Im Cockpit eines Flugzeugs sitzen und es abheben lassen – das ist einer der größten Wünsche von Julius Sattler. Doch die Corona-Pandemie macht ihm und vielen anderen angehenden Pilot*innen einen Strich durch die Rechnung. Schließlich fliegt während einer Pandemie kaum noch jemand und die Fluggesellschaften brauchen weniger Personal.
Julius Sattler gehört zu denen, die nun einer ungewisseren Zukunft entgegensehen. Davon lässt er sich aber nicht entmutigen und verfolgt seinen Traum vom Fliegen weiter. Der gebürtige Leipziger war schon immer an Dynamik und Transport interessiert, am liebsten, wenn das Transportmittel nicht fährt. Ob Gondel oder Flieger, das war ihm ganz gleich – Hauptsache in der Luft. „Mit etwa sieben Jahren habe ich einen Rundflug über Leipzig gemacht, das hat mich sehr fasziniert und war mein erstes Flugerlebnis“, sagt Julius Sattler. Als er dann zum ersten Mal in einem Passagierflugzeug saß, da habe ihn irgendwas gepackt und bald war klar, dass er Pilot werden möchte.
Mit Flugreisen kennt Sattler sich auch aus, denn Teile seiner Schulzeit verbrachte er nicht im Klassenzimmer sondern auf Konzertreisen in der ganzen Welt. Als Sänger des Leipziger Thomanerchores, den vor allem Johann Sebastian Bach berühmt machte, reiste er regelmäßig um die Welt und begann in der fünften Klasse auf sein Ziel, Pilot zu werden, hinzuarbeiten. Etwa durch Praktika.
Die Hinweise von Bekannten, er solle wegen seiner schönen Stimme eine Gesangskarriere verfolgen, und eine zunächst im Sande verlaufene Bewerbung bei der Lufthansa konnten ihn nicht von seinem Wunsch abbringen. „Je älter man wird, desto mehr stellt man fest, dass einem das Lebenskonzept als Pilot gefällt und das Unterwegssein, die Verantwortung, die man hat und das gesamte Arbeitsumfeld, dass das zu einem passt“, so Sattler.
Wie Iron Maiden?
Trotzdem habe er manchmal über eine Kombination von Gesang und Fliegen nachgedacht. Schließlich könnte man sich und die anderen auch als Sänger oder Teil eines Ensembles von Konzert zu Konzert fliegen. „Iron Maiden macht das. Der Sänger, Bruce Dickinson, hat auch einen Pilotenschein und fliegt die Band durch die Gegend, mit richtig dicken Fliegern“, erklärt Sattler. Aber dafür müsse man auch sehr erfolgreich sein. „Man könnte natürlich auch als Pilot eine der Bordansagen singen“, überlegt er und schmunzelt.
Vor etwas mehr als zwei Jahren konnte er seine Pilotenausbildung bei der Lufthansa beginnen. Die Flugschule schickte ihre Schüler aber mit Beginn der Corona-Pandemie wieder nach Hause und unterbrach schließlich die Schulung der Pilot*innen in Ausbildung. Deswegen nahm Sattler sein Studium des Schwebens wieder auf: Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Luft- und Raumfahrttechnik in Dresden. Er hatte es für die Pilotenausbildung unterbrochen, aber dann unter den neuen Corona-Bedingungen wieder aufgenommen.
Sommer, Sonne und Distanz
Der neue Einstieg ins Studium fiel ihm wegen der Pandemie-bedingten, veränderten Umstände schwer. „Letztes Semester hatten wir keine Onlinevorlesungen, nur die Skripte. Wir mussten das ganze Semester nur mit Skripten machen, das hat mich demotiviert“, sagt Sattler. Zudem habe es einen Wechsel bei einer der Professuren und Chaos gegeben, letzteres auch aufgrund der Pandemie. Das größte Problem sei aber gewesen, dass er keine Kommiliton*innen um sich hatte, mit denen er in der Mensa über Probleme habe sprechen können. „Man ist da tatsächlich auf sich allein gestellt gerade.“ Aber glücklicherweise sei es Sommer gewesen und man konnte auch mal draußen im Garten was machen, ergänzt er.
Insgesamt habe er mit zwei bis drei Kommiliton*innen noch regelmäßigen Kontakt, zu den anderen eher sporadischen. Die Studierenden tauschten sich immer wieder über verschiedene Dinge aus und gäben sich Hinweise, beispielsweise für Jobs. „Es beläuft sich hauptsächlich darauf, dass wir uns sagen, was wir so machen, wo man sich so bewirbt“, sagt Sattler. Auch wenn dieser Austausch weniger geworden sei, habe er zu manchen einen engen freundschaftlichen Kontakt.
