gelesen: „Wenn wir die Meere retten, retten wir die Welt“

Es ist noch nicht zu spät, das weite Blau das Meeres auf unserem Planeten zu retten. Heike Vesper gibt in ihrem Buch Tipps, was jede und jeder Einzelne tun kann. Foto: Rowohlt Verlag

Überfischung, Klimakrise, Artensterben und Verschmutzung durch Plastik: Der Zustand der Meere ist besorgniserregend. Die WWF-Direktorin Heike Vesper macht in ihrem Buch deutlich, dass Meeresschutz höchste Priorität haben sollte und fordert ein sofortiges Handeln von Industrie, Politik und jedem und jeder Einzelnen.

Es ist ihre Liebe zum unendlichen Blau, zu Walen, Oktopussen, Korallenriffen, Mangrovenwäldern und der Rauheit der Nordsee, die Heike Vesper antreibt, für den Meeresschutz zu kämpfen. Ihre Erlebnisse und Erkenntnisse als Meeresbiologin hat sie in ihrem Buch „Wenn wir die Meere retten, retten wir die Welt“ zusammengefasst. Auf knapp 250 Seiten spricht sie über zentrale Gefahren, die das Gleichgewicht der Ozeane bedrohen und erklärt, welche Maßnahmen zum Schutz der Meere nötig sind.

Überfischung

Ein Fischbrötchen auf dem Markt, ein edles Zanderfilet im Restaurant oder günstige Fischstäbchen aus der Gefriertruhe: Fisch ist für die meisten ein selbstverständlicher Bestandteil unserer Ernährung. Etwa 14 Kilo Fisch pro Kopf isst jede*r Deutsche jährlich. Doch viele Fischbestände sind am Limit, mehr als ein Drittel sind überfischt, schreibt Vesper. Schifffahrt, Aquakulturen und radikale Fangmethoden, die Meeresböden umpflügen und für Jahrzehnte zerstören, bedrohen den Fischbestand in den Weltmeeren.

Vesper gibt Tipps, was jede*r tun kann: Fische als begrenzte Ressource ansehen und höchstens einmal in der Woche heimischen Fisch verzehren. Zuchtfische aus Aquakulturen wie der Pangasius sind ein No-Go. Stattdessen auf Bio- und Umweltsiegel wie das MSC-Siegel achten.

Plastik

Plastik gibt es sogar in Lebensräumen, in die Menschen noch nicht vorgedrungen sind. Durch Geisternetze, Abwässer und Vermüllung gelangt Plastik in die Meere – und in Lebewesen. 97 Prozent der gestrandeten Eissturmvögel an der Nordsee haben laut Umweltbundesamt Plastik im Magen. Sechs Mal könnten wir unseren gesamten Erdball mit Plastikfolie umwickeln, so viel Kunststoff wurde seit Beginn der industriellen Plastikproduktion in den 1950er-Jahren hergestellt. Die Meere von der Verschmutzung zu befreien, ist nicht so einfach. Trotz neuester Erfindungen wie Pumpen und kammähnlichen Geräten, die kleinste Plastikteilchen entfernen sollen, werden die Ozeane noch jahrhundertlang voller Kunststoffe bleiben, schreibt Vesper.

Auch hier hat sie Ratschläge: Auf Kosmetik ohne Mikroplastik achten, Verpackungsmüll vermeiden, auf Fast-Fashion wie billige Synthetik-Pullover verzichten oder an sogenannten Coastal Clean Ups teilnehmen. Die Aufräumaktionen werden weltweit von etlichen Verbänden, Vereinen und Initiativen organisiert. Oder man schnappt sich selbst einen Beutel und Handschuhe und legt los.

Früher glaubten wir, wir könnten dem Meer keinen Schaden zufügen. Wir glaubten, das Meer sei schlicht zu groß dafür. Aber dem ist nicht so. Deswegen ist es unsere Aufgabe, das Gleichgewicht wiederherzustellen“

Heike Vesper, WWF-Direktorin und Meeresbiologin

Klimakrise

Verschluckt hätten wir uns, an unseren eigenen Eskapaden, schreibt Vesper. Jahrzehntelang hat uns das Meer einen großen Dienst erwiesen und seit Beginn der Industrialisierung Tonnen an CO2 aufgenommen, die durch Verkehr, Kohlekraftwerke und Fabriken in die Atmosphäre gepumpt wurden. Nun werden die Konsequenzen deutlich: Erwärmung der Wassertemperatur, Übersäuerung der Ozeane und zerstörte Nahrungsketten, um nur ein paar von sehr vielen weiteren Problemen zu nennen. Millionen von Tierarten sind durch den Verlust von Lebensräumen vom Aussterben bedroht. Besondere Sorge macht Vesper der Ketteneffekt: Stirbt eine Tierart oder Pflanze, kann das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht geraten und andere Arten können ebenfalls verschwinden. So ist es zum Beispiel bei einem der größten Raubtiere der Meere, dem Hai: Er verfängt sich in Fischernetzen und wird als unnützer Beifang weggeworfen. Heute stehen elf Hai-Arten auf der Roten Liste für bedrohte Tierarten: Stirbt er, können sich kleinere Fische ungehindert ausbreiten, die wiederum kleinere Meereslebewesen verspeisen, welche ihrerseits etwa für die Reinigung der Ozeane zuständig wären. So schließt sich der Kreislauf, der am Ende auch den Menschen schadet.

Vespers Anregungen: Lösungen, um den Klimawandel aufzuhalten, sind komplex. Hier zählen vor allem politische Maßnahmen, die den globalen CO2-Ausstoß begrenzen. Doch auch wir können mit unserem Konsum- und Lebensverhalten ein Zeichen setzen und unseren CO2-Fußabdruck verringern: Regionale und pflanzliche Lebensmittel kaufen, nachhaltig produzierte Produkte wählen und weniger Flug- und Autoreisen sind wichtige Schritte zu Klimaneutralität. Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern im Kleinen zu beginnen und dort anzusetzen, wo es leichtfällt, das ist Vespers Apell.

Gibt es Hoffnung?

Die Probleme, die die Meeresbiologin anspricht, hören sich groß und unvermeidbar an. Und doch macht Vesper Hoffnung, dass es noch nicht zu spät ist. Die Selbstheilungskräfte der Natur könnten helfen, den bisher angerichteten Schaden zu kompensieren: Seegras- und Salzwiesen können CO2 einlagern, Dünen schützen vor ansteigendem Meeresspiegel und Wattbewohner säubern den schlickigen Boden und versorgen ihn mit Sauerstoff. Damit die natürlichen Schutzfunktionen greifen können, müssen wir die Natur in Ruhe ihre Arbeit machen lassen. Vesper fordert eine Vollbremsung, um den Treibhausgasausstoß so schnell wie möglich zu reduzieren. Denn nur eine gesunde Natur ermöglicht zukünftiges Leben auf dem Planeten.

Umdenken und sich über den eigenen Einfluss auf das wertvolle Gleichgewicht der Weltmeere bewusstwerden, dazu regt Vespers Buch an. Verträgliche Fangmethoden, klare Obergrenzen für die Fischerei, Plastikverbote und gesetzlich festgelegte Schutzzonen müssen jedoch von der Politik vorgeschrieben und der Industrie anerkannt werden. Dafür ist es höchste Zeit, betont Vesper, denn: „Mit der Natur kann man nicht verhandeln.“

AutorinHeike Vesper
VerlagRowohlt Taschenbuch
Preis16,00 Euro
Seitenzahl256 Seiten