gesehen: Ein Sommernachtstraum

Der Elf Puck beobachtet das Treiben einer Gruppe von Handwerkern, die ein Stück für die Hochzeit des Herzogs von Athen proben. (Foto: Kiran West)

Erfüllte, überbordende Liebe ist mit Sicherheit das schönste Gefühl, das es gibt. Ist sie aber unerfüllt, ist der Schmerz nur schwer zu ertragen. Also was ist zu tun, um die auserwählte Person für sich zu gewinnen?  William Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ beschreibt Irrungen und Wirrungen von Liebenden. John Neumeier hat zu diesem Stück ein Ballett choreografiert und es während des Winters als DVD produziert. Der Film wurde nun in der Staatsoper vorgestellt.

Es geht hoch her im Zimmer von Hippolyta (Anna Laudere), der zukünftigen Herzogin von Athen. Belgeitet von der Ouvertüre aus Felix Mendelssohn Batholdys „Ein Sommernachtstraum“ befindet sie sich in den letzten Vorbereitungen für ihre Hochzeit mit Theseus (Edvin Revazov). In ihrem Zimmer wimmelt es von Hofdamen, unter ihnen sind auch Hermia (Madoka Sugai) und Helena (Hélène Bouchet), Freundinnen der Braut und beide verliebt. Hermia liebt Lysander (Jacopo Bellussi), den Gärtner am Hofe, Helena liebt Demetrius (Karen Azatyan), einen Offizier. Dieser jedoch ist ebenfalls in Hermia verliebt und versucht ständig, sie zu umwerben, als sie und Lysander innig miteinander tanzen. Helena hingegen stellt sich Demetrius immer wieder in den Weg, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Lysander gibt seiner Hermia einen Brief mit der Bitte um ein nächtliches Stelldichein im Wald. Sie verspricht zu kommen, lässt aber den Brief fallen, den die eifersüchtige Helena findet und Demetrius zeigt.

Als Hippolyta schließlich wieder allein in ihrem Zimmer ist, zweifelt sie an ihrem zukünftigen Ehemann, da sie seine Flirts mit den Hofdamen mitbekommen hat. Auch sie findet Lysanders Brief an seine Liebste, liest ihn und schläft schließlich, mit Brief und Rose in der Hand ein und träumt unruhig.

Eine andere Welt

Die Szenerie wechselt in den Wald und zu dessen magischen Bewohner:innen. Damit ändert sich auch die Musik, es erklingt ein Werk von György Ligeti. Die Feen und Elfen tragen helle, teils schimmernde Gewänder und sind so ganz anders als die Menschen in ihrer höfischen Alltagskleidung. Sie tanzen meist in Gruppen und mit großen, fließenden und manchmal eher eckigen Bewegungen, die dennoch grazil und geschmeidig wirken. Ihre Herrscher:innen sind Titania (Anna Laudere) und Oberon (Edvin Revazov). Diese beiden liegen jedoch in Streit miteinander, wobei tänzerisch deutlich wird, dass sich beide in ihrer Macht ebenbürtig sind. In seinem Zorn befiehlt Oberon seinem Vertrauten Elf Puck (Alexandr Trusch), Titania einen Streich zu spielen.

Nun betreten nacheinander die vier Liebenden den Wald. Die Menschen bewegen sich in Anwesenheit der Elfen und Feen in Zeitlupe, was die Wendigkeit und Schnelligkeit dieser Geschöpfe ebenfalls betont. Oberon beobachtet die vier und hat Mitleid mit der unglücklich verliebten Helena. Daher beauftragt er Puck, bei Demetrius einen Liebeszauber anzuwenden. Puck jedoch verwechselt die Männer und so läuft plötzlich Lysander hinter Helena her. Oberon bemerkt den Irrtum und will ihn korrigieren lassen, sodass sich auch Demetrius in Helena verliebt. Inzwischen aber versteht Hermia die Welt nicht mehr.

