Zu wenig Geld für Hochschulen? Studierende fordern Klarheit über Kürzungen

Die Zukunftsverträge sollen die Finanzierung der Hochschulen sichern. Doch Studierende und Beschäftige sind unzufrieden. (Foto: Pixabay/Pexels)

Fallen an der Universität Hamburg Studienplätze und Lehrveranstaltungen weg? Das befürchten Studierendenvertreter:innen, Professor:innen und Mitarbeitende. Bereits im Juni demonstrierten sie gegen mögliche Kürzungen durch die neue Hochschulvereinbarung. Kopfzeile berichtet über die Hintergründe – und was seitdem passiert ist.

Als Anfang des Jahres die neue Vereinbarung zur Hochschulfinanzierung unterzeichnet wurde, waren die Hoffnungen groß. Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sprach von einem „Meilenstein für die Wissenschaft in der Stadt“ und einem „starken Signal für die Entwicklung des Hochschulbereichs“. Doch bereits im Vorfeld kritisierten die Studierendenvertretungen und Gewerkschaften den neuen Finanzierungsplan, auf den sich Stadt und Hochschulen erst nach langen Verhandlungen einigen konnten. Der Verlust hunderter Stellen von wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen sowie die Verschlechterung der Lehre und Forschung wurden befürchtet. Welche Auswirkungen nun tatsächlich eintreten, ist auch vor Beginn des kommenden Wintersemesters in vielen Punkten unklar.

Arbeitsgemeinschaften in der Rechtswissenschaft fallen weg

Am deutlichsten zeigen sich die Veränderungen an der Universität Hamburg bisher an der Fakultät für Rechtswissenschaft. Seit Beginn des laufenden Sommersemesters werden für Studierende im vierten und fünften Fachsemester keine Arbeitsgemeinschaften mehr angeboten. In diesen Lehrveranstaltungen bereiten sich die angehenden Jurist:innen auf das Staatsexamen vor, indem sie die praktische Anwendung von Gesetzen und erlernten Regeln üben. „Dass Lehrveranstaltungen ersatzlos und ohne Vorankündigung gestrichen werden, ist schon eine neue Qualität“, sagt Malte Deutschmann aus dem Fachschaftsrat Jura (FSR). Gerade die Arbeitsgemeinschaften seien als Prüfungsvorbereitung extrem wichtig. „Was wir derzeit sehen ist, dass das Ausbildungsangebot deutlich reduziert wird, was negative Folgen auf die Klausurergebnisse – möglicherweise bis zum Examen – haben kann“, meint er. 

Mich ärgert, dass die Qualität und der Ruf der juristischen Fakultät der Uni Hamburg so aufs Spiel gesetzt werden.

Malte Deutschmann,
Fachschaftsrat Jura

Die Fakultät teilt die Befürchtungen der Studierenden: In einer schriftlichen Stellungnahme richten sich Professor:innen, wissenschaftliche Mitarbeitende, Verwaltungsmitarbeiter:innen und Studierende gemeinsam unter anderem an die Wissenschaftsbehörde. Darin ist von einem Defizit von 500.000 Euro allein für den Fachbereich Rechtswissenschaft die Rede. Es bestehe „dringender Bedarf“ für weitere Landesmittel, sonst sei die Fakultät zu weitreichenden Kürzungen gezwungen. 37 Professor:innen, 67 wissenschaftliche Mitarbeiter:innen und 17 Mitarbeitende der Verwaltung haben unterzeichnet.

Die Universität Hamburg gibt auf Nachfrage an, dass die rechtswissenschaftliche Fakultät in einer besonderen Lage sei. In den vergangenen Jahren habe sie durch zahlreiche Sondermittel „attraktive Ergänzungsangebote zur Lehre“ anbieten können. „Diese zusätzlichen Mittel stehen der Fakultät nicht mehr in dem von ihr geplanten Maß zur Verfügung“, so die Universität. An anderen Fakultäten bestehe diese Situation nicht.

