribute wie Poesie und Emotionen.
Romanos Oper besingt den Himmelskörper in fünf Akten. Zunächst geht es um die Entstehung des Mondes, aber bald schon um die Gefühle, die mit dem Mond in Verbindung gebracht werden. Besungen wird die Sehnsucht nach ihm, aber auch das gespaltete Verhältnis, das unter anderem Giordano Bruno beschreibt. Es klingt nach unerfüllter, aber auch unstillbarer Liebe. Der Wahn, den der Mond auslösen kann, tritt auch bald auf den Plan, als Ausschnitte aus Alban Bergs Oper Wozzeck gesungen werden, in denen der Titelgeber seine Marie im Mondlicht tötet. Marie ist jedoch gleich dreimal da und auch ihr lebloser Körper scheint sich nicht so leicht fortschaffen zu lassen. Währenddessen berichtet die Schauspielerin Johanna Link die Geschichte eines Werwolfs, der in Wolfsgestalt seine Verlobte tötet, gut aufgegriffen durch die verkrampften, ruckartigen Bewegungen Wozzecks.
Reisen zum Mond
Auch als Sehnsuchtsort spielt der Mond seit Langem eine Rolle. Im dritten Akt des Geschehens begegnet das Publikum daher Gestalten von Jules Vernes oder aus Fritz Langs Film „Die Frau im Mond“. Aber auch Baron Münchhausen erzählt eine seiner fantastischen Geschichten von einer Axt, die er zum Mond warf. Cyrano de Bergerac kommt ebenfalls vor.
Die verschiedenen Erzählebenen realer und fiktiver Figuren, die sich abwechselnd auf der Bühne tummeln, sind sehr geschickt miteinander verwoben. Jules Vernes Charaktere werden beispielsweise durch Münchhausens Axt vom Kurs abgebracht, der Baron wiederrum fragt sich, wie er eigentlich vom Mond wieder runterkommen soll. Johanna Link durchbricht immer wieder die vierte Wand, spricht direkt mit dem Publikum oder erklärt die Figurenkonstellationen und nennt Fakten, die zum Verständnis der Entwicklungen beitragen sollen.
An die fantastischen Reisen zum Mond schließt sich dann die tatsächliche Mondlandung an, direkt gefolgt von den dazugehörigen Verschwörungserzählungen. Und schließlich geht es um den Weltraumtourismus und die Pläne einiger, den Mond wegen seiner Ressourcen zu nutzen.
Immer wieder anders
Ähnlich vielfältig wie der Mond, der mit jedem Anblick und jedem neuen Erscheinen am Himmel sein Aussehen ändert, ist die Oper von Lorenzo Romano, deren Libretto von Giuliano Bracci stammt. Sie vereint musikalische Stile aus unterschiedlichen Zeiten und Richtungen. Es erklingen Referenzen zu György Ligeti, dessen Musik beispielsweise bei Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ zu hören ist. Mal ist die Komposition perkussiv, mal mutet sie romantisch an, gespielt von Mitgliedern des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, die an den Seiten der Bühne sitzen. Ihnen zur Seite steht Davide Gagliardi, der für die Klangregie und die Liveelektronik der Oper zuständig ist.
Nicht nur, was Inhalt, Musik und Spiel des Ensembles betrifft, bietet „La Luna“ viel. Die Rückwand der Bühne bildet eine große Leinwand, die je nach Handlungsablauf kurze Videos, Zusammenschnitte, oder Formeln oder Ähnliches zeigt. Auf diese Leinwand werden außerdem gelegentlich Live-Bilder einer Kamera übertragen. Bei der Nachstellung der Mondlandung wird der Boden mit Sand und Steinen ausgelegt, den die Darsteller:innen nach und nach auf die Bühne bringen. Die Kostüme ändern sich je nach Geschehen ebenfalls. Mal sind sie schlicht schwarz oder weiß, mal futuristisch, dann wieder entsprechend der Mode des behandelten Jahrhunderts gestaltet.
Fazit
Der Mond mit seiner wechselvollen Gestalt inspiriert und verzaubert die Menschheit seit Jahrhunderten, so auch Lorenzo Romano. Mit „La Luna“ hat er seinen Beitrag zu diesem Mysterium geschaffen und sowohl reale als auch fiktive Ereignisse aufgegriffen und eingegliedert. Seine Oper ist eine unterhaltsame, spannende und vielseitige Bereicherung der Erzählungen rund um den Erdtrabanten. Getragen wird diese Inszenierung von den Sänger:innen des Opernstudios, den Musiker:innen des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg und besonders von den mal ernsten, mal augenzwinkernden Erzählungen der Schauspielerin Johanna Link. Neben der abwechslungsreichen Musik trägt auch die eingesetzte Technik zu einem gelungenen Opernabend bei, an dem den Zuschauer:innen trotz des eher opernuntypischen Themas auch klassische Elementen wie Leid, Sehnsucht, Liebe und Eifersucht begegnen.
Sänger:innen | Pia Davila, Kady Evanyshyn, Collin André Schöning, Seungwoo Simon Yang, Nicholas Mogg, Han Kim Für den erkrankten David Minseak Kang übernimmt Hubert Kowalczyk die Gesangspartie und Milena Galvaln Odar das Schauspiel |
Schauspielerin | Johanna Link |
Musikalische Leitung | Rupert Burleigh |
Inszenierung | Ron Zimmering |
Bühnenbild | Ute Radler |
Kostüme | Benjamin Burgunder |
Video | Jonas Link |
Klangregie, Liveelektronik | Davide Gagliardi |
Dramaturgie | Johannes Blum |
Spielleitung | Milena Galvan Odar |
Musiker:innen | Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg; Hoyle Chung, Markus Tollmann, Walter Keller, Matthias Albrecht, Elman Mecid, Robert Jacob |
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