Meistens sind urbane Legenden nichts weiter als Mythen ohne viel Wahres dahinter. Anders ist es mit dem Candyman in dem neuen Horrofilm von Nia DaCosta und Jordan Peele, der jetzt auf DVD erscheint. Der Candyman kommt, wenn er gerufen wird – und das bedeutet selten etwas Gutes. Das erfährt auch der junge, aufstrebende Künstler Anthony McCoy.
Als sich zwei Paare zum Abendessen treffen, scheint zunächst ist alles harmonisch. In der neuen Luxuswohnung im Viertel Cabrini-Green von Anthony (Yahya Abdul-Mateen II) und Brianna (Teyonah Parris) kommen ihr Bruder Troy (Nathan Stewart-Jarrett) und dessen Freund zu Besuch. In Cabrini-Green lebten hauptsächlich People of Color. Abends erzählt Troy die Gruselgeschichte von Helen Lyle, die bei ihrer Arbeit als Doktorandin in eben dieses Viertel in Chicago kommt und dort auf die Legende des Candyman, eines dunkelhäutigen Mannes mit einer Hakenhand, stößt. Sie wird verrückt und stirbt schließlich. Troy berichtet weiterhin, dass diese Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht und bringt damit die weiteren Geschehnisse ins Rollen. Gleichzeitig nimmt der Film mit dieser Erzählung Bezug auf den Film „Candyman’s Fluch“ (Candyman) aus dem Jahr 1992.
Anthony ist Maler und ebenso wie seine Freundin und deren Bruder Afroamerikaner. Er ist gerade auf der Suche nach einer neuen Inspiration für seine Werke. Bei Recherchen im teilweise gentrifizierten Cabrini-Green wird er zunächst von einer Biene gestochen und trifft kurz darauf auf William Burke (Colman Domingo), der ihm ebenfalls von der Legende des Candyman (Tony Todd) erzählt, den er als Kind selbst gesehen hat.
Der Candyman, von dem er Anthony erzählt, wohnte wie William in Cabrini-Green, verteilte Süßigkeiten an Kinder und hatte eine Hakenhand. Nachdem bei einem Mädchen in den Süßigkeiten eine Rasierklinge entdeckt wurde, machte die Polizei jagt auf den Candyman und tötete ihn. Bald darauf stellte sich aber heraus, dass er unschuldig gewesen war.
Die (Ver-)Lockung des Grauens
Angestoßen von dieser Erzählung beginnt Anthony zu malen und stellt bei einer Vernissage ein Kunstwerk aus, dass die Geschichte von Candyman weiter publik macht. Der Legende nach erscheint er, wenn in einen Spiegel fünfmal hintereinander sein Name gesagt wird – und tötet die Rufenden.
Hinter einem Spiegel, in den sie den Namen sagen könnten, können die Betrachter:innen auf der Vernissage verschiedene Bilder sehen, die den Tod des Candyman und anderer dunkelhäutiger Menschen aufgreifen. Der Versuchung des Rufens können einige der weißen Menschen im Laufe des Films nicht wiederstehen und sterben auf brutale Art. Ihnen allen ist zudem gemein, dass sie vorher eine dunkelhäutige Person schlecht behandelt haben.
Anthony ist nun der festen Überzeugung, er habe den Candyman gerufen und wird darüber immer verzweifelter. Seine Freundin Brianna versucht, ihn zu beruhigen und wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen. Gleichzeitig wird der seltsame Bienenstich immer schlimmer, Anthonys Hand und schließlich sein ganzer rechter Arm bis hin zum Gesicht fangen an abzusterben und sich stark zu verändern. Zudem malt er nun wie besessen Portraits von dunkelhäutigen Männern, von denen ihm William erzählt und die im Laufe der Zeit von Weißen unschuldig getötet wurden.
Schwarz und weiß
Die Berichte über die Ereignisse in Cabrini-Green, um den Candyman und Helen Lyle, werden als Schattentheater gezeigt und stellen auf eindrückliche Weise die Gewalttaten da, die von weißen Menschen verübt wurden. Mit den verschiedenen Erzählungen berichtet der Film von den andauernden Verbrechen gegenüber dunkelhäutigen Menschen, die sich zwar gewandelt haben können, aber nichts von ihrem Horror verloren haben. Augenfällig ist hierbei auch, dass alle Polizist:innen, die im Film vorkommen, weiß sind.
Der Horror des Films entsteht aber nicht nur aus Williams Erzählungen und dem eindrücklich gelungenen Schattentheater. Auch die Morde des Candyman an den ihn Rufenden werden in grausamer und sehr blutiger Weise verübt. Weitere Body-Horror-Elemente werden in den Film eingebunden, als Anthony sich zusehends verändert, sowohl äußerlich als auch innerlich. Diese Veränderungen sind nicht nur maskenbildnerisch sehr gut und unheimlich gemacht, sondern auch schauspielerisch gut dargestellt. Auch der Candyman sieht unheimlich aus. Sehr gut zu sehen ist er beispielsweise, als Anthony in einem verspiegelten Fahrstuhl stecken bleibt oder ein anderes Mal in einem Ganzkörperspiegel nicht sich selbst, sondern den Candyman sieht.
Fazit
„Candyman“ nimmt sich auf eindrückliche Weise den Themen Rassismus und Polizeigewalt gegenüber People of Color an, behandelt aber auch die Gentrifizierung von Stadtvierteln und die Auswirkungen dieser auf die Menschen, die vorher dort lebten. Die Regisseurin Nia DaCosta nimmt nicht nur Bezug auf den Film aus dem Jahr 1992, sie verleiht der Erzählung auch eine neue Perspektive.
Neben den gesellschaftlich aktuellen Themen kommen durch die Morde und besonders den Body-Horror des Candyman und die Veränderungen von Anthony auch gruselige Elemente nicht zu kurz. Die DVD bietet zudem noch ein alternatives Ende, ebenso wie einige Extra-Videos über die Entstehung des Filmes, die sehr interessant und sehenswert sind. Alles in allem lässt „Candyman“ das Publikum nicht völlig verstört oder verängstigt, aber sehr nachdenklich zurück.
Darsteller:innen | Yahya Abdul-Mateen II, Teyonah Parris, Nathan Stewart-Jarrett, Colman Domingo, Tony Todd und andere |
Regie | Nia DaCosta |
Drehbuch | Jordan Peele, Nia DaCosta, Win Rosenfeld |
Produktion | Ian Cooper, Jordan Peele, Win Rosenfeld |
Musik | Robert A. A. Lowe |
Kamera | John Guleserian |
Filmverleih | Universal |
FSK | freigegeben ab 16 Jahren |
Den Trailer findet ihr hier.