gefragt: „Das Angebot ist so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr“

Das Abaton von außen. Seit dem 1. Juli ist es wieder geöffnet. (Foto: Svenja Tschirner)

Felix Grassmann ist der Betreiber des Abaton-Kinos, das direkt am Campus der Uni Hamburg liegt. Seit dem 1. Juli ist sein Kino wieder geöffnet. Kopfzeile hat mit ihm über den Neustart, spannende Filme und die Veränderungen für Studierende gesprochen.

Kopfzeile: Herr Grassmann, mehrere Monate waren deutschlandweit alle Kinos geschlossen.
Was ist der Gesellschaft durch fehlende gemeinsame Kinoerlebnisse verloren gegangen?

Grassmann: Ich glaube, eine Gesellschaft braucht dringend den sozialen Austausch. Sowohl im Kino als auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens. Wenn dieser Austausch nur virtuell stattfindet, dann ist das leider kein wirklicher Austausch.

Haben Sie in dieser Zeit seitens der Politik ausreichend Unterstützung erfahren?

Insgesamt hat die Politik, egal welcher Partei, sich aus meiner Sicht gut für die Kinobranche eingesetzt. Wenn es die Hilfe nicht gegeben hätte, weiß ich nicht, ob es überhaupt noch Kinos geben würde-Gerade weil das was wir machen ein sehr kostenintensives Geschäft ist.

Felix Grassmann

Seit dem 1. Juli haben deutschlandweit alle Kinos und somit auch das Abaton wieder geöffnet.
Wie verlief ihr Neustart?

Der verlief sehr gut. Bisher waren wir immer gut besucht und oft ausverkauft. Die Leute sind sehr froh, endlich wieder ins Kino kommen zu dürfen. Passend dazu ist das Filmangebot in diesem Sommer so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Normalerweise ist diese Phase des Jahres eine Zeit, in der eher wenige Leute ins Kino gehen und es somit auch nicht viele Filme gibt. Dadurch, dass zu Beginn des Jahres die Oscarfilme und viele weitere Streifen nicht starten konnten, gibt es jetzt ein sehr reichhaltiges Angebot. Alle Filme aus dem wirklich guten Oscarjahrgang kommen jetzt nach und nach ins Kino.

Das Abaton ist als Programmkino bekannt und beliebt.
Werden Sie nach der Neuöffnung trotzdem vermehrt auf Blockbuster für die breite Masse statt auf Programm- und Dokumentationsfilme setzen müssen, weil erstere mehr Zuschauer versprechen?

Nein, wir konzentrieren uns auf Autorenfilme und kleine Filme. Das wird so bleiben. Wir werden weiterhin die Filme auf Grundlage ihrer Regisseurinnen und Regisseure mitsamt ihren Geschichten und nicht nach der möglichst größten Strahlkraft auswählen.

Das Abaton war immer wieder auch ein beliebter Treffpunkt für Studierende. Durch die Pandemie waren die meisten von ihnen jedoch seit Monaten nicht oder sogar überhaupt noch nicht auf dem Unigelände. Wie versuchen Sie Studierende nun wieder für ihr Kino zu begeistern?

Dafür nutzen wir mehrere Kanäle. Wir versuchen über die Website, Facebook und Instagram, aber auch den Newsletter, den wir verschicken, Leute zu erreichen. Außerdem liegt unsere Programmzeitung an 500 Stellen in Hamburg aus. So kann man sich mit geringem Aufwand über das Programm informieren und findet darin eine gute und vielfältige Mischung an Filmen.

Müssen Studentinnen und Studenten mit höheren Eintrittspreisen rechnen, sollten sie wieder ins Abaton gehen?

Nein. Im Gegenteil, wir haben die Spätvorstellungen in der Woche deutlich vergünstigt. Diese kosten jetzt nur noch sechs Euro. In die Sneak-Preview am Dienstag kommt man sogar für nur fünf Euro und kriegt eine Packung Popcorn dazu.

„ ´Der Rausch´ ist mein persönlicher Filmtipp“

Bei vielen Studierenden ist Streaming sehr beliebt.
Während der Coronakrise haben Sie einen Abaton-Streamingservice auf Ihrer Website gestartet. Wird dieser auch nach der Wiedereröffnung des Kinos fortgeführt werden?

Ja, das führen wir fort. Wir haben gemerkt, dass es hilfreich ist auch im Bereich des Streamings präsent zu sein. Es geht sowohl im Kino als auch auf dem Streamingkanal darum, eine verlässliche, anspruchsvolle Filmauswahl zu präsentieren. Diesen Maßstab wollen wir auch in diesem neuen Angebot fortsetzen. Unser Vorteil gegenüber den großen Streamingplattformen ist dabei, dass wir eine kleine Auswahl haben, bei der man sich leicht orientieren und sicher sein kann, dass jeder Film sehenswert ist. Unsere Kinogänger werden auch dort weiter Filme finden, die ihnen gefallen.


Zurück zur großen Leinwand. Auf welche Kinofilme können sich Filmfreundinnen und Filmfreunde bei Ihnen freuen?

Es gibt einmal die Filme, die Oscars gewonnen haben, wie „Nomadland“, „Minari“, „Judas and the Black Messiah“, „Der Rausch“ und im August kommt dann „Promising Young Woman“.
Aber wir haben auch deutsche Filme im Programm, wie „Ich bin dein Mensch“ von Maria Schrader oder „Das Mädchen und die Spinne“. Dann gibt es noch den Gewinner der Berlinale „Bad Luck Banging or Loony Porn“, den ersten Film von Daniel Brühl „Nebenan“ und den ersten Film von Franka Potente „Home“. Es kommt also eine Vielzahl an interessanten und großartigen Filmen, die man alle eigentlich unbedingt im Kino sehen sollte.

Das waren sehr viele gute Filme auf einmal, welchen davon würden Sie persönlich am dringendsten empfehlen?

Das ist ganz klar „Der Rausch“. Der hat den Oscar gewonnen als bester ausländischer Film.
Ein unglaublich lustiger, aber auch sehr berührender Film. Es geht um drei Lehrer, die in der Midlifecrisis stecken und eigentlich keine Lust mehr auf den Job haben. Einer von ihnen liest dann ein Buch eines norwegischen Philosophen, der sagt, „der Mensch ist mit 0,5 Promille zu wenig im Blut geboren und wenn man ständig einen 0,5 Promille hat, ist das Leben viel besser.“ Genau das probiert die Gruppe dann aus. Das Experiment funktioniert so gut, dass sie die Dosis erhöhen wollen. Ein sehr lustiger Ansatz, man kann sich aber auch vorstellen, dass der Alkoholkonsum für die Männer später durchaus dramatische Folgen hat.