gefragt: Anonymes Sponsoring an der Uni Hamburg

Die Universität Hamburg möchte ihre Sponsor*innen geheim halten – eine Gefahr für die Forschungsfreiheit? (Foto: moerschy/Pixabay)

Wie auch andere Hochschulen, wird die Universität Hamburg (UHH) mit Zuwendungen finanziell unterstützt – hält die Sponsor*innen aber geheim. Daraufhin wurde sie von der Plattform FragDenStaat auf Herausgabe der Namen verklagt, bekam Ende des Jahres aber recht. Im Interview spricht einer der Kläger, Arne Semsrott, über den Rechtsstreit und die Auswirkungen von mangelnder Transparenz auf Forschung und Lehre.

KOPFZEILE: Herr Semsrott, Sie haben die UHH dazu aufgefordert, die Namen ihrer Sponsor*innen öffentlich zu machen. Warum?

Arne Semsrott: Die Grundidee war, Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu dokumentieren, um so Transparenz zu schaffen und öffentliche Debatten zu ermöglichen. Dazu haben wir an vielen Hochschulen, darunter die Uni Hamburg, Namen von Personen angefragt, die Zuwendungen an die Hochschulen entrichtet haben. Das war im Februar 2015.

Diese erste Anfrage wäre nicht nötig gewesen, wenn sich die Hochschule an die Vorgaben des Senats gehalten hätte. Denn in Hamburg müssen alle öffentlichen Einrichtungen Sponsoren mit einer Online-Veröffentlichung offenlegen. Bei der Uni, dem Uniklinikum und verschiedenen anderen Hochschulen in Hamburg ist es allerdings so, dass die Namen anonymisiert sind. Wir haben diese Namen auf Basis des Hamburger Transparenzgesetzes angefragt.

Und dann haben Sie die UHH auf Herausgabe der Namen verklagt?

Die Uni Hamburg hat lange nicht reagiert. Nach Vermittlungsversuchen des Hamburger Datenschutzbeauftragten hat sie uns eine Ablehnung erteilt. Wir haben uns dann entschlossen, unser Recht auf Informationsfreiheit vor Gericht zu erkämpfen. 2018 kam es zur Gerichtsverhandlung, bei der wir Recht bekamen. Aber die UHH hat vor dem Oberverwaltungsgericht Berufung eingelegt. Dafür sie hat sogar einen Professor zur externen Rechtsvertretung engagiert. Der hat eine ganz neue Argumentation ins Feld geführt, nämlich, dass die Herausgabe der Spendernamen die Wissenschaftsfreiheit beeinträchtigen würde. Damit hat die Uni vor Gericht gewonnen. Das Statement der Uni ist im Nachgang interessant.

Inwiefern?

Darin ist gar nicht mehr von Wissenschaftsfreiheit die Rede, sondern dass angeblich Spender und Sponsoren ihre Gelder abgezogen hätten, wenn ihre Namen bekannt geworden wären. Die eigentliche Motivation der Uni ist meiner Meinung nach, dass man Vertraulichkeit mit einigen wenigen privaten Sponsoren vereinbart hat und diese Vertraulichkeit schützen will. Das ist für eine öffentliche Hochschule ein sehr bedenkliches Vorgehen.

Wie konnte diese neue Argumentation so erfolgreich sein?

Das Gericht musste sich schon ein wenig verbiegen, um zu dieser Einschätzung zu kommen. Die rechtliche Streitfrage ist die Definition der Forschungsfreiheit. Im Transparenzgesetz gibt es eine Ausnahme für Grundlagen- und anwendungsbezogene Forschung. Das heißt, es muss einen Bereich geben, in dem eine freie Forschung möglich ist, ohne dass die Öffentlichkeit jeglichen Zwischenschritt nachvollzieht. Das ist vollkommen legitim und grundgesetzlich geschützt.

Jetzt hat es die Uni Hamburg aber geschafft, das Gericht davon zu überzeugen, dass selbst eine Spende von Comics an die Unibibliothek mittelbar mit der Forschung zusammenhängt. Demnach könnte die Offenlegung eine solche öffentliche Diskussion hervorrufen, dass der einzelne Forscher nicht mehr frei forschen kann und deswegen die Forschungsfreiheit gefährdet wäre. Ich habe den Eindruck, dass die Idee von der Forschungsfreiheit deutlich überreizt wurde.

Könnte das Urteil negative Auswirkungen auf die Wissenschaftsfreiheit haben?

