Wohnungslose Menschen haben es zurzeit besonders schwer: Der Kälteeinbruch bringt viele in Lebensgefahr, in den Notunterkünften ist das Infektionsrisiko hoch. Die Bürgerschaft debattiert seit Monaten über Lösungen. Ist es wirklich so schwierig?
Deutliche Minusgrade, eisiger Wind und Schneefall: Obdachlose Menschen sind in einer lebensgefährlichen Situation. Die kalten Temperaturen fordern jedes Jahr Kältetote: In diesem Jahr haben die Wintermonate in Hamburg bereits elf Menschenleben gekostet.
Dabei könnten die Lösungen so einfach sein. Durch die Coronapandemie stehen hunderte Hotelzimmer in der ganzen Stadt leer. Den Menschen, die den eisigen Bedingungen auf der Straße ausgesetzt sind, könnte eine Unterkunft – wenn auch nur für ein paar Wochen – das Leben retten.
Debatte in der Bürgerschaft
Diesen Lösungsvorschlag hat DIE LINKE bereits im Dezember in der Hamburgischen Bürgerschaft eingebracht. 300 wohnungslose Menschen sollten für die Wintermonate in leerstehenden Hotelzimmern untergebracht werden, forderte die Fraktion. Sie machte in ihrem Antrag auf die doppelte Gefahrenlage wohnungsloser Menschen aufmerksam, die zusätzlich zur Kälte nun auch noch dem hohen Risiko der Pandemie ausgesetzt sind. Maßnahmen des Infektionsschutzes, die von der breiten Bevölkerung eingefordert werden, sind für die Lebenssituation obdachloser Menschen oft nicht umsetzbar. Sie können sich nicht zurückziehen oder alle zehn Minuten ihre Hände waschen. Der Antrag wurde von der SPD und den Grünen, gemeinsam mit den Stimmen der CDU und AfD abgelehnt.
Nun forderte in der letzten Sitzung am 27. Januar Stephanie Rose (LINKE) in der Aktuellen Stunde wieder, die Hotelunterbringung zu ermöglichen. Dass sich obdachlose Menschen inmitten einer Pandemie in den Notunterkünften Duschen und Mehrbettzimmer teilen müssen, während der Rest der Bevölkerung dazu aufgefordert wird, sich zu isolieren und Zusammenkünfte zu vermeiden, sei zynisch, sagt Rose. „Es ist keine linke Utopie, Hotelunterbringung zu fordern“ so die Abgeordnete.
Worauf wartet die Stadtregierung? Die SPD bedauert zwar die Kältetoten, wie der Abgeordnete Iftikhar Malik anmerkt, kommt aber zu einer anderen Position als die LINKE. Das existierende Winternotprogramm für wohnungslose Menschen sei ausreichend und erfolgreich, es wurde sogar ausgeweitet und bietet nun Schutz für mehr Wohnungslose. Ähnlich sieht es auch Michael Gwosdz, der für die Grünen in der Bürgerschaft sitzt. Er betont, dass die Stadt bereits eine breite Initiative zum Schutz von Obdachlosen hat. Den Antrag der Linken bezeichnet er als einen konstruierten Vorwurf.
Die regierenden Parteien sind also offensichtlich nicht bereit, die außergewöhnlich gefährliche Situation, in der sich Obdachlose in Hamburg zurzeit befinden, anzuerkennen. Massenunterkünfte sind zwar gut, aber derzeit aufgrund der COVID-19 Pandemie nicht ausreichend, wie auch die Hilfsorganisation Hanseatic Help anmerkt.
Vergleichsprojekt in Düsseldorf funktioniert gut
Düsseldorf hat 200 Wohnungslose für die Wintermonate in Hotelzimmern untergebracht, um sie zu schützen. Die Personen, die dort unterkommen, werden zusätzlich durch Sozialarbeiter betreut. “Die weitreichenden Kontaktbeschränkungen treffen obdachlose Menschen in Düsseldorf besonders hart – gerade in den Wintermonaten, da viele Angebote zum Beispiel in den Tagesstätten nur eingeschränkt wahrgenommen werden können. Die Pandemie wird uns noch länger beschäftigen, deshalb bin ich froh, dass der Krisenstab der Empfehlung zur Verlängerung der Maßnahmen, die wir in diesem Jahr getroffen haben, gefolgt ist”, erläutert Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integration in Düsseldorf.
Die Politik muss handeln
Von einer Hamburger Koalition, angeführt von einer Partei, die sich laut Selbstverständnis dem Kampf für die Schwächsten in unserer Gesellschaft verschrieben hat, könnte man erwarten, dass solche konkreten, und niedrigschwelligen Lösungen wie in Düsseldorf umgesetzt werden – ob sie die Opposition oder die eigenen Fraktionen einbringen sollte dabei egal sein. Die Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch – Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass sie funktionieren.
Es geht um Menschenleben. Der Winter und die eisigen Temperaturen werden uns genauso wie die Gefahr durch die Pandemie noch länger begleiten. Menschen, die auf der Straße leben haben es verdient, vor einer Infektion, die aufgrund erhöhter Vulnerabilität tödlich enden kann und vor dem Erfrieren gleichermaßen geschützt zu werden, bevor es zu spät ist.