Für viele sind elitäre Clubs ein Buch mit sieben Siegeln. Zum einen engagieren sich diese sozial und vergeben Stipendien, zum anderen öffnen sie ihre Türen nicht für jedermann. Doch wie zeitgemäß sind diese traditionellen Gesellschaftsclubs, in die man nur auf Einladung kommt?
von Cornelia Bertram, Alexa Heyn & Michelle Minani
Wohlstand: Normalität für die einen und unerreichbar für die anderen. Ein Zustand, der Diskrepanzen mit sich bringt, eine sozioökonomische Ungleichheit, die sich in den Stadtteilen Hamburgs widerspiegelt. Zwischen Elbe und Alster, da trifft minimalistischer Lebensstil auf die höchste Millionärsdichte Deutschlands. Ein Aufstieg “nach oben“ wird zunehmend schwieriger und gelingt dem Elitenforscher Michael Hartmann zufolge immer seltener. „Elite kann man kaum lernen, in diese höchsten Kreise wird man meist hineingeboren”, betont der Soziologe, der seit Jahrzehnten Deutschlands Eliten erforscht.
Doch was bedeutet der Ausdruck “elitär” überhaupt? Laut Autorin Regina Greck ist die Grundbedeutung des Elitebegriffs eine Auslese oder Auswahl. Ein Ausschlussprinzip, das sich auch in vielen Clubstrukturen widerspiegelt. Denn dort finden sich Menschen für eine bestimmte Thematik oder ein gewisses Ziel zusammen, wodurch andere Gruppierungen im Zweifel ausgeschlossen werden.
Der Ruf des Elitären eilt voraus
Der Vorsitzende und Präsident des Anglo-German Clubs, Claus-Günther Budelmann, ist jedoch anderer Meinung: „Natürlich hat man gewisse Begrenzungen und Kriterien, nach denen man die Menschen in dem Club gerne sehen würde, aber das ist nichts Elitäres“. Clubs wie der Anglo-German Club oder der Übersee-Club bezeichnen sich selbst daher nicht als elitär. Doch welches Selbstverständnis haben diese Clubs dann?
Der Übersee-Club, welcher nach dem Ersten Weltkrieg internationale Geschäftsbeziehungen aufbauen sollte, ist heute ein reiner Vortragsclub, bei dem geschäftliche Beziehungen offiziell nie im Fokus stehen. Es gehe um das soziale Engagement sowie die Förderung von Demokratie und Toleranz, so heißt es auf der Website. Ähnliche Ansichten und Ziele vertritt der Anglo-German Club. Dieser beschreibt sich selbst als unpolitischen Club, der die deutsch-britische-Beziehung festigen und pflegen möchte. Laut Budelmann eile der Ruf des Elitären den beiden Clubs vor allem deshalb voraus, da die Ungewissheit darüber, was hinter ihren geschlossenen Türen passiere, den passenden Gesprächsstoff liefere.
„Das zentrale Merkmal ist Macht und Geld“
Der Soziologe Hartmann widerspricht dem Ganzen. Sein Urteil zu diesen geschlossenen Kreisen ist eindeutig: „Das zentrale Merkmal ist Macht und Geld. Die Mächtigen und Reichen treffen sich dort, um Geschäftskontakte anzubahnen“. Der Elitenforscher spricht aus Erfahrung – schon des Öfteren wurde er von beiden Clubs eingeladen, um an Vorträgen, deren Themen meist aus den Bereichen Kultur, Politik und Wissenschaft stammen, teilzunehmen. Vor allem in Hamburg könne man die Klassengrenzen deutlich erkennen, die durch die Aufnahmekriterien verstärkt werden. „Die Clubs in Hamburg haben eine stabile Tradition und das Muster ist überall dasselbe – man kommt nur rein, wenn man zwei Bürgen von Mitgliedern hat. Das drückt ja schon aus, dass man unter sich bleiben will“, betont Hartmann. Als Normalbürger*in habe man überhaupt keinen Zugang zu diesen geschlossenen Kreisen. Dies spiegele sich auch in dem Grad der Diversität der Mitglieder wider.
Der Übersee-Club zählt derzeit rund 2000 Mitglieder, der Anglo-German Club rund 1000. Zu ihnen gehören beispielsweise Anwält*innen, Ärzt*innen, Unternehmer*innen, Bankiers sowie Wirtschaftsprüfer*innen. Nach Auffassung des Anglo-German-Club-Präsidenten Budelmann ein sehr diverses Spektrum. Für ihn stellt das wachsende Durchschnittsalter der Mitglieder das eigentliche Problem dar: „Die Gesellschaftsclubs überaltern. Die Jugend ist heutzutage sehr eingespannt. Deswegen sind wir sehr froh über unsere 90 Junioren-Mitglieder“. Auch der Übersee-Club bemüht sich seit einigen Jahren vermehrt darum, jüngere Menschen anzusprechen und deren Interesse am Club zu wecken. Allerdings nicht um jeden Preis, denn Traditionen zu bewahren, ist dem Club immer noch am wichtigsten. „An der Club-Struktur würden das Präsidium und ich nichts ändern wollen“, betont Geschäftsführer Thomas Klischan.
Anglo-German Club: Frauen seit 2017 zugelassen
Die letzte größere strukturelle Veränderung fand 1951 statt. Seit diesem Jahr dürfen auch Frauen Mitglieder im Übersee-Club werden. „Wir sind kein reiner Männerclub, in der Beziehung sind wir eben weltoffen“, lobt sich Klischan. Allerdings liege die Frauenquote bei nur 16 Prozent, wie er selbst sagt. Er wünscht sich mehr weibliche Mitglieder.
Die Entscheidung, offiziell auch Frauen aufzunehmen, fiel beim Anglo-German Club 66 Jahre später. Hier öffneten sich die Tore für weibliche Mitglieder erst im Jahr 2017. Zuvor forderten 23 Briten in einem Offenen Brief eine zeitgemäßere Club-Politik. Ellie Sellwood, eine der Verfasserinnen, erklärt: „Uns wurde klar, dass dieser angesehene Club, der uns angeblich vertreten sollte, keine weiblichen Mitglieder zuließ. Wir hielten dies für völlig inakzeptabel”. Einen Zusammenhang zwischen dem Brief und der Aufnahme von weiblichen Mitgliedern bestreitet Budelmann jedoch. Die Entscheidung, Frauen in den Club aufzunehmen, sei einzig durch den obersten Diplomaten Großbritanniens gefallen. Zudem verstehe er die Notwendigkeit, über ein solches Thema zu debattieren, nicht. Schließlich hätten sich bis zu diesem Zeitpunkt keine Frauen für eine Mitgliedschaft beworben. „Das ist nichts Weltbewegendes”, betont Budelmann. „Als wenn die Welt einbricht, wenn hier keine Damen Mitglied werden würden“. Mittlerweile sind zwölf Frauen Mitglied im Anglo-German Club – zwölf von tausend.
Dieses Ungleichgewicht findet sich ebenfalls in der Geschlechterverteilung der Vortragsredner*innen wieder. Auch hier sind es überwiegend männliche Gastredner aus Politik und Wirtschaft. Zwar wünsche sich der Club mehr weibliche Referentinnen, jedoch seien diese schwer zu finden. „Wenn eine tolle Frau da ist, könnte ich mir schon vorstellen, die zu fragen“, erklärt der Präsident. „Aber es ist ja auch in der Zeitung zu lesen, wie wenige Damen in der Wirtschaft aktiv sind“.
Mehr Parität und Sichtbarkeit in der Wirtschaft
Anderer Meinung ist Annelies Peiner, Geschäftsführerin von Nushu, einem Business-Netzwerk für Frauen aus der Wirtschaft. „Frauen stellen 46 Prozent der Erwerbstätigen dar und sind natürlich in der Volkswirtschaft vertreten. 45 Prozent aller Menschen, die promovieren, sind weiblich. Und gerade in Hamburg gibt es fantastische Unternehmerinnen“, betont Peiner. Grundsätzlich habe sie ein gutes Bild von den Clubs. Beide hätten tolle Männer als Mitglieder, die sich verknüpften und „fantastische“ Veranstaltungen auf die Beine stellten. „Männer vernetzen sich seit vielen hundert Jahren und das bringt sie im beruflichen Leben sehr viel weiter. Daran können sich viele Frauen ein Beispiel nehmen”, lobt die Geschäftsführerin von Nushu. Dennoch ist es in ihren Augen eine wichtige Entwicklung, Frauen in die Clubs aufzunehmen. Ob dies aus PR-Gründen oder aus der Überzeugung, Frauen mit einzubeziehen, geschieht, stehe dabei zunächst an zweiter Stelle. „Die Clubs werden merken, dass es am Ende eine Bereicherung ist, auch Frauen dabei zu haben”, resümiert Peiner.
