Als Ausdruck von Protest eignet sich viel, von Bannern und Transparenten über Kleidung – bis hin zu den Haaren. Die Hippies der 1960er-Jahre etwa trugen ihre Haare lang und offen, als Zeichen ihrer Abgrenzung gegenüber denen, die ihr Leben nach den klassischen Vorstellungen lebten. Das Musical „Hair“ nimmt sich dieser Unterschiede und Konfrontationen an. Am Altonaer Theater feierte es in einer aktualisierten Form Premiere und eröffnete dort die Spielzeit.
Die Bilder des Sturms auf das Kapitol in den USA im Januar 2021 sind um die Welt gegangen. Daran angelehnt stürmen auch die ersten Darsteller:innen den Saal des Altonaer Theaters und stacheln das Publikum an, sich ihnen anzuschließen. Kurz darauf jedoch werden sie von einer bunten Truppe in ihre Schranken gewiesen und von der Bühne gesungen. Diese Freunde leben abseits der Norm zusammen und wollen dem Hass und der Gewalt in der Welt Liebe und Gemeinschaft entgegensetzen. Sie singen von Erfahrungen mit Rassismus, Homophobie und Umweltzerstörung, gegen die sie ein Zeichen setzen wollen.
Auf eben diese Freundesgruppe trifft Claude (David Wehle) auf dem Weg zu seiner Musterung, da er sich verfahren hat und sie nach dem Weg fragen will. Sie wiederum wollen ihn davon abhalten, zum Militär zu gehen, um für die USA irgendwo gegen irgendwen in einen Krieg zu ziehen, den es nicht braucht. Claude, dessen Lebensweg von seinen Eltern entgegen seiner Interessen schon vorgeplant wurde, ist von der Gruppe und ihren Ideen angetan. Nach anfänglichem Zögern bleibt er zunächst bei ihnen.
„Wer kifft, kann nicht hassen“
Nach diesem Motto leben sie zusammen, der eine oder andere Joint und verschiedene Pillen kommen dabei auch immer mal wieder zum Einsatz und verleiten die Darsteller:innen zu einigen mitreißenden Songs. Gleichzeitig werden sie misstrauisch beäugt und von konservativen Erwachsenen beschimpft. Dennoch stellen sie sich Polizei und anderen Gegner:innen in den Weg. Im Laufe des Stückes treffen sie auf Donald Trump (Ingo Meß), ebenso wie Joe (Dirk Hoener) und Jill Biden (Sarah Kattih). Trump, mit einem Auge für seine Bewegungen und Eigenheiten gut dargestellt, greift Biden sofort an, im Hintergrund bespottet von der Gemeinschaft.
Das Aufgreifen globaler Probleme wie Rassismus, Sexismus oder Corona zieht sich durch das Stück und so gelingt es geschickt, dieses Musical, das eigentlich aus den 1960er Jahren stammt, in die heutige Zeit zu übertragen.
Das schlichte Bühnenbild, welches aus drei in verschiedenen Höhen angebrachten Böden und den Ständern mit den Scheinwerfern besteht, lässt Gesang, Tanz und Themen den Raum, den sie brauchen. Für das vielfältig und gestalterisch eingesetzte Licht bildet das Bühnenbild ebenfalls eine gute Basis.
Die Kostüme verdeutlichen die Unterschiede zwischen der Gemeinschaft in eher legerer, bunter Kleidung auf der einen und den Konservativen in Anzügen oder grauen Pullovern auf der anderen Seite.
Fazit
Mit „Hair“ zeigt das Altonaer Theater ein Musical, das trotz seines Alters von knapp 60 Jahren die Handlung geschickt in die heutige Zeit holt. Einige Elemente des Abends sind sehr laut, und besonders zu Beginn hat „Hair“ Längen, die jedoch hinter der Spielfreude der Darsteller:innen und den mitreißenden Melodien des Musicals verblassen. Songs und Performance sprangen auf das Publikum über und ließen es immer wieder mitklatschen. Die schweren Themen, die das Musical anspricht, werden plastisch, aber dennoch leicht, besungen und vermittelt.
Darsteller:innen | Taryn Nelson/Tamara Wörner, Dirk Hoener/Frank Roder, Melissa Holley, Sarah Kattih, Valerija Laubach, Martin Markert, Ingo Meß, Luisa Meloni, Patrick Stamme/Till Jochheim, Carolina Walker, David Wehle/Patrick Miller, Nick Maia, Giovanni de Domenico, Finja Kelpe |
Regie | Franz-Joseph Dieken |
Musikalische Leitung | Andreas Binder |
Bühne | Yvonne Marcour, Sabine Kohlstedt |
Kostüme | Volker Deutschmann |
Choreographie | Sven Niemeyer |
Weitere Informationen findet ihr hier.