Vor einiger Zeit war Kaffee noch ein Luxusgut, es gab kaum Autos und Kriminalbeamt:innen waren hauptsächlich männlich. Außerdem war es zwar von Vorteil, einen Adelstitel zu tragen, um schnell im hohen Dienst der Polizei anfangen zu können, vor allen Problemen schützte er jedoch auch nicht. In Ralph Knobelsdorfs neuem Roman, dem Anfang einer Serie, stellt das auch der junge Wilhelm von der Heyden, Sohn eines Freiherrn, fest.
Es ist das Jahr 1855 und Berlin ist noch keine Millionenmetropole. Wilhelm von der Heyden und sein Freund Johann Schmidt wollen eigentlich ihr gerade abgeschlossenes Studium feiern und es sich ein wenig gut gehen lassen. Aber da explodiert in einem Nachbarhaus eine Bombe und die junge Bewohnerin, Gräfin Beatrice Wassilko von Kerecki, hängt tot über dem Gartenzaun.
Während Wilhelm in das Haus eilt, um möglichen Verletzten zu helfen, holt Johann die Polizei – und die stellt die beiden Studenten gleich mal unter Generalverdacht.
Da der Kriminaldirektor jedoch nicht nur ein Freund von Wilhelms Vater, sondern auch von dessen sehr genauer Beobachtungsgabe beeindruckt ist, wird der Student bald aktiv in die Ermittlungen zum Tod der jungen Gräfin eingebunden. Ähnliches gilt für Johann Schmidt, dessen Kenntnisse aus dem Medizinstudium und Hochschulbekanntschaften aus den Bereichen Chemie und Physik sich im Laufe der Zeit als äußerst hilfreich herausstellen.
Adel verpflichtet
Wilhelms neuer Kollege, Kriminalsekretär Vorweg, ist zunächst alles andere als begeistert, dass ihm ein unerfahrener neuer Ermittler zur Seite gestellt wird, der auch noch von Adel ist. Aber Wilhelms Art und sein fotografisches Gedächtnis lassen die beiden mit der Zeit besser miteinander auskommen.
So hilft der Kriminalsekretär Wilhelm unter anderem auch bei Ermittlungen zu einem privaten Problem seines Vaters, der aus unbekannten Gründen mit der Besitzerin des Nachbargutes in Streit liegt. Dieser Streit rührt von einem Ereignis in Wilhelms Kindheit, dass ihm bis zum Zeitpunkt der Handlung heftige Albträume beschert, die Gutsfamilien auseinanderbrachte und die Liebe Wilhelms zur Nachbarstochter überschattet.
Das die Tote aus einer einflussreichen, österreichischen Adelsfamilie stammt verkompliziert die Ermittlungen ebenfalls, da sich dadurch verschiedene Diplomatische Verwicklungen ergeben.
Fakt und Fiktion
Im Laufe des Romans lernen Wilhelm von der Heyden und die Leser:innen verschiedene Charaktere kennen und erfahren zudem einiges über die Entwicklung der preußischen Polizei. Auch wenn der Mord an sich ein fiktives Ereignis ist, greift Ralph Knobelsdorfs Roman einen realen Vorfall, den Potsdamer Depeschendiebstahl, auf. Daher treten auch die real existierenden Brüder von Gerlach auf, die dem preußischen König nahestanden. General Leopold von Gerlach war in den Diebstahl der Depesche verwickelt. Auch andere bedeutende Persönlichkeiten der damaligen Zeit betreten immer wieder das Parkett des Buches, unter ihnen auch Otto von Bismarck. Ralph Knobesldorf verwebt so in seinem Kriminalroman geschickt Fakten und Fiktion und nimmt die Leser:innen in einer klaren, gut lesbaren Sprache mit in das Berlin des Jahres 1855.
Fazit
Mit „Des Kummers Nacht“ hat Ralph Knobelsdorf einen spannenden Kriminalroman geschrieben, dessen Ermittler und Figuren die Leser:innen gerne begleiten. Durch das Zusammenspiel von Fiktion und Fakten entwickelt sich nicht nur die Handlung, man kann auch noch einiges über das Leben im damaligen Berlin und die preußische Polizei lernen. Durch die vielschichtige Familiengeschichte der von der Heydens liefert der Autor zudem einen guten Startpunkt für seine geplante Buchreihe über den aufstrebenden Kommissar Wilhelm von der Heyden.
Autor | Ralph Knobelsdorf |
Verlag | Lübbe |
Preis | 16,90 Euro |
Seitenzahl | 623 Seiten |