Willkommen in der Welt der Romantik, in der stürmisch geliebt, viel getrunken und heftig verzweifelt wird. Dem romantischen Schriftsteller E.T.A. Hoffmann widmete Jacques Offenbach eine Oper. Mit dieser eröffnete die Hamburger Staatsoper die Spielzeit 2021/2022 und zeigt eine opulente Inszenierung.
In dem Stück ist E. T. A. Hoffmann selbst der Protagonist und in die Operndiva Stella verliebt, was auf Gegenseitigkeit beruht. Allerdings hat er im Rat Lindorf einen Nebenbuhler, der zwar alt, aber nach eigener Einschätzung noch sehr vital und vor allem gut betucht ist. In der Pause einer Opernvorstellung von Stella begegnen sich Hoffmann und Lindorf. Die gegenseitige Antipathie ist sofort spürbar. Die anderen Anwesenden besingen Hoffmann zunächst als Trinkkumpan und fordern ihn dann auf, Geschichten zu erzählen.
Er berichtet erst von dem Zwerg Kleinzack, der dabei auf die Bühne schwebt und auf dem Tresen seiner Geschichte lauscht. Bald schon schweift Hoffmann aber ab und berichtet schließlich von drei Damen, die er vor Stella liebte. Sie sind für ihn alle in Stella vereint, weswegen er diese besonders verehrt. Die Muse allerdings findet das gar nicht gut, will sie doch, dass Hoffmann schreibt und nicht andauernd irgendwelchen Frauen nachläuft. Denn die Beziehungen enden immer tragisch.
Vier Frauen und ein Bösewicht
Immer Teil der schicksalhaften Beziehungen Hoffmanns ist sein Antagonist. Dieser scheint beinahe der Teufel in Person zu sein, ist er doch immer, direkt oder indirekt, am Ende von Hoffmanns Liebe beteiligt. Und auch wenn er stehts anderen Namen trägt und anders aussieht – seine viel zu langen, krallenhaften Fingernägel und die zwar wechselnden aber immer düsteren Kostüme machen sofort deutlich, dass diese Personen zusammengehören, wenn sie nicht gar ein und dieselbe sind.
Hoffmann und die Muse hingegen tragen immer Hemd und Weste beziehungsweise Anzug. Alle vier Geliebten Hoffmanns tragen beeindruckende Gewänder. Die Puppe Olympia hat ein fast schlichtes Kleid an, in dessen Rücken und in ihren Haaren sind die Zahnräder der Konstruktion zu sehen, aber auch ein großes Diadem. Antonia, eine Sängerin, die nicht mehr singen darf, da sie sonst stirbt, hat die großen, blauen Flügel eines Schmetterlings und das dazu passende Kleid. Die Kurtisane Giulietta wiederum trägt ein Kleid, dessen Stil eher an die Zeit des Barocks erinnert, verziert mit spiegelnden Elementen. Figuren und Handlungen von Offenbachs Oper lehnen sich an verschiedene Werke von E. T. A. Hoffmann an.
Vier in eins
Alle vier Frauenfiguren werden von Olga Peretyatko gesungen und gespielt. Sie schafft es, jeder der Frauen ein eigenes Gesicht zu geben, sei es mit mechanischen Bewegungen, versunken in Erinnerungen an die verstorbene Mutter, als verführerische Kurtisane oder als gefeierte Diva.
Auch Luca Pisaroni, der die vier Ausprägungen des Bösewichtes darstellt, zeigt ein treffend abstoßendes, unheimliches Bild der Charaktere.
Die inneren Konflikte und die heftige Liebe Hoffmanns kann Benjamin Bernheim ebenso eindrücklich vermitteln, wie Angela Brower die Regungen der Muse, die zwischen Sorge und Bemühen um Hoffmann und Spott über ihn wechselt.
Gideon Poppe verkörpert auch vier Rollen, meistens die Diener und schafft es durch seine Darbietungen immer wieder, das Publikum herzhaft zum Lachen zu bringen.
Auch die musikalischen Leistungen des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg und des Chors der Hamburgischen Staatsoper nehmen das Publikum mit auf diese Reise in die Fantasie.
Groß, detailreich, beeindruckend
Nicht nur die Künstlerische Leistung der Sänger:innen und Musiker:innen sowie die Kostüme sind beeindruckend, auch das Bühnenbild ist es.
In allen Akten sind die Bühnenbilder sowohl mit Liebe zum Detail als auch mit besonderen Kniffen und Effekten gebaut. Sie unterstützen die Handlung und beeindrucken zusätzlich. Während der Erzählungen sitzen Hoffmann und die Muse immer mal wieder am Rand der Bühne an den Bartischen aus der Gaststätte der Rahmenhandlung. Wenn Hoffmann selbst in den Szenen spielt, kommt ein Double hinzu. Auch die Muse und die tote Mutter Antonias haben Double, die immer wieder auftreten und über die Bühne schweben. Der zweite Hoffmann schwebt ebenfalls gelegentlich durch die Handlung.
Ein besonderer Klangeffekt entsteht dadurch, dass ein Teil des Opernchores nicht mit auf der Bühne steht, sondern in den vorderen Logen im Saal. Dadurch wird das Publikum noch mehr in die Musik und das Geschehen hineingezogen.
Fazit
Unter der Regie von Daniele Finzi Pasca ist der Hamburger Staatsoper mit der Spielzeiteröffnung mit „Les Contes d’Hoffmann“ eine opulente, gewaltige und beeindruckende Inszenierung gelungen. Die Sänger:innen überzeugen durch ihre vielfältigen, einnehmenden Darbietungen, auch Chor und Orchester tragen zum Gelingen des Opernabends bei. Ebenso faszinierend sind die Kostüme und Bühnenbilder. Die immer wieder eingestreuten humorvollen Momente lockern die Vorstellung auf und sorgen für einige Lacher. Auch wenn die Oper fast vier Stunden geht, mit zwei Pausen von 25 und 20 Minuten, fällt das nicht auf, da das Geschehen fesselt und kurzweilig ist.
Darsteller:innen | Benjamin Bernheim, Olga Peretyatko, Angela Brower, Luca Pisaroni, Gideon Poppe, Kristina Stanek, Martin Summer, Dongwon Kang, Jürgen Sacher, Daniel Schliewa, Han Kim, Bernhard Hansky, Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Chor der Hamburgischen Staatsoper |
Inszenierung und Licht | Daniele Finzi Pasca |
Musikalische Leitung | Kent Nagano |
Bühnenbild | Hugo Gargiulo |
Kostüme | Giovanna Buzzi |
Choreografie | Maria Bonzanigo |
Dramaturgie | Savina Kationi, Ralf Waldschmidt |
Chor | Eberhard Friedrich |
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