gefragt: Für einen Kuss muss man auf einmal Umwege gehen

Axel Schneider, Intendant der Privattheatertage, sprach mit Kopfzeile über Theater und neue Inszenierungen. (Foto: Lahola)

Endlich öffnen Theater, Konzerthäuser und Kinos ihre Pforten und können das lang vermisste Publikum wieder begrüßen. Pünktlich zu den Öffnungen finden in Hamburg auch die Privattheatertage statt. Kopfzeile hat sich mit dem Intendanten und Initiator Axel Schneider getroffen und mit ihm über Ziele und besondere Formen der Kreativität gesprochen.

Kopfzeile: Die Entscheidung, dass die diesjährigen Privattheatertage stattfinden können, kam recht kurzfristig. Wie haben Sie sich gefühlt als Sie erfuhren, dass es wieder losgeht?

Axel Schneider: Ich habe natürlich die ganze Zeit gehofft, insofern hatten wir einen Plan B in der Tasche. Die Privattheatertage noch einmal zu verschieben, wäre eine Möglichkeit gewesen – wenn auch eine unglückliche. Auf dieses Datum haben wir nun schon seit einigen Monaten hingearbeitet, dass es jetzt losgehen kann, macht uns einfach nur glücklich. Dadurch konnten auch alle zwölf Theater mit den gleichen Ensembles antreten, die vor einem Jahr eigentlich schon antreten wollten.

Das heißt, bei den diesjährigen Theatertagen treten die gleichen Ensembles auf, die 2020 hätten spielen sollen, dann sind vermutlich auch die Stücke dieselben geblieben?

Richtig, wir haben vor einem Jahr wirklich alles versucht, um die Privattheatertage live zu erhalten, dann per Stream und dann im Endeffekt haben die Theater doch gesagt, all das, wofür wir eigentlich eingeladen waren, jetzt neu zu inszenieren, führt zu weit. Vor einem Jahr war so etwas ja noch ein Novum. Jetzt, ein Jahr später, haben wir Übung darin, wir sind gewohnt, die neuen Stücke in diesem Sinne zu inszenieren oder schon bewährte Stücke noch einmal neu zu inszenieren. Ich habe das selbst als Regisseur ein paarmal gemacht. Jetzt ist es sozusagen gar kein Problem mehr und die große Kunst ist in diesen Tagen, dass das Publikum gar nicht merkt, dass da auf Abstand et cetera inszeniert wurde.

Um bei den Privattheatertagen spielen zu können, bewerben sich Theater aus ganz Deutschland, deren Stücke dann von einer Jury bewertet werden. Gab es denn auch für die Theatertage dieses Jahr Bewerbungen, obwohl die Ensembles, die letztes Jahr feststanden, spielen?

Die zehnten Privattheatertage werden auf nächstes Jahr verschoben. Es gab ganz viele Bewerbungen, aber die konnten ihre Stücke gar nicht zeigen. Wir haben eine Reise-Jury wieder neu angesetzt. Wir wollen deswegen zum ersten Mal diese – ich nenne es Teilsaison – dieses Jahr verbinden mit der nächsten Saison und dann im Juni 2022 wird die Jury der nächsten Saison die Stücke aus beiden Spielzeiten zusammen einladen. Das ist ein Novum, aber das liegt daran, dass Corona-bedingt dieses Jahr fast nichts stattgefunden hat und daher nicht angesehen und beurteilt werden konnte.

Sie haben 2012 die Privattheatertage als Initiator und Intendant ins Leben gerufen. Was hat Sie dazu inspiriert?

Ich bin jetzt 26 Jahre Intendant, da sieht man viel in Theaterdeutschland und das Theaternetzwerk ist gut. Ich habe irgendwann gedacht, dass es eigentlich sehr schade ist, dass in vielen Theatern ein Stück manchmal nur zehnmal gespielt wird und es dann schon wieder vorbei ist mit der ganzen Arbeit und wochenlangem Proben. Ich finde, dass diese Stücke noch ein ganz anderes Forum brauchen, um gesehen, vielleicht auch goutiert und weitergespielt zu werden. Es haben sich in diesen zehn Jahren oft auch Theaterfreundschaften und Kooperationen ergeben. Also ich glaube, das Netzwerk hat sich in Privattheaterdeutschland stark verdichtet durch die Privattheatertage und genau das war auch damals schon mein Ziel.

Gibt es dieses Jahr unter den Stücken ein besonderes Highlight für Sie?

Wie ein guter Vater seinen Kindern gegenüber finde ich alles toll. Das meine ich ehrlich, weil die Stückauswahl ihren Grund hat. Die Jury hat wirklich exzellent gearbeitet, es sind alles sehenswerte Stücke. Der Rest ist dann Geschmackssache. Ich freue mich sowieso auf alles und das Spannende ist, dass sich alle Produktionen hier in einem neuen Raum bewähren müssen. Sie sind alle in einem für sie fremden Theater untergekommen und da geht es sowieso am Ende noch um eine spezielle Atmosphäre und wie die erstellt wird und wie das hier rüberkommt. Und nur das wird bewertet.

Wie sah die Zusammenarbeit mit diesen zwölf verschiedenen Ensembles in der Corona-Zeit aus?

Für die Theater war natürlich ganz wichtig zu wissen, ob die Privattheatertage auch wirklich stattfinden. Denn die Schauspieler arbeiten alle als freie Schauspieler, die haben wirklich ein hartes Jahr hinter sich. Sie mussten natürlich immer wieder angefragt und darum gebeten werden, sich die Termine freizuhalten.

Wir waren im engen Austausch mit den Theatern. Mit Hilfe des Bundes und der Stadt Hamburg durften wir das Festival verschieben. Normalerweise ist es nicht so einfach, Mittel und Zuschüsse verschieben zu können. Dass das geklappt hat, war natürlich der Türöffner, die Privattheatertage jetzt nachzuholen und das alles haben die zwölf eingeladenen Theater ganz toll mitgemacht.

Würden Sie auf bestimmte Erfahrungen aus der jetzigen Zusammenarbeit während der Corona-Zeit auch bei künftigen Organisationen wieder zurückgreifen?

Es war schon auch eine besondere Form der Kreativität, die da gefordert war. Wenn man beispielsweise etwas mit einem Kuss inszenieren soll, weil ein Paar gleich heiratet, das wegen Corona aber nicht funktioniert, der Kuss nicht gespielt werden kann, dann muss man auf einmal Umwege gehen. Das verführt und führt dazu, dass man andere Formen der Zuspitzung und der Überhöhung findet. Ich würde sagen, man nimmt immer etwas mit, aus Gutem wie aus Schlechtem.

Können Sie denn schon etwas zur Nachfrage nach Karten der diesjährigen Privattheatertage sagen?

Es scheint, als hätten die Leute darauf gewartet. Innerhalb von zwei Tagen war fast alles ausgebucht. Jetzt kommt auch noch die Information dazu, dass der Senat wahrscheinlich das Schachbrettmuster bei der Platzverteilung erlaubt, sodass man sogar noch Karten nachbestellen kann, die bisher gar nicht im Verkauf waren. Die Leute haben auf jeden Fall noch Chancen, Karten zu bestellen, jetzt ginge es Richtung ausverkauft.