Es ist auf jeden Fall ein Rückschlag. Man muss aber auch sagen, dass das ein Urteil zum Hamburger Fall ist. Der ist sehr speziell, da die Formulierung im Transparenzgesetz so einmalig ist und es diese in anderen Bundesländern nicht gibt. Was wir gerne machen wollen, ist zu klären, ob es in Hamburg andere Möglichkeiten gibt, um an die Daten zu kommen. Momentan prüfen wir weitere Klagemöglichkeiten. Nicht nur gegen die Uni Hamburg, sondern auch gegen das Uniklinikum, wo die Werte der Zuwendungen noch deutlich höher sind.

Konntet ihr aus den Daten, die bekannt waren, Rückschlüsse über den Zweck der Zuwendungen ziehen?

Teilweise stehen in den Berichten Zwecke dabei. Wenn wir uns den aktuellen Bericht zum ersten Halbjahr 2020 anschauen, dann sehen wir, dass zum Beispiel eine Sponsoringleistung von 40.000 Euro an die Uni Hamburg zur „Förderung der empirischen praxisorientierten Forschung in der Fakultät für Betriebswirtschaft am Institut für Wirtschaftsprüfung und Unternehmensrechnung“ getätigt wurde. Man kann mit guter Begründung vermuten, dass da ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen dahintersteckt.

Ich glaube es gibt ein großes öffentliches Interesse, herauszufinden, wer der Sponsor ist. Gerade in einem Rahmen von freier Forschung und freier Lehre steht immer die Befürchtung im Raum, dass mit einer Geldzuwendung gleichzeitig Einfluss auf die Forschung genommen wird. Wir müssen schauen, wer Geld an eine Hochschule gibt, um dann überprüfen zu können, ob Einfluss genommen wird. So eine Diskussion wird aber unmöglich gemacht, wenn wir die Datenbasis nicht haben.

Welchen Zweck verfolgt die Uni, wenn Sie die Spender nicht öffentlich machen möchte?

Heutzutage ist es für Hochschulen wichtig, Drittmittel einzuwerben. Wenn das eines der Hauptziele wird, dann besteht die Gefahr alles mögliche dafür in Kauf zu nehmen. Andere Ziele wie unabhängige und gute Forschung stehen dann zurück. Im Fall der Uni Hamburg habe ich schon den Eindruck, dass das Ziel, möglichst vieler Gelder zu bekommen, vor vielem anderen steht und dass die Hochschule sehr intransparent dasteht. Offenbar ist das dem Unipräsidenten der Uni Hamburg egal, wenn es darum geht, möglichst viele Gelder einzuwerben.

Was sagt dieser Umgang mit Drittmitteln und Sponsoren über das Hochschulsystem in Deutschland aus? Ist das problematisch?

Auf jeden Fall. Ich würde aber sagen, dass den einzelnen Forscherinnen und Forschern kaum ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn sie einen großen Teil ihrer Zeit dafür aufwenden, Drittmittel einzuwerben. Wir haben in der Hochschullandschaft insgesamt eine große Verschiebung in diese Richtung. Das erzeugt Intransparenz oder den Willen, auch von bisher zwielichtigen Quellen Geld anzunehmen, weil die staatliche Förderung ausbleibt. Insofern ist unsere Klage ein Effekt der Richtung, die das Hochschulwesen in den letzten 15 bis 20 Jahren eingeschlagen hat.

Was unterscheidet schlimme von weniger schlimmen Sponsoren?

Ich glaube, dass das in einer demokratischen Hochschulöffentlichkeit diskutiert werden muss. Problematisch sind Zuwendungen dann, wenn der Verdacht im Raum steht, dass mit Geldern versucht wird, Einfluss zu nehmen. Das haben wir vor allem dann, wenn Unternehmen in Bereichen Zuwendungen vergeben, in denen sie sich von Forschung und Lehre ein bestimmtes Ergebnis erhoffen. Wenn also Volkswagen in einem Bereich der Umweltforschung Gelder vergibt, dann kann man vielleicht davon ausgehen, dass es denen um ein bestimmtes Ergebnis geht. Hochschulen müssen dafür sorgen, dass es eine gute Korruptionsprävention gibt. Es sollte keine Verbote geben, sondern man müsste die Kontrollinstanzen innerhalb der Hochschulen und innerhalb der Wissenschaftsministerien deutlich stärken.