Im Wintersemester 2020/2021 sei es alles in allem auch deutlich besser gelaufen mit den immer noch Corona-bedingten Onlinevorlesungen und die Professor*innen helfen ihren Studierenden immer weiter, unter anderem mit Kontakten zu Unternehmen.
Auch sonst findet Sattler, dass dieses digitale Wintersemester in Corona-Zeiten manchen Vorteil birgt. „Ich muss nicht so früh aufstehen für eine Vorlesung wie sonst, kann vieles auch selbst einteilen, weil gut die Hälfte der Vorlesungen aufgezeichnet wird und kann arbeiten gehen.“ Außerdem könne er sich die aufgenommenen Veranstaltungen so oft anhören, wie er wolle und Prüfungshürden seien gesunken. Am wichtigsten ist aber: „Man hat unwahrscheinlich viel Zeit mit der Familie.“
Let’s fly again
Mit seinem Ingenieursabschluss könnte Sattler später im Projektmanagement eines Luftfahrtunternehmens arbeiten. Das ist auch sein Plan B, wenn es mit dem Pilot-Werden nicht funktionieren sollte. Aber an diesem Wunsch hält er unerschütterlich fest, denn er findet: „Das Bändigen dieser Kraft, sich zu überlegen, dass man etwas so weit nach oben bringt und das dann auch noch im Griff hat, das ist das Beste.
Der Beste Moment ist der, wenn beim Start die Flügel aufgehen, das ist das Tollste – immer.“
Julius Sattler
Durch die Corona-Pandemie sei die Perspektive für angehende Pilot*innen derzeit aus verschiedenen Gründen sehr schlecht, sagt Sattler. „Das Wachstum, das die Luftfahrt vorhergesehen hat, ist in den letzten Monaten ausgeblieben. Teilweise gab es einen Einbruch der Nachfrage von 95 bis 96%. Dieser Stillstand ist unvorstellbar.“
Zudem könne niemand sagen, wann es mit den Reisen wieder losgeht, weder die Fluggesellschaften noch Aktionär*innen oder Politiker*innen. „Es gibt immer mal wieder einen Boom und dann eine Wirtschaftskrise und die Luftfahrt ist immer eine der ersten Branchen, die darauf reagiert“, sagt Sattler. Die Perspektiven würden durch den Impfstoff besser, aber ein guter Neustart werde sich noch eine ganze Weile hinziehen, sagt er.
„Wenn es dann wieder anzieht, werden zunächst die, die aktuell keinen Job haben, wieder gebraucht, weil die durch ihr Alter mehr Erfahrung mitbringen.“ Außerdem gäbe es derzeit einen Personalüberhang bei manchen Fluggesellschaften, die unter anderem mit Kurzarbeit ausgeglichen würden. Sattler geht davon aus, dass zunächst diese Beschäftigten wieder auf Vollzeit gebracht würden und erst danach die jungen Piloten folgen. Und: „Wir sind sehr viele, weil zu Zeiten angeheuert wurde, in denen sehr viele gebraucht wurden. Und die stehen jetzt alle in den Startlöchern.“
Mit als Erste an der Reihe
Aber Sattler ist sich auch sicher, dass ein Neustart, wenn er dann kommt, nicht schleichend, sondern sehr schnell passieren wird und dann müsse schnell reagiert werden. „Ich denke, deutlich länger als drei bis fünf Jahre dauert das nicht. Aber das wird dann noch lange nicht das Vorkrisenniveau erreichen“, sagt er.
Und auch bezüglich junger Pilot*innen ist sich Julius Sattler sicher: „Die, die jetzt ganz frisch einen Arbeitsvertrag haben, die haben noch eine Perspektive, weil sie einen Job haben und das auch mit den Gewerkschaften ganz gut geregelt ist.“
Diejenigen, die mit ihrer Ausbildung fertig sind und die, die aktuell noch ausgebildet werden, hätten etwa die gleichen Chancen, schätzt er. Zumindest seien sie nach den derzeit arbeitslosen Pilot*innen die Ersten, die an die Reihe kommen, wenn wieder eingestellt wird, sagt Sattler.
Er ist überzeugt:
„Wenn jemand Pilot*in werden will, ist das trotzdem noch möglich. Es dauert nur etwas länger und ist ein bisschen aufwändiger.“
Julius Sattler
Aus dieser Überzeugung heraus verfolgt Sattler sein Ziel, Pilot zu werden, weiter. Im Moment studiert er und wird in etwa eineinhalb Jahren seinen Ingenieursabschluss machen. In jedem Fall will er in einem Beruf arbeiten, bei dem er reisen kann. Ob als Pilot oder Projektmanager wird sich dann zeigen.