gesehen: Fucking Åmål

Wer hatte was mit wem? Das ist eine der vielen Fragen, die in "Fucking Åmål" auf dem Schulhof diskutiert wird. (Foto: Hans Jörg Michel)

Herzlich Willkommen in Åmål, einer Kleinstadt in Schweden. Es ist nicht viel los, die Bewohner:innen sind eher spießig. Wer da aus dem Rahmen fällt, hat es nicht leicht. So geht es auch Agnes in der Jugendoper von Samuel Penderbayne, die jetzt an der Staatsoper Premiere feierte.

In der Schule wird debattiert, wer was mit wem hatte, wer wen betrogen oder belogen hat – und wer seltsam ist. Zu diesen Außenseiter:innen gehören auch Agnes (Kady Evanyshyn) und Viktoria (Marie-Dominique Ryckmanns). Agnes wird 16 und lädt zur Party ein, unter anderem auch Elin (Larissa Wäspy), in die sie heimlich verliebt ist. Gleichzeitig ist sie fest davon überzeugt, dass die beliebte Elin sie weder kennt noch wahrnimmt.

Dummerweise findet am gleichen Abend eine weitere Party bei einem anderen Schüler statt, sodass außer Viktoria niemand zu Agnes Party kommt. Wütend erklärt diese daraufhin Viktoria, dass sie keine Freundinnen wären, nur weil sie in der Schule immer zusammen wären. Viktoria geht, dafür kommen Elin und ihre Schwester Jessica (Ida Aldrian). Elin langweilt sich allgemein fürchterlich und will endlich einmal etwas fühlen. Da das Gerücht umgeht, Agnes sei lesbisch, wettet Jessica mit ihrer Schwester um einen Zehner, dass Elin sich nicht traut, Agnes zu küssen. Elin tut das aber doch und setzt damit ungeahnte Ereignisse in Gang.

Ein kleines Scheißkaff

Samuel Penderbaynes Jugendoper basiert auf dem schwedischen Film „Show me Love“ (Originaltitel: Fucking Åmål) von Lukas Moodysson. Die Irrungen und Wirrungen der Gefühle, die besonders Elin und Agnes erleben, werden sowohl darstellerisch als auch musikalisch gut vermittelt. Auch Jessicas Macho-Freund Markus (Hubert Kowalczyk) und der unsichere, aber ebenfalls in Elin verliebte und bemüht draufgängerische Johan (Nicholas Mogg) werden unterhaltsam charakterisiert, genau wie Agnes liebevoller, aber etwas ungeschickter Vater (Peter Galliard). Die Musik wechselt mal zwischen klassischem Opernklang, erinnert dann wieder an Musicals und ist kurz darauf lautmalerisch. Das Zusammenspiel aus Musik und Figuren, nimmt das Publikum mit in Lebenswelt der 16- und 17-Jährigen. Die Sänger:innen des „The Young ClassX Ensemble“ und einige Mitglieder des Orchesters sind selbst ungefähr in diesem Alter. Gemeinsam mit ihnen und den Sänger:innen sowie einigen Mitgliedern des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg kommt das Publikum mit nach Åmål, in diese kleine Stadt, wo wenig passiert und Anders-Sein oder Homosexualität  kritisch beäugt wird.

Was ist hier echt?

Die seltsame Stimmung im Ort wird nicht nur durch die Darsteller:innen vermittelt, auch die Kostüme tragen dazu bei. Alle Sänger:innen tragen Perücken und Kleidung, die in ihrem Stil an die Siebziger erinnern. Sie sind zwar in auffällig bunten Farben gehalten, wirken aber dennoch seltsam einheitlich und die Darsteller:innen fast wie Comicfiguren. Das liegt sicherlich auch an dem moosgummiähnlichen Material, aus dem die Kostüme zu sein scheinen.

Dynamischer sind die Kulissen. An der Rückwand der Bühne entstehen Livezeichnungen, die die Handlung begleiten und unterstreichen. Das Bühnenbild ist ebenfalls wandelbar. Es zeigt zwei drehbare Zimmer, das eine mit einem weißen Bett und weißer Komode, das andere dunkler, mit Bett und Bücherregal. Je nachdem, wie die beiden Zimmer stehen, stellen sie unterschiedliche Orte dar.

Fazit

Mit „Fucking Åmål – Unser kleines Scheißkaff“ hat Samuel Penderbayne eine Jugendoper komponiert, die sowohl unterhält als auch nachdenklich macht darüber, wie überspitzt das Geschehen eigentlich ist. Die Darsteller:innen singen und spielen ihre Rollen gelungen. Auch die Musik trägt zum Gelingen des Stücks bei und sorgt für Abwechslung, wenn sie mal nach Oper und dann wieder nach Musical klingt. Ein besonderer Aspekt der Jugendoper sind auch die Zeichnungen an der Rückwand der Bühne. Das Stück ist eine Empfehlung für Zuschauer:innen ab etwa 16 Jahren, die gerne in die Oper gehen, aber dort nicht mehrere Stunden verbringen möchten und Spaß an unterhaltsamen Stücken haben.

Darsteller:innenLarissa Wäspy, Kady Evanyshyn, Ida Aldrian, Marie-Dominique Ryckmanns, Lini Gong, Nicholas Mogg, Hubert Kowalczyk, Peter Galliard, Katja Pieweck, Mitglieder des The Young ClassX Ensembles, Felix Mendelssohn Jugendorchester, Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg
InszenierungAlexander Riemenschneider
BühnenbildDavid Hohmann
KostümeLili Wanner
VideoPhilipp Kronenberg
DramaturgieJohannes Blum

Die nächste Vorstellung ist am Dienstag, 25.01.2022 um 11:00 Uhr.

Weitere Informationen findet ihr hier.