Ein Schelm und ein Esel

Puck hat bei dem ganzen Hin und Her sichtlich großen Spaß, tollt durch den Wald und freut sich an seine Streichen ebenso wie an Helenas Haube und Brille, die er findet und an sich nimmt. Um dem Befehl seines Herren zu gehorchen und Titania einen Streich zu spielen versucht er sich an einer Gruppe von Handwerkern, die im Wald für ihre Aufführung von „Pyramus und Thisbe“ auf der Hochzeit des Herzogs proben. Dem lautesten und eingebildetsten der Truppe, Zettel (Marc Jubete), zaubert er Eselsohren. Titania verliebt sich durch den Zauber der Liebesblume in diesen Esel und entführt ihn in ihr Reich.

Oberon hat von Pucks Streichen und Verwechslungen aber langsam genug. Nachdem er ihn für seine Dummheiten heftig gescholten hat, soll Puck nun alles wieder richten. Dabei stiftet er jedoch noch mehr amüsantes Chaos.

Ebenso unterhaltsam wie Puck und sein Schabernack sind auch die Handwerker. Die sechs Tänzer stellen diese und ihr mangelndes darstellerisches Talent mit ausgefeilter, humorvoller Tollpatschigkeit und einem fröhlichen Augenzwinkern dar.

„Eine Idealbesetzung“

Dadurch, dass diese Ballett eine Filmproduktion ist, kommen die Zuschauer:innen den Tänzer:innen des Hamburg Ballett John Neumeier auf einmal viel näher und können in die magische Welt des Sommernachtstraums eintauchen, ohne dafür in die Oper gehen zu müssen. „Teil dieser wunderbaren Produktion zu sein, war eine besondere Erfahrung und ist eine Erinnerung fürs Leben. Zudem haben wir den Film während der Pandemie gedreht, zu einer Zeit, in der wir das Publikum durch unseren Tanz nicht erreichen konnten. Für uns war es daher eine wundervolle, große Sache“, sagt Anna Laudere, die Titania und Hippolyta tanzt.

Anders als sonst bedeute eine solche Filmproduktion für die Tänzer:innen viele Wiederholungen, ergänzt Alexandr Trusch, der Darsteller des schelmischen Puck. „Normalerweise haben wir nur eine Chance. Wir haben die Proben, dann geben wir bei der Vorstellung unser Bestes.“

Aber auch die Rezeptionssituation des Publikums ist eine andere. „Das Schöne an diesem Film ist, dass das Publikum sehr wichtige Momente nicht verpassen kann und dass die Charaktere durch die Close-Ups auf Gesichter oder Gesten sehr nah und intim gezeigt werden. Aber „andererseits kann man nicht wählen, was man sieht“, erklärt Edvin Revazov, Tänzer von Theseus und Oberon. „In einer Live-Vorstellung kann das Publikum sich immer entscheiden, wo es hinschauen möchte.“

In der Tat vermitteln die Close-Ups und Schnitte des Films einen sehr detailreichen Einblick in die Mimik und Gestik der Tänzer:innen. Der Choreograf John Neumeier hatte lange gewartet, eines seiner Ballette als Film zu produzieren, wie er vor der Vorstellung erzählt. „Ich suchte eine Idealbesetzung“, so der Choreograf. Diese habe er mit dem Hamburg Ballett gefunden.

Fazit

Die Verfilmung von John Neumeiers Sommernachtstraum nimmt das Publikum mit auf eine Reise in eine andere Welt, voller Liebe und Magie aber auch Schabernack. Die verschiedenen Gefühle und Erlebnisse der Held:innen dieses Balletts werden nicht nur von den Tänzer:innen klar und einfühlsam dargestellt, sondern auch von den Kameras geschickt eingefangen. Besonders unterhaltsam sind die Handwerker und ihr Theaterstück sowie Pucks Streiche. Sie bereichern das Ballett um humorvolle Elemente. Durch diese, den Tanz und die Musik ist diese Aufnahme eine gelungenen DVD, durch die man einen ereignisreichen Ballettabend jederzeit und fast überall genießen kann.

Darsteller:innenEnsemble des Hamburg Ballett John Neumeier
Choreografie und InszenierungJohn Neumeier
Bühnenbild und KostümeJürgen Rose
Preis der DVD28,00 Euro

Weitere Informationen zu der DVD findet ihr hier und zum Stück hier. Die nächste Live-Vorstellung von „Ein Sommernachtstraum findet am 25. Juni 2021 statt.