Am Montag überschritt Hamburg erstmals den Corona-Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. Trotz angeordneter Sperrstunde feierten 90 Unbelehrbare in der Nacht zum Sonntag in einem versteckten Keller auf der Reeperbahn. Ein Verhalten, das fassungslos macht.
Erst am vergangenen Samstag trat in Hamburg die neue Corona-Verordnung in Kraft. Restaurants, Bars und Kneipen – alle mussten um 23 Uhr schließen. Und die meisten hielten sich auch daran. Polizeisprecherin Nina Kaluza bezeichnete die Lage in der Party- und Gastronomie-Szene als „eher ruhig“.
Einer Polizei-Streife fiel dann aber doch noch eine Personengruppe auf. „Es sah so aus, als ob die Leute irgendwo reinwollten“, sagte eine Beamtin dem Hamburger Abendblatt. Die Polizeikräfte überprüften den Club und wurden von den Verantwortlichen zunächst bereitwillig durch die leeren Räume im Erdgeschoss geführt. Fast hätte das Täuschungsmanöver funktioniert – dann fiel den Beamten eine prall gefüllte Garderobe auf. Bei der Überprüfung des Kellers stießen sie hinter verschlossenen Türen schließlich auf eine Party mit rund 90 Gästen.
Ignoranz, Unvernunft oder einfach nur Dummheit? Vermutlich mischte sich da ein bisschen von allem. Hamburg ist seit Montag offiziell Corona-Risikogebiet. Ja, viele möchten gerne wieder feiern gehen. Ich auch. Und trotzdem verzichten die meisten darauf. Muss erst die eigene Oma auf der Intensivstation beatmet werden, damit auch die Letzten zur Vernunft kommen? Hoffentlich nicht.
Als Dinner-Event getarnter Club
Nein, vermutlich war der Party-Keller auf der Reeperbahn am vergangenen Wochenende kein Einzelfall. Der Zufallstreffer lässt vermuten, dass es noch mehr illegale Corona-Partys gibt. Polizei und Ordnungsamt können nicht jedes einzelne Gebäude in Hamburg überwachen – die illegalen Veranstaltungen lassen sich wohl nicht gänzlich vermeiden. Viel entscheidender ist deshalb die Vernunft der Feierwütigen , das eigene Verhalten zu reflektieren und im Zweifel zuhause zu bleiben.
In den vergangenen Wochen sorgte auch ein harmlos anmutendes Dinner-Event auf der Reeperbahn für Aufsehen. Offiziell als Restaurant getarnt, sollte in einem Club zu Techno-Musik Corona-konform gespeist werden. Mehrere Teilnehmer berichten nun, dass die Tische nach dem Essen kollektiv zur Seite geschoben wurden und die „Restaurant-Gäste“ zu wummernden Bässen in den Club-Modus übergingen. Die Veranstalter warben hauptsächlich über Social Media und persönliche Mundpropaganda, öffentliche Werbung gab es nicht. Teilnehmer berichten zudem von internen Absprachen und Codes. Helles Licht habe bedeutet, dass die Polizei vor der Tür steht. Für die Zeit der Corona-Kontrolle rückten die Party-Gäste die Tische zurück auf die Tanzfläche und setzten sich mit Mundschutz an ihre Plätze. Sobald die Polizei wieder verschwunden war, sei die Party weiter gegangen.
Gleiche Regeln für alle
Solche Fälle zeigen, dass die Hamburger Polizei nicht jede einzelne Party kontrollieren kann. Umso wichtiger sind harte Strafen für derartige Vergehen – sowohl für die Gäste, als auch für die Veranstalter. Viele Restaurants und Bars befinden sich in finanzieller Not – und halten sich trotzdem an die Regeln. Einzelne schwarze Schafe in der Gastronomie- und Club-Szene sorgen dafür, dass eine ganze Branche in Verruf gerät. Ein derartiges Verhalten ist nicht nur egoistisch, sondern gefährdet vor allem die Risikogruppen. Junge Partygäste fühlen sich häufig unverwundbar – und die meisten von ihnen werden vermutlich kaum schwere Krankheitsverläufe haben. Aber darum geht es nicht. Nach der illegalen Kiez-Party ist vor der Bahnfahrt, vor dem Supermarkteinkauf und vor dem Besuch bei den Großeltern. Superspreading in Reinform. Und dass auch asymptomatische Corona-Infizierte zu Virus-Überträgern werden, ist kein Geheimnis. Niemand verurteilt rücksichtsvolle Restaurant- oder Bar-Besuche – viele Gastronomen benötigen weiterhin Unterstützung. Illegale Kiez-Partys zählen jedoch mit Sicherheit nicht dazu.