gefragt: Sprache als der Spiegel der Gesellschaft – auch an der Universität Hamburg

Gendern gehört für einige bereits zum alltäglichen Sprachgebrauch, für andere ist es immer noch ein rotes Tuch. Kopfzeile hat bereits über die Empfehlung an der UHH berichtet. Nun haben wir zu diesem Thema mit der Gleichstellungsbeauftragten Dr. Angelika Paschke-Kratzin gesprochen.

Kopfzeile: Welche Regelungen zur geschlechtergerechten Sprache gibt es an der Universität Hamburg?

Angelika Paschke-Kratzin: An der Universität Hamburg wurden 2020 Empfehlungen zur geschlechtergerechten Sprache beschlossen, die von einer Kommission aus Expert:innen verschiedener Fachrichtungen erarbeitet wurden. Diese Empfehlungen sind nicht verbindlich, können den Mitgliedern der Universität aber als Orientierungshilfe im Umgang mit geschlechtergerechter Sprache dienen. Empfohlen werden geschlechtsneutrale Formulierungen (z. B. Lehrende, Studierende) sowie die Verwendung des sogenannten Gender-Doppelpunkts (z. B. Kolleg:innen, Professor:innen). Der Doppelpunkt hat den Vorteil sowohl geschlechterinklusiv als auch barrierefrei zu sein, da er gut von Screenreadern erfasst werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass andere geschlechtergerechte Schreibweisen wie etwa der Gender-Gap oder der Gender-Stern nicht auch weiterhin verwendet werden können. Viele Mitglieder der Universität sprechen und schreiben schon länger geschlechtergerecht, nur eben auf sehr unterschiedliche Weise. Die Empfehlungen und insbesondere die neue Broschüre zur geschlechtergerechten Sprache liefern hilfreiche Tipps zum geschlechtergerechten Schreiben und Sprechen. Auf der Homepage der Stabsstelle Gleichstellung haben wir aus diesem Grund auch eine FAQ-Rubrik mit den wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema zusammengestellt.

In welchem Zusammenhang stehen die Empfehlungen zur öffentlichen Debatte um geschlechtergerechte Sprache?

Wir leben in einer vielfältigen Gesellschaft, das spiegelt sich auch im universitären Alltag wider.

So wie in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, haben auch wir an der Universität diskutiert und in die Empfehlungen ist Expertise aus ganz verschiedenen (Fach-)Bereichen eingeflossen. Das ist sehr wichtig, denn bei der öffentlichen Debatte, die oft sehr emotional geführt wird, müsste manchmal noch stärker vorhandenes Wissen einbezogen werden. So kann geschlechtergerechte Sprache oder das „Gendern“ gar nicht verboten werden – und wer beispielsweise Schülerinnen und Schüler sagt, gendert schon. Interessant ist auch, dass die Dominanz des generischen Maskulinums sich erst in den 1950er richtig durchgesetzt hat und dass die geschlechtergerechte Sprache gar nicht so „neu“ ist. Formen wie Gästin waren früher völlig üblich und sind auch im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm verzeichnet.

Die öffentliche Debatte zur geschlechtergerechten Sprache hat auch Einfluss auf die Hamburger Politik. Schon in den Grundsätzen zur Verwaltungssprache von 1995 gibt der Hamburger Senat neben der Beidnennung der weiblichen und männlichen Form die Möglichkeit, geschlechtsneutrale Formulierungen zu verwenden. Erst kürzlich hat der Senat diese Richtlinien erweitert und ermöglicht nun auch die Verwendung des Doppelpunktes oder alternativer Formen – schreibt diese aber nicht vor. Stadt und Universität ziehen also am selben Strang.

Sprache entsteht und besteht nicht im luftleeren Raum, sie ist immer auch Ausdruck von Machtverhältnissen.

Kritische Stimmen sind dagegen, dass Hochschulen und Universitäten ihren Mitgliedern Vorschriften zum Sprachgebrauch machen. Wie stehen Sie dazu?

Mir ist es sehr wichtig, an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass es sich bei den Empfehlungen zur geschlechtergerechten Sprache keinesfalls um strenge Vorgaben oder Vorschriften handelt. Unsere Sprache befindet sich in ständigem Wandel und die öffentliche Diskussion um geschlechtergerechte Sprache ist Ausdruck davon. Deshalb kann geschlechtergerechte Sprache gar nicht normiert werden. Die Verwendung geschlechtergerechte Sprache ist auch immer situationsgebunden, es gibt also gar nicht die eine Form. Es geht ja auch darum, die Menschen in den – manchmal noch recht akademischen – Diskurs einzubeziehen, sie zum Nachdenken anzuregen und zu sensibilisieren. Wer aber partout nicht geschlechtergerecht sprechen und schreiben möchte, der wird nicht dazu gezwungen – auch nicht von mir als Gleichstellungsbeauftragte.

Wieso ist Ihnen als Gleichstellungsbeauftragte geschlechtergerechte Sprache besonders wichtig?

Sprache entsteht und besteht nicht im luftleeren Raum, sie ist immer auch Ausdruck von Machtverhältnissen. So wie wir in anderen Bereichen gegen Benachteiligungen und Diskriminierungen kämpfen, ist dies auch in der Sprache wichtig. Sie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse – diese ändern sich oder werden geändert und somit betrifft dies auch die Sprache. Geschlechtergerechte Sprache bezieht sich aber nicht nur auf die Gleichstellung der Geschlechter. Auch Diversität spielt hierbei eine wichtige Rolle, beispielsweise indem wir mit neutralen Formen alle abbilden oder mit dem Doppelpunkt oder dem Gender-Stern explizit Menschen ansprechen, die sich nicht in den binären Geschlechterkategorien männlich/weiblich einordnen.

Die Universität Hamburg hält seit 2019 den Titel einer Exzellenzuniversität. Als Gleichstellungsbeauftragte bin ich der Meinung, dass die Universität auch in einem so wichtigen Querschnittsthema wie Gleichstellung exzellent sein muss.

Mit den Empfehlungen zur geschlechtergerechten Sprache setzt die Universität Hamburg hier ein wichtiges Zeichen.

Dr. Angelika Paschke-Kratzin ist seit 2015 hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte der Universität Hamburg und Leiterin der Stabsstelle Gleichstellung. Im Juni 2021 wurde sie vom Akademischen Senat für eine dritte Amtszeit wiedergewählt. An der UHH vereint die Stabsstelle Gleichstellung strukturell die Bereiche Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und Vereinbarkeit.