Es ist das Jahr 1968, als es auf dem Bundesparteitag der CDU klatscht. Beate Klarsfeld verpasst dem damaligen deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger eine schallende Ohrfeige. Sie ist ein kleiner Teil des Kampfes, den das Ehepaar Klarsfeld gegen Kriegsverbrecher der Nationalsozialisten führt. Pascal Bresson und Sylvain Dorange haben dem Ehepaar jetzt eine Graphic Novel gewidmet.
Beate und Serge Klarsfeld kämpfen für Tausende von Menschen, gegen das Vergessen und das Schweigen. Sie stammt aus Berlin, er wuchs während des zweiten Weltkrieges als Jude in Frankreich auf. Serge ist es, der seiner Frau über die Zeit des Nationalsozialismus berichtet. Er erzählt ihr von seinem Vater, Arno Klarsfeld, der bei einer Razzia von Alois Brunner verhaftet wurde und in Auschwitz umkam. Er berichtet ihr auch von den Geschwistern Scholl und der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“.
Die Ohrfeige für Kurt Georg Kiesinger nach dessen Wahl zum Bundeskanzler ist der erste ‚Erfolg‘, den Beate und Serge Klarsfeld bei ihrer Suche nach ehemaligen hochrangigen Nationalsozialisten für sich verbuchen können. Sie finden die Aufenthaltsorte von einigen von ihnen heraus und sorgen dafür, dass ihre Verbrechen vor Gericht beurteilt werden. Dabei greifen die beiden, auch unterstützt von Freunden, nicht immer auf legale Mittel zurück. So versuchen sie beispielsweise Kurt Lischka aus Deutschland zu entführen, um ihn in Frankreich der Presse vorzuführen und den Behörden zu übergeben. Lischka war zunächst Chef der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei, in Köln und dann Kommandeur der Gestapo in Frankreich.
Ein bisschen wie James Bond – aber real
Nach und nach spüren Beate und Serge Klarsfeld weitere ehemalige Nazis auf, unter ihnen Klaus Barbi, der unter anderem Namen in Lima in Peru lebt und aufgrund seiner Grausamkeit als „Schlächter von Lyon“ bekannt war. Die Klarsfelds sammeln neue Beweise gegen ihn und machen Zeug:innen ausfindig.
Um ihr Ziel zu erreichen und die Kriegsverbrecher vor Gericht zu bringen, reisen Beate und Serge Klarsfeld durch die Welt. Sie werden von Behörden verhaftet oder verhört, geben aber dennoch nicht auf. Auch Drohanrufe, eingeworfene Fenster oder Bomben, die von Neonazis an die Privatadresse der Familie gesendet werden, halten das Ehepaar nicht auf.
Um den „Kampf um die Gerechtigkeit zu führen“, wird Serge Klarsfeld schließlich Rechtsanwalt und vertritt in dieser Funktion 1979 vor dem Landgericht in Köln die Zivilparteien im Prozess gegen Kurt Lischka, Herbert Hagen und Ernst Heinrichsohn.
Eindrückliche Bilder
Die Geschichte von Beate und Serge Klarsfeld und ihrem Kampf für Gerechtigkeit hat das Autorenduo Pascal Bresson und Sylvain Dorange mit sehr klaren Bildern sicht- und lesbar gemacht. Sie zeigen in ihrer Comicbiografie verschiedene zeitliche Ebenen. Die Geschehnisse um und nach 1968, der Ohrfeige von Kurt Georg Kiesinger sind in kräftigen, bunten Farben dargestellt. Erinnerungen, auch von Opfern und Zeugen, sind hingegen in dunklem graugrün oder blau gehalten. Die Vorgeschichte und der Beginn des Kampfes von Beate und Serge Klarsfeld sowie ihr Kennenlernen in einer Pariser Metrostation, sind in einem hellen Beige-Ton gezeichnet. Die Figuren, insbesondere die Gesichter, haben auch mit wenigen Strichen eine ausdrucksstarke Mimik, die die Leser:innen mit hineinzieht in des Leben des Ehepaares.
Neben den Zeichnungen lassen auch die Sprechblasen die Entschlossenheit von Beate und Serge Klarsfeld deutlich werden, ebenso wie die schrecklichen Erinnerungen von Opfern oder Zeug:innen der Verbrechen der Nazis. Aber auch die Liebe der Familie wird in dieser Graphic Novel immer wieder deutlich. Solche Momente können die Leser:innen trotz des ernsten Themas immer wieder zum Lächeln bringen.
Fazit
Mit „Beate und Serge Klarsfeld: Die Nazijäger“ haben die Autoren Pascal Bresson und Sylvain Dorange eine eindrückliche und berührende Graphic-Novel-Biografie geschaffen. Sie zeigt das ereignisreiche und turbulente Leben des Ehepaares, die alles dafür tun, Kriegsverbrecher aufzuspüren und vor Gericht zu bringen und die mit ihrem Engagement ein Zeichen gegen das Vergessen der Verbrechen der Nationalsozialisten setzen. Die Zeichnungen dieses Graphic Novel vermitteln diese Geschehnisse dabei ebenso intensiv, wie die Sprache der Figuren. Dieses Buch ist keines, dass sich schnell nebenbei lesen lässt. Die Geschichte und ihre Darstellung brauchen Zeit, um wirken und gewürdigt werden zu können.
Autoren | Pascal Bresson und Sylvain Dorange |
Verlag | Carlsen Verlag |
Preis | 28,00 Euro |
Seitenzahl | 280 Seiten |