Die 18-jährige Australierin Milla Loock besucht derzeit die Ballettschule des Hamburg Ballett John Neumeier. Ihre Choreografie „Cognition“, getanzt von ihrer Mitschülerin Anita Ferreira, wurde Anfang Februar beim Prix de Lausanne mit dem „Young Creation Award“ für aufstrebende Choreograf:innen ausgezeichnet. KOPFZEILE hat mit ihr über ihre Choreografie und ihre Erfahrungen bei dem berühmten Wettbewerb gesprochen.
Kopfzeile: Herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Auszeichnung. Ihre Choreografie ist beeindruckend!Wann haben Sie mit der Arbeit an „Cognition“ begonnen?
Milla Loock: Wir haben im vergangenen November angefangen zu choreographieren. Im Dezember wurde dann meine Variation für das Finale des „Young Creation Award“ ausgewählt. Die Proben fanden im Januar statt und im Februar wurde „Cognition“ aufgeführt.
Kopfzeile: Was war Ihre Inspiration für die Choreografie?
Milla Loock: Ich war sehr inspiriert von der Musik. Als ich „Dismantle“ von Peter Sandberg hörte, wollte ich tanzen. Ich begann, mir die Choreografie vorzustellen. Auch die Bewegungen meiner Tänzerin Anita Ferreira haben mich inspiriert. Sie ist eine meiner Klassenkameradinnen und ich wusste von Anfang an, dass ich sie für die Arbeit an der Choreografie auswählen würde. Sie hatte einen großen Einfluss auf den kreativen Prozess.
Kopfzeile: Gibt es Vorbilder für Ihre Choreografie?
Milla Loock: Ja, besonders John Neumeier hier an der Schule ist eine große Inspiration für mich. Auch der Choreograf Kristian Lever, der unsere Schule besucht hat, ist ein Vorbild. Ich suche in allen Choreograf:innen nach Inspiration.
Kopfzeile: Worum geht es in „Cognition“? Welche Gefühle sollen ausgedrückt werden?
Milla Loock: In dem Stück geht es um einen inneren Kampf. Wenn ich die Musik höre, höre ich ein Hin und Her der Emotionen. Es geht darum, was im Kopf passiert, darum, eine bestimmte Entscheidung oder eine gegensätzliche zu treffen. Es zieht dich in eine Richtung, aber du bewegst dich in eine andere. Diese Idee habe ich während der ganzen Choreografie verwendet.
Kopfzeile: Zu Beginn des Stücks erinnern die Armbewegungen der Tänzerin an Newtons Pendel.
Milla Loock: Ja! Die Absicht dahinter ist, die Zeit zu repräsentieren. Etwas beginnt, dann hört es auf. Das Gehirn kreiert etwas, ich will diesen Vorgang darstellen. Dieses Motiv habe ich versucht, während der gesamten Choreografie zu verwenden, um einen Bezug zwischen dem Titel des Stücks und den Bewegungen der Tänzerin herzustellen.
Kopfzeile: Was hat es mit dem Titel „Cognition“ auf sich?
Milla Loock: Wir mussten ein Wort wählen, das unser gesamtes Stück zusammenfasst. Als ich die Choreografie vorgestellt habe, zitierte ich die Definition: „Die mentale Tätigkeit oder der mentale Prozess, durch Gedanken, Erfahrungen und die Sinne Wissen zu erlangen, neue Informationen zu verstehen, einzuordnen und abzurufen, Entscheidungen zu treffen und angemessene Antworten zu geben.“ Ich habe also das ganze Konzept verwendet, um daraus die Choreografie zu kreieren. Ich glaube, dass „Cognition” das alles zusammenfasst.
Kopfzeile: Wie verlief der Entwicklungsprozess der Choreografie?
Milla Loock: Normalerweise habe ich eine Idee im Kopf, ein paar Schritte. Mit einer Tänzerin kann ich diese Schritte ausprobieren und sehen, wie meine Visionen in echt aussehen. Und wenn etwas nicht richtig aussieht, kann ich es ein bisschen anpassen. Ich nehme das Bild, das ich in meinem Kopf habe und verwandele es so gut ich kann in Bewegung. Die Tänzerin ist eine große Hilfe, um diese Idee voranzubringen.