Weniger Studienplätze in der Informatik

Doch auch aus dem Fachbereich Informatik gab es zuletzt sorgenvolle Berichte. Die Weiterfinanzierung zahlreicher Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen sei unklar, berichtet Frederico Bormann aus dem dortigen FSR. Hinzu kommt, dass das Förderprogramm „ahoi.digital“, das bislang von Stadt, Universität und Wirtschaft getragen wurde, nicht weitergeführt wird. Damit sollten 13 zusätzliche Informatik-Professuren geschaffen werden, von denen bisher aber nur vier entstanden sind, zwei davon am Fachbereich. „Die Mittel für die Lehre waren schon seit Jahren auf Kante geplant, da wäre das Projekt eine große Erleichterung gewesen“, sagt Bormann. Letztlich seien bereits zum laufenden Sommersemester weniger Masterstudierende zugelassen worden. Es deute alles darauf hin, dass es auch zum Wintersemester weniger Studienplätze geben werde. Der aktuelle Kapazitätsbericht schlägt im Berechnungszeitraum Sommersemester 2021 bis Wintersemester 2022 für den Fachbereich Informatik 464 Plätze für Studienanfänger:innen vor, während es im Vorjahr noch 663 waren.

Die Universität Hamburg hält auf Anfrage entgegen, dass in allen Fakultäten die bisher vorhandenen Strukturstudienplätze angeboten werden können. Bei zusätzlichen Studienplätzen, die in der Vergangenheit durch Sondermittel finanziert wurden, könne es zu „Umschichtungen“ kommen. Ähnliches gilt für die Lehre. „Die Finanzierung der bisherigen Strukturen ist abgesichert“, schreibt die Universität. Gleichzeitig räumt sie ein: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine geringere Verfügbarkeit von Sondermitteln eine Anpassung von Lehrangeboten erforderlich machen.“

Die Kritik einer Unterfinanzierung der Universität Hamburg teilt die Behörde nicht

Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke Hamburg

Studierende werfen Universität schlechte Kommunikation vor

Aus Sicht der Studierenden sind vor allem solche vagen Aussagen und die damit verbundenen Unsicherheiten ein Problem. Antonia Peikert aus dem hochschulpolitischen Referat des AStA der Universität Hamburg betont: „Das volle Ausmaß ist noch gar nicht bekannt. Vieles steht auf Kipp, man weiß nicht, was kommen wird.“ Sie wünscht sich, dass Studierende stärker an den Entscheidungsprozesse beteiligt werden und kritisiert, dass die Universität lange gar nicht kommuniziert habe, dass es überhaupt Kürzungen geben werde. Auch in einer Stellungnahme der Landesastenkonferenz ist von „gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Hochschulpräsidien, Behörde und dem Senat“ sowie „schlechter Kommunikation gegenüber Studierenden und Mitarbeitenden“ die Rede. In der Verantwortung sieht Peikert ganz klar die Stadt. „Meiner Meinung nach gibt es keine andere Lösung, als dass die Stadt die Universitäten besser finanziert“, sagt sie. Das bestätigt auch Malte Deutschmann aus dem Jura-FSR.

Die Hamburger Wissenschaftsbehörde kann diese Forderung jedoch nicht nachvollziehen. „Die Kritik einer Unterfinanzierung der Universität Hamburg teilt die Behörde nicht“, schreibt sie auf Anfrage. Die Hochschulfinanzierung genieße in Hamburg im Vergleich zu anderen Ländern eine privilegierte Stellung.

Mehr Geld als in vergangenen Vereinbarungen – trotzdem nicht genug?

Tatsächlich erhalten die Universitäten durch die neuen sogenannten Zukunftsverträge zunächst mehr Geld als in vergangenen Hochschulvereinbarungen. Laut Wissenschaftsbehörde erhalten die Einrichtungen in Hamburg in den kommenden sieben Jahren insgesamt 750 Millionen Euro zusätzlich zur bisherigen Finanzierung. Außerdem ist in den Verträgen erstmals auch die Übernahme der Tarif- und Inflationssteigerungen bis zur einer Höhe von zwei Prozent enthalten.

