Ein Tierpark ist ein Ort, den man egal welcher Altersgruppe, besuchen kann. Üblicherweise tut man das vor allem als Kind, denn wo kann man sich sonst so viele Tiere verschiedener Art anschauen? Doch wie geht man damit um, wenn man plötzlich erfährt, dass in genau demselben Zoo nicht nur Tiere, sondern auch Menschen ausgestellt wurden?
Jedes Kind, das in Hamburg aufwächst, besucht einmal den Tierpark Hagenbeck. Ich gehöre zu diesen Kindern und wenn ich mir alte Bilder anschaue, finde ich mich im Zoo wieder. Freund*innen feierten dort ihren Kindergeburtstag, mit meinem Hort oder auch der Schule haben, wir Ausflüge dorthin unternommen. Man verbindet keine negativen Gefühle mit diesen Erinnerungen, warum auch, denn gefühlt ist Hagenbeck ein Zoo wie jeder andere. Als Hamburgerin habe ich diesen Tierpark mehr als einmal besucht und jedes Mal findet man etwas Neues. Hagenbecks Tierpark gehört zu den Wahrzeichen Hamburgs, wie Hafen, Michel und Elbphilharmonie und trotzdem sind sich nicht alle darüber bewusst, welche Vergangenheit hinter dem ganzem steckt. Nicht anders ging es mir, als ich aus Zufall erfuhr, dass Carl Hagenbeck einer der größten Veranstalter von Menschenschauen war.
Alles hat einmal ein Anfang
Ein Zoo in dem man sich Menschen anschaut, hört sich im ersten Moment absurd an, aber genau das beschreibt es am besten. Der Bericht „Hagenbeck- Ein Tierpark wie jeder andere“ geht auf die Definition ausführlicher ein. Am Beginn kaufte Gottfried Hagenbeck einem Fischer sechs Seehunde ab und stellte sie auf dem Spielbudenplatz in Hamburg – St. Pauli zur Schau aus, was sich als großer Erfolg entpuppte. Später gelang Carl Hagenbeck, Gottfrieds Sohn, dann mit seiner ersten Völkerschau der Durchbruch. Lappländer, „Nubier“, eine Eskimofamilie aus Grönland später Inder und Afrikaner: Sie trugen alle zum Erfolg des Tierparks
Wie heute gab es schon damals Zoo-Lebenswelten. Sie sollen die natürliche Umgebung der Tiere zeigen, um ihre Lebensweisen besser verstehen zu können. Bei den Völkerschauen handelte es sich um dasselbe Prinzip, nur dass die Lebenswelten meist wenig bis gar nichts mit der Realität zu tun hatten und auch nicht die wahren Lebensweisen der Völker zeigten. Tiere müssen heute keine falsche Realität vorspielen, wie es damals die Menschen mussten. Um zu beurteilen ob ihre Lebensweise dennoch getreu nachgestellt wird, müsste man sich auch mit diesem Thema genau auseinandersetzten. Auch hier gibt es eine größere Debatte darüber, ob es sich im Zoo um Artenschutz oder Tierquälerin handelt.
Die Darsteller*innen damals wurden in Rollen gezwungen, die ihnen gar nicht entsprachen und ihre Stereotype weiter ausgebauten. Besonders stark stieg der Umsatz, wenn es entblößte Frauen, Schwangere oder Menschen mit körperlichen Fehlbildungen zu sehen gab. Diese Umstände in denen sich die Leute befanden, sorgten für eine Verfestigung der bereits rassistisch vorgeprägten Bilder. Andere Völker auf diese übertriebene Art darzustellen, war ein wesentlicher Punkt des Erfolges der Völkerschauen.
Menschen die nicht nur Ware sind
Die Überlegenheit des weißen Mannes wurde durch die Völkerschauen nochmal deutlicher. Nicht nur Carl Hagenbeck nutzte dies aus, auch andere Männer taten das, um ihre Überlegenheit durch die ganze Welt zu tragen und zu zeigen, wie vollkommen die westlich-europäische Welt ist und wie wild und unzivilisiert alle anderen Völkergruppen waren. Mir zeigt es jedoch das genaue Gegenteil: Zu diesen Zeiten war vor allem das westliche-europäische Weltbild alles andere als vollkommen, es war nur unmenschlich. Es gibt keine Entschuldigung dafür, sich das Recht zu nehmen, andere Menschen wegzusperren und auszustellen, nur für den eigenen Erfolg. Carl Hagenbeck und seine Menschenzoos haben zur Erschaffung und Festigung rassistischer Haltungen beigetragen. Wenn man nach Jahren die wahre Vergangenheit des Zoos kennenlernt, stellt man sich statt Tiere Menschen in den Gehegen vor und die Bilder aus der Kindheit bekommen einen bitteren Beigeschmack, wenn man dann darüber nachdenkt, wie andere Kinder ausgestellt wurden.
Stereotype brechen
Es wird für mich nicht mehr möglich sein, normal durch den Hagenbecks Tierpark zu spazieren, ohne einmal daran zu denken, wie Menschen wie Tiere behandelt wurden. Deutlich wird, wie uns bis heute rassistisch vorgeprägte Bilder verfolgen. Die gesamte Geschichte der Menschheit wurde in den Völkerschauen durch rassistische Vorstellungen des industrialisierten Europas und Nordamerikas geprägt. Wenn wir uns diese Entwicklung vor Augen führen, wird es vielleicht einfacher sie immer weiter zu durchbrechen und von dieser Stereotype wegzukommen.