Kopfzeile: Können Sie etwas über das Kostüm erzählen?
Milla Loock: Der Wettbewerb möchte nur schlichte Kostüme. Ich wollte das etwas interessanter machen, also habe ich eine Krawatte ergänzt. Diese repräsentiert für mich eine gewisse Normalität, eine echte Person. Sie soll das alltägliche Leben symbolisieren. Es geht darum, herauszufinden, was im Kopf dieser Person vorgeht.
Kopfzeile: Wie war die Zeit beim Prix de Lausanne für Sie?
Milla Loock: Der Wettbewerb fand in Montreux statt, da das Theater in Lausanne umgebaut wird. Unter der Woche hatten wir verschiedene Kurse und es gab das Coaching. Diese Woche in Montreux hilft einem sehr dabei, sich selbst in die Rolle der Unterrichtenden einzufinden. In dem Wettbewerb geht es nicht nur ums Choreografieren, sondern auch darum, wie gut man jemand anderem seine Bewegungen erklären kann. Nächstes Jahr werde ich wieder nach Montreux fahren und meine Variation allen Tänzern und Tänzerinnen beibringen, die sie ausgewählt haben.
Kopfzeile: Was ist das Wichtigste, das Sie aus dieser Woche mitnehmen?
Milla Loock: Ich habe erkannt, dass ich selbst sehr viel selbstbewusster bin, wenn ich choreografiere und anderen meine Choreografie beibringe. Ich bin eigentlich eine introvertierte Person. Das Unterrichten ist etwas, für das ich mich sehr begeistern kann, das ich genieße und das mir leichtfällt. Und vor jemandem zu stehen und Bewegungen zu choreografieren, macht mich selbstbewusst. Das ist etwas, das ich über mich selbst gelernt habe und das ich mitnehmen werde.
Kopfzeile: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie mit dem „Young Creation Award“ ausgezeichnet wurden?
Milla Loock: Ich habe nicht damit gerechnet. Es war ein echtes Privileg, als eine der fünf Finalist:innen dabei sein zu dürfen. Die gesamte Woche dort war schon eine so große Möglichkeit, dass ich gar nicht mehr erwartet habe. Als ich den Preis erhalten habe, war ich also ziemlich schockiert. Ich war im siebten Himmel und sehr aufgeregt auf das, was der Preis für die Zukunft bringen könnte
Kopfzeile: Was könnte das sein?
Milla Loock: Ich bin im kommenden Jahr wieder in Montreux und ich glaube, dass daraus weitere Möglichkeiten entstehen werden. Ich habe die Chance mit anderen Coaches zu arbeiten, die in der Welt der Choreografie viel bekannter sind. Ich glaube, die Zeit wird viel Inspiration und die Chance mit sich bringen, Neues zu lernen. Und sie wird mir dabei helfen, zu entscheiden, ob das Choreografieren etwas ist, was ich nach meiner zukünftigen Tanzkarriere weiter vertiefen will.
Kopfzeile: Was sagen Sie Leuten, die sich durch „Cognition“ inspiriert fühlen, selbst zu choreografieren?
Milla Loock: Wagt den Versuch. Ich wusste auch nicht, dass ich das tun würde, weil ich selbst noch nicht lange choreografiere. Habt immer eine Struktur, einen Anfang, eine Mitte, ein Ende. Erschafft eine Geschichte für euch selbst, auch wenn ihr nicht diese exakte Geschichte darstellen wollt, das hilft dem Publikum zu verstehen, was in der Choreografie passiert. Und dann sucht nach Inspiration. Das kann Musik oder eine Tänzerin sein, ein Foto oder ein Gemälde: Findet visuelle Aspekte, die ihr in Bewegungen verwandeln könnt.

Für Milla Loock herrscht auch nach dem Prix de Lausanne volles Programm: Vom 28.02.2022 bis zum 06.03.2022 werden zwei ihrer Choreografien aufgeführt. „Cognition“ und „Constellation“ sind im Rahmen der Werkstatt der Kreativität XII auf der Bühne des Ernst Deutsch Theaters zu sehen. Für Neugierige gibt es außerdem eine Videodokumentation in der Arte-Mediathek über den Prix de Lausanne.