Genau hier liegt aber ein Problem: Denn da das in der Vergangenheit nicht der Fall war, mussten Hochschulen entstandene Rücklagen selbst ausgleichen. Diese Rücklagen seien jetzt aufgebraucht, heißt es beispielsweise in der Stellungnahme aus der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Die Universität gibt diesbezüglich an: „Mit den zur Verfügung gestellten Mitteln können die Kostensteigerungen aus den Jahren 2016 bis 2020 dauerhaft aufgefangen werden. Zusätzliche Bedarfe zur Finanzierung zusätzlicher Studienplätze können nur durch Sondermittel bzw. durch eine Verstärkung der Fakultätshaushalte durch zentral bewirtschaftete Mittel abgedeckt werden.“

Eine qualitative Verschlechterung der Lehre sieht das Präsidium sehr kritisch und wird dies der Politik gegenüber kommunizieren.

Universität Hamburg

Die jetzigen Gelder könnten eine Unterfinanzierung vergangener Jahre nicht auffangen, erklärt Malte Deutschmann. Die Haltung der Stadt frustriert ihn. „Mich ärgert, dass die Qualität und der Ruf der juristischen Fakultät der Uni Hamburg so aufs Spiel gesetzt werden.“ Auch Antonia Peikert findet es „schade, dass die Stadt die negativen Folgen der Unterfinanzierung einfach so in Kauf nimmt.“

Um dem Unmut Ausdruck zu verleihen, organisierte die Fachschaftsräte-Konferenz der Universität Hamburg Anfang Juni eine Demonstration unter dem Motto „Stop the cuts“, an der rund 350 Studierende und Beschäftigte der Universität teilnahmen. Für Malte Deutschmann ein großer Erfolg, „weil wir damit gezeigt haben, dass die Finanzierung doch nicht so gut ist, wie die Behörde glauben machen will.“ Auch Peikert ist zufrieden: „Ich fand es schön, dass man gesehen hat, wie viel Einigkeit bei dem Thema besteht.“ Sie ist jedoch enttäuscht, dass von Seiten der Stadt wenig Reaktion kam. „Die Demonstration war ja eine Reaktion darauf, dass nichts passiert und nicht mit Studierenden zusammengearbeitet wird.“

Mehr Haltung vom Präsidium gefordert

Doch auch von der Universität wünschen sich die Studierenden mehr – vor allem Haltung. Zwar gebe es von den Professor:innen und auf Ebene der Fachbereiche viel Verständnis und Entgegenkommen – wie etwa die Stellungnahme aus der Rechtswissenschaft zeigt. „Nach außen hin möchte die Universität aber lieber das Bild vermitteln, dass alles in Ordnung ist“, meint Frederico Bormann. Auch Antonia Peikert kritisiert, dass die Unzufriedenheit hinter Floskeln versteckt werde. „Ich würde mir wünschen, dass das Präsidium klar sagt, was die Folgen in den kommenden Jahren sein werden. Das sollte nicht unsere Aufgabe sein.“ Derzeit sei noch nicht absehbar, ob die Sorgen der Studierenden, Mitarbeitenden und Lehrenden berechtigt seien, hält die Universität dagegen. Sollte das der Fall sein, werde sich die Universität auch dazu äußern: „Eine qualitative Verschlechterung der Lehre sieht das Präsidium sehr kritisch und wird dies der Politik gegenüber kommunizieren.“

Konkrete Erfolge oder Annäherungen gab es seit der Demonstration nicht. „Im Moment sind wir vor allem auf Fakultätsebene im Gespräch, um gemeinsam ein bisschen Schadensbegrenzung zu betreiben“, berichtet Bormann. Man suche nun den Austausch, sowohl mit der Universität als auch mit der Politik, ergänzt Malte Deutschmann. Positive Signale gebe es bisher nicht, „aber wir lassen nicht locker.“ Weitere Veranstaltungen sind geplant. Antonia Peikert kündigt ebenfalls an: „Wir sind nicht bereit, das Thema abzuschreiben.“