gelesen: Jokerman

Einige von ihnen sind jahrhundertealt und doch sind sie wieder brandaktuell: Die Corona-Pandemie hat Verschwörungsmythen und deren Urheber*innen erneut zum Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten gemacht. In seinem Roman „Jokerman“ lenkt Autor Stefan Kutzenberger die Aufmerksamkeit auf ein Netzwerk von Bob Dylan Fans, das die Weltherrschaft schon fast erreicht hat.

Der Protagonist des Romans ist der Autor selbst. Er beschreibt sich als einen eigentlich eher am Leben gescheiterten Menschen. Geschieden und mit einem Job als Touristenführer im Museum, der ihn wirklich erfüllt, lebt er vor sich hin, seine beiden Kinder sind bei der Mutter, er sieht sie nur ab und zu. Immer mal wieder verfasst er Texte über Lieder von Bob Dylan oder hält Vorträge darüber. Dadurch erhält er irgendwann die Aufmerksamkeit des Isländers Gudjonsson, der einer geheimen, aber global vernetzten Gemeinschaft von Dylan-Fans vorsitzt.

Diese Gemeinschaft interpretiert die Songtexte von Bob Dylan. Sie versucht dann, mit diesen Interpretationen die Geschicke der Welt entsprechend der Wünsche ihres Meisters zu lenken. Zumindest wollen sie so in das Weltgeschehen einzugreifen, wie sie glauben, dass Dylan es in seinen Songs von Ihnen verlangt.

Der Jokerman

Von der Dylan-Fan-Gemeinschaft, besonders von Gudjonsson, wird Stefan Kutzenberger nun als Jokerman ausgewählt. Und plötzlich muss er nicht mehr seinem Job als Touristenführer nachgehen. Auf einmal darf er nach Island reisen, um weiter über Bob Dylan zu forschen. Er bekommt bei dem seltsamen Vorsitzenden der Gemeinschaft freie Kost und Logis für ein Jahr. In Island angekommen, ist sein Gastgeber aber nicht da, nur dessen Frau, die Stefan Kutzenberger aber weitestgehend ignoriert. Nach und nach lernt der Autor die ersten Menschen in seinem neuen isländischen Wohnort Rif kennen. Alle seine neuen Bekannte hängen seltsamerweise mit der Dylan-Gesellschaft oder Gudjonsson zusammen. Nachdem Kutzenberger schließlich mit seinen Recherchen beginnt, stellt er fest, dass auch Amy Winehouse hier einmal für oder mit Gudjonsson über Bob Dylan forschte. Laut Gudjonsson konnte sie beweisen, dass Dylan in einem seiner Songs „All Along the Watchtower“ dazu aufrief zwei Türme zu zerstören. Daraus schlossen er und die Gemeinschaft dann, dass Dylan das World Trade Center vernichtet haben wollte, da Watchtower auf Hebräisch, ohne Vokale geschrieben WTC-Tower, als die Türme des World Trade Centers seien. Daraufhin organisierte die Organisation die Anschläge des 11.09.2001. Als Kutzenberger das erfährt, ist er zunächst schockiert und reist schließlich aus Island wieder ab.

Die orangene Cartoonfigur verhindern

Nach einer kurzen Zwischenepisode wechselt die Erzählung des Romans in die Gegenwart, ins Jahr 2020. Corona ist ausgebrochen und der Protagonist schläft auf dem Sofa seiner Eltern. Nachdem er lange nichts mehr von Gudjonsson und der Dylan-Gesellschaft gehört hat, bekommt er von Gudjonsson nun ein Oneway-Flugticket nach Amerika. Er reist in die USA, um endlich seiner Aufgabe als Jokerman nachzugehen: Die Wiederwahl von Donald Trump zu verhindern.

An dessen Wahl 2016 war übrigens auch Gudjonsson Schuld, wie Kutzenberger und die Leser*innen später erfahren. In Amerika angelangt, plant der Autor die Ermordung Donald Trumps. Kurz vor dem Attentat hegen aber sowohl der Protagonist als auch seine Mitverschwörer*innen Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihres Planes.

Wie ein Wollknäul

Der Roman von Stefan Kutzenberger passt sich in seiner Erzählung, aber auch in seinem Erzählstil an die Struktur von Verschwörungstheorien an. Gemeinsam mit dem Protagonisten erhalten die Leser*innen Informationen wie Puzzelteile, die im Laufe der Geschichte ein merkwürdiges, bisweilen schockierendes Bild ergeben.

Auch die Handlung wird immer wieder durch Erinnerungