Der ehemalige norwegische Kriminalhauptkommissar Jørn Lier Horst feiert mit seinem Kriminalroman „Wisting und der Tag der Vermissten“ einen weiteren Erfolg als Schriftsteller. Darin schildert er die verdeckten Ermittlungen zweier Vermisstenfälle.Warum sich der erste Fall von William Wisting sich von anderen skandinavischen Krimis unterscheidet, lest ihr in dieser Rezension.
Katharine Haugen ist seit 24 Jahren spurlos verschwunden. In ihrer Wohnung fand die Polizei lediglich einen gepackten Koffer und ein Blatt Papier mit einem bislang ungelösten Code. Ein Fall, der den kurz vor der Pensionierung stehenden Ermittler William Wisting nicht aus dem Kopf gehen mag. Deshalb trifft er sich jedes Jahr am Tag von Katharines Verschwindens mit ihrem Ehemann Martin. Er war damals der Hauptverdächtige, wurde jedoch entlastet, da er zum Zeitpunkt des Verschwindens an einer 700 km entfernten Baustelle arbeitete.
Doch dieses Jahr ist Martin nicht zum traditionellen Kaffeetrinken zu Hause. Zudem hat ihn der junge Polizist Adrian Stiller, der in der neu gegründeten Cold-Case-Unit der Kriminalpolizei Oslo arbeitet, als Hauptverdächtigen in einem zweiten Vermisstenfall einer jungen Frau im Visier. Deshalb leitet Stiller eine verdeckte Ermittlung ein, bei der Wisting zum Lockvogel wird, um Martin ein Geständnis zu entlocken. Zeitgleich soll Wistings Tochter, die junge Journalistin und alleinerziehende Mutter Line, über den wieder aufgegriffenen Fall berichten. Der ausgetüftelte Überführungsplan, endet in einem klassischen Kammerspiel: Kommissar Wisting reist mit Martin zum Angeln in eine abgeschiedene Berghütte.
Arbeitsbesessener Ermittler – aber ohne Alkoholproblem
Anders als in den meisten skandinavischen Krimis hat der Ermittler Wisting kein Alkohol- oder Drogenproblem und ein recht intaktes soziales Umfeld. Dennoch ist er verbittert und vergisst als erfahrener, leidenschaftlicher Polizist beinahe auch ein Treffen mit seinen beiden inzwischen erwachsenen Kindern Line und Thomas. An erster Stelle steht für ihn die Arbeit und das Aufdecken der Wahrheit. Besonders hilfreich sind dabei seine Kombinationsfähigkeit und sein psychologisches Feingefühl.
Seine Tochter Line wohnt mit ihrer einjährigen Tochter gegenüber auf der anderen Straßenseite und brennt wie ihr Vater für ihre Arbeit als freie Journalistin. Nachdem der Kriminalpolizist Stiller veranlasst hat, dass sie erneut über den alten Vermisstenfall berichten soll, bekommt sie während ihrer Recherche aber schnell mehr heraus als ihm lieb ist.
Liebe zum Detail
Jørn Lier Host verknüpft in „Wisting und der Tag der Vermissten“, die geheimen Ermittlungen von Wisting und Stiller mit Lines journalistischer Aufarbeitung der beiden Vermisstenfälle. In zwei parallelen Handlungssträngen schildert er in leichter Sprache und vielen Dialogen eine sich bis zum Höhepunkt stets weiterentwickelnde Geschichte. Rasch steht dabei fest, dass der Verdächtige Martin in beide Fälle involviert ist. Spannung erzeugt deshalb weniger das Auffinden des Täters, als das Zusammenführen der Fakten. Hinzu kommt Wistings Dilemma seine über viele Jahre beinahe schon freundschaftliche Beziehung zu Martin zu entlarven. Dabei werden die Charaktere, die Szenerie und Handlungen durch pointierte Detailbeschreibungen greifbar. Das Buchcover mit der Eislandschaft steht aber in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt.
Fazit
Das Buch bietet einen ruhigen Nordic Noir Fall. Empfehlenswert ist „Wisting und der Tag der Vermissten“ vor allem für diejenigen, die ruhige und weniger brutale Handlungen sowie zwischenmenschlichen Herausforderungen in Krimis bevorzugen. Jørn Lier Horst konzentriert sich auf die umfassende Polizei- und journalistische Arbeit der Protagonisten und überzeugt dabei durch sein Gespür für Details.
Autor | Jørn Lier Horst |
Verlag | Piper |
Preis | 15,00 Euro |
Seitenzahl | 464 |