Derselben Auffassung ist auch die Vorsitzende des Clubs europäischer Unternehmerinnen (CeU), Kristina Tröger. Vor gut fünf Jahren gründete sie den gemeinnützigen Verein, um Unternehmerinnen in der Wirtschaft zu stärken. Dies gelinge vor allem dann, wenn Frauen sich nicht nur auf den Hinterbühnen zusammenschließen, sondern mit ihren Intentionen und Zielen transparent nach außen treten. Obwohl der Club nur weibliche Mitglieder aufnimmt, sind Themen sowie Gastredner*innen vielfältig. Neben Mitgliedern, die über ihre eigenen Erfahrungen innerhalb unterschiedlicher Branchen referieren, treten auch Politiker*innen, Künstler*innen sowie männliche Akteure der Wirtschaft auf das Podium. Männliche Gäste seien auf den Veranstaltungen ebenfalls gern gesehen. „Witzigerweise supporten uns die Männer, die bei uns waren in einer unglaublichen Art und Weise“, berichtet Tröger.
Zeitgemäß agieren
Beim CeU dürfen nur Unternehmerinnen oder Frauen im Vorstand Mitglied werden. Diese werden nicht als stille Teilnehmerinnen angesehen, sondern können sich durch Ideen und Engagement einbringen, voneinander lernen und auf diese Weise die Clubkultur mitgestalten. Dieser moderne Gedanke spricht auch jüngere Unternehmerinnen an. „Wenn die Speaker zu unseren Veranstaltungen kommen, sind sie oft überrascht, dass auch junge Personen teilnehmen“, betont Tröger. „Das sind sie von anderen Veranstaltungen wohl nicht gewohnt“.
Sie sei gespannt, welche der Hamburger Clubs es in 20 Jahren noch geben wird. Denn einfach nur dazusitzen und auf die jüngere Generation zu warten, funktioniere heutzutage nicht mehr. Um mehr Mitglieder anzuziehen, müsse man diese zunächst erreichen – idealerweise aktiv mit ansprechenden Inhalten. „Gerade deshalb haben sehr viele Clubs ein großes Problem mit der Altersstruktur”, erklärt Tröger. „Wir überlegen jedes Jahr neu, wo wir mit unserem Konzept stehen und ob wir noch zeitgemäß agieren. Die wichtigste Frage ist: Braucht das die Welt noch?“ Ist die Antwort positiv, zeigt sich dies in den steigenden Mitgliederzahlen. Fällt der Kurs, befindet man sich offensichtlich nicht mehr auf dem richtigen Weg. Hierbei gehe es jedoch nicht um das Brechen mit Tradition und Historie, sondern darum, sich dem Zeitgeist zumindest teilweise anzupassen.
Das Problem mit der Mitgliedergewinnung – insbesondere jüngerer Menschen – scheint den alteingesessenen Clubs vorbehalten zu sein. Diese wurden meist in der Nachkriegszeit gegründet. Ein zeitliches Brandmal, das auch heute noch Spuren hinterlässt und sich in Augen der Unternehmerin Kristina Tröger als unliebsamer Ballast entpuppen kann. Ob die Clubs auf Dauer attraktiv sein werden, bezweifelt Soziologe Hartmann: „Man müsste eigentlich dafür sorgen, dass Eliten und ihre Clubs durchlässiger werden”. Dieser Ansatz würde zumindest versuchen, die Gesellschaft zu einen anstatt sie weiter zu spalten. Dies ist natürlich nicht die alleinige Aufgabe elitärer Clubs. Dennoch bedeutet ihre gesellschaftliche Stellung auch zugleich ein Stück Verantwortung.