Morgen, morgen, nur nicht heute – das Aufschieben wichtiger Aufgaben ist insbesondere unter Studierenden ein weit verbreitetes Problem. Doch was hilft wirklich gegen Prokrastination? In der Psychologie finden sich praktische Ansätze.
Das Semester beginnen viele Studierende mit einem Versprechen an sich selbst: Diesmal wird alles anders, diesmal fange ich rechtzeitig mit dem Lernen oder dem Schreiben der Hausarbeiten an. Doch wenn der Zeitpunkt der Deadlines näherkommt, finden viele plötzlich Ausreden. Die Fenster müssten dringend geputzt werden, die Kaffeemaschine könnte man auch mal entkalken und eine Folge der neuen Netflix-Serie kann ja wohl nicht schaden…
Psycholog:innen nennen das Aufschieben unliebsamer, aber wichtiger Aufgaben Prokrastination. Wichtig dabei ist:Betroffene schieben nicht auf, weil es ihnen an Fähigkeiten oder Gelegenheiten mangelt. Im Gegenteil betätigen sie sich häufig in Ersatzhandlungen, die von den eigentlichen Aufgaben ablenken und kurzfristig positive Emotionen hervorrufen. Insbesondere unter Studierenden ist Prokrastination weit verbreitet, wie etwa die Studie „Patterns of Academic Procrastination“ zeigt. Wie kann man der Aufschieberitis also entkommen? Diese fünf psychologischen Tipps können helfen.
1. Nur fünf Minuten
„Eine der größten Hürden ist das Beginnen“, meint die Psychologin Catrin Grobbin. Prokrastination ist ihr Forschungsschwerpunkt, an der Universität Hamburg leitet sie Seminare zum Thema „Aufschieben besiegen“. Durch unangenehme Gefühle und Befürchtungen scheine die Aufgabe vor dem Beginnen oft viel schwieriger und größer, als sie tatsächlich sei, erklärt die Expertin.
Um die Hürde des Anfangens zu überwinden, kann man einen Deal mit sich selbst eingehen: Ich beginne jetzt sofort und arbeite nur fünf Minuten. Wenn es dann nicht läuft, kann man ohne schlechtes Gewissen wieder abbrechen. Oft tut man das dann aber doch ungern. „Hat man schon angefangen, fällt es oft viel leichter, weiterzumachen“, erklärt Grobbin. Außerdem habe der Mensch die Tendenz, angefangene Dinge auch fertigstellen zu wollen.
2. Besser planen mit externen Deadlines
Spätestens beim Schreiben der Abschlussarbeit kommt wohl jede:r mit Prokrastination in Kontakt. Der Psychologe Roger Buehler und Kolleg:innen befragten Studierende dazu, wann sie ihre Arbeit realistischerweise und wann im absoluten Worst-Case-Szenario abgeben würden. Das Ergebnis: Nur 30 Prozent konnten den ersten Termin einhalten, im Schnitt brauchten die Studierenden sieben Tage länger als im schlimmsten Fall vermutet.
Wir Menschen sind also ziemlich schlecht im Planen. Dabei helfen können Deadlines. Im Rahmen der Studie „Procrastination, Deadlines, and Performance: Self-Control by Precommitment“ untersuchten zwei Forscher, welche Arten von Fristen am effektivsten sind. Es stellte sich heraus, dass selbst gesetzte Deadlines eher eingehalten wurden, wenn sie einzelne Teilziele beinhalteten. Noch wirksamer waren allerdings externe Fristen. Solche müssen nicht nur von der Uni kommen. Auch das Verbreiten der Deadline im Freundes- oder Familienkreis kann helfen, das persönliche Verpflichtungsgefühl zu steigern.
3. Wichtig oder dringend?
Eine beliebte Methode zur Selbstorganisation sind To-do-Listen. Sie helfen, einen Überblick über anstehende Aufgaben zu gewinnen und das Abhaken einzelner Punkte verleiht ein gutes Gefühl. Das einzige Problem: Sie sind meist viel zu lang. Oft weiß man dann gar nicht, womit man beginnen soll und entscheidet sich im Zweifel erst einmal für nichts.
Eine gute Alternative zur herkömmlichen To-do-Liste ist das Eisenhower Prinzip. Diese Methode des ehemaligen US-Präsidenten hilft, Prioritäten zu setzen. Aufgaben werden dabei nach Wichtigkeit und Dringlichkeit unterteilt. Was wichtig und dringend ist, sollte als Erstes angegangen werden. Wichtiges, was nicht dringend ist, terminiert man auf einen festen Zeitpunkt. Dringendes Unwichtiges kann, wenn möglich, delegiert werden. Und in den Papierkorb gehört zuletzt alles, was weder wichtig noch dringend ist.
4. Den Stier bei den Hörnern packen
Wer immer wieder die gleiche Aufgabe – wie etwa eine Hausarbeit – aufschiebt, dem kann auch die Methode „eat the frog first“ helfen. Dafür werden alle Teilaufgaben aufgeschrieben und es wird mit dem Punkt angefangen, auf den man am wenigsten Lust hat – so beschreibt Catrin Grobbin die Strategie in ihrem Podcast „Weniger aufschieben – entspannter leben“. Der Trick dabei: Von dem schwierigsten Teil solle man sich den leichtesten Part herauspicken. Beflügelt vom Erfolg falle es dann leichter, weiterzumachen.
Wer sich nicht überwinden kann, den Stier bei den Hörnern zu packen, der kann die Methode auch umdrehen: Also mit etwas Leichtem anfangen, um sich dann langsam zu steigern. So lassen sich schnell ein paar To-dos abhaken und vielleicht findet man dabei die Motivation, auch „froschigere“ Aufgaben anzupacken. Was besser funktioniert, muss jede:r für sich selbst entscheiden und je nach Situation abwägen.
5. Mentale Batterien aufladen
Der Psychologe Roy Baumeister und Kolleg:innen führten 1998 ein Experiment zum Thema Selbstregulation unter Studierenden durch. Sie platzierten ihre Versuchspersonen vor einem Ofen, in dem köstlich duftende Kekse gebacken wurden. Eine Gruppe durfte währenddessen Gebäck essen, der anderen Gruppe war das strikt verboten – stattdessen wurden Radieschen gereicht. Anschließend sollten beide Gruppen ein unlösbares Puzzle bearbeiten. Das interessante Ergebnis: Die Gruppe, die nur Radieschen essen durfte, gab deutlich schneller auf.
Die Forschenden erklärten sich das so: Wer schon Willenskraft aufwenden musste, um den Keksen zu widerstehen, hatte später weniger davon übrig und kapitulierte deshalb schneller. Unsere Fähigkeit zur Selbstregulation ist also begrenzt. Verbrauchen wir in einem Bereich viel davon, so bleibt wenig für andere Bereiche. Um Prokrastination vorzubeugen ist es daher essenziell, auch Erholungsphasen einzuplanen. Also: Statt Fensterputzen und Kaffeemaschine entkalken lieber bewusst abschalten und dann erholt in die Bibliothek!