Einfach einmal wieder den Kopf frei bekommen – das ist der Wunsch des jungen Alex. Ein spontane Reise nach Brüssel reißt ihn aus der Lethargie seiner Depression, in die ihn Liebeskummer gestürzt hat. Über eine Mitfahrzentrale im Internet sucht er eine:n Befahrer:in. Mit der Begleitung, die dann zu ihm ins Auto steigt, hat er nicht gerechnet.
Denn die Fahrt geht mit Verwirrungen und falschen Vorstellungen los. Unter dem Profil der Person, die ihn begleiten wird, Max, hatte Alex sich einen Autoschrauber vorgestellt. Max hingegen dachte, Alex sei ein Mädchen.
Somit warten die beiden zunächst ungeduldig auf den jeweils anderen, beide an der verabredeten Adresse. Denn Alex ist eben ein Junge, blass, dünn, mit tiefen Augenringen und Mitte Zwanzig. Max hingegen heißt eigentlich Maxine, ist über neunzig und haut mit Alex‘ Hilfe und ohne dessen Wissen aus dem Altenheim ab.
Nachdem das erste Missverständnis aus dem Weg geräumt ist, folgt gleich das nächste. Aufgrund seines müden und mitgenommenen Aussehens hält Maxine Alex für drogensüchtig. Nicht maulfaul will sie sein Leben unbedingt auf die richtige Bahn lenken und spricht ihn direkt auf den vermeintlichen Drogenkonsum an, worauf hin Alex sie für eine Dealerin hält.
Nachdem auch das geklärt ist, öffnet sich Alex gegenüber Maxine und berichtet ihr von seiner Depression und den Gründen dafür. Ganz überrascht von sich selbst bemerkt er, dass er dieser alten Dame mehr von sich erzählt als seinen Eltern oder seinem Psychiater. Maxine beschließt daraufhin, dem Jungen die Freude am Leben wiederzugeben und ihn von seiner Depression zu heilen – und zwar auf der Autofahrt nach Brüssel.
Ein bisschen wie Bonny und Clyde
Alex will nun auch endlich herausfinden, was seine muntere, beherzte und intelligente Begleiterin in Brüssel will. Nachdem sie lange gemauert hat, erklärt Maxine ihm, sie habe Alzheimer und wolle, bevor die Krankheit sie einzuschränken beginnt, Sterbehilfe in Brüssel in Anspruch nehmen, um ihrem Leben in Würde ein Ende zu setzen. Alex ist entsetzt und beschließt seinerseits, Maxine von diesem Vorhaben abzubringen.
Als die beiden während ihrer Fahrt im Radio hören, dass Alex verdächtigt wird, Maxine aus dem Altenheim entführt zu haben und zudem wegen seines Aussehens (erneut) für drogensüchtig gehalten wird, haben die beiden plötzlich nicht nur die Mission, sich gegenseitig aufzubauen beziehungsweise vom Selbstmord abzuhalten, sie müssen auch noch vor der Polizei fliehen. Das gelingt ihnen erstaunlich gut, egal, ob sie Alex bei Prada neu einkleiden, einen Tankstellenraub vereiteln, im Pub beim Karaoke glänzen oder auf dem Jahrmarkt aus dem Wohnwagen einer Wahrsagerin fliegen. Irgendwie schaffen sie es, dass keiner der anderen jeweils Anwesenden sie erkennt, während die Nachrichten und die Ordnungshüter Alex als Entführer verurteilen.
Und ein bisschen wie Harold und Maude
Die Abenteuer, die die beiden auf ihrer Fahrt erleben, schweißen sie nicht nur sehr eng zusammen, sie sind auch warmherzig und unterhaltsam beschrieben. Maxines Handtasche, die bei allen Erlebnissen nicht fehlen darf, erinnert dabei sehr an den Beutel des Kängurus aus Marc Uwe Klings Känguru-Trilogie. Die Autorin Zoe Brisby schafft es, die Erlebnisse Maxines und die Gedanken und Gefühle von Alex in einem manchmal traurigen und anrührenden, manchmal äußerst munteren Ton zu schildern. Die verschiedenen Vorurteile, die die beiden zunächst gegeneinander haben, können die Leser:innen dabei ein ums andere Mal zum Schmunzeln bringen, während andere Passagen des Buches eher nachdenklich stimmen.
Der Charakter von Alex und besonders der von Maxine sind dabei einnehmend dargestellt, sodass man sich manchmal als Dritter im Bunde der Ausreißer fühlt.
Fazit
„Reise mit zwei Unbekannten“ ist ein abwechslungsreicher Feelgood-Roman, der aber auch berührende Elemente in sich trägt und die Leser:innen daran erinnern kann, nicht aufgrund von Äußerlichkeiten über andere zu urteilen. Die teils verwegenen Abenteuer, die die beiden Protagonist:innen erleben sind ebenso skurril wie unterhaltsam. Dabei stört es kaum, dass manche Elemente ein wenig unrealistisch sind, wie etwa, dass Alex und Maxine lange nicht erkannt werden, während Beschreibungen und Fotos ständig in den Nachrichten zu hören und zu sehen sind. Das Buch bietet Lesefreude für alle, die mit munterer Lektüre einen Roadtrip genießen wollen.
Autorin | Zoe Brisby |
Verlag | Lübbe eichborn |
Preis | 18,00 Euro |
Seitenzahl | 415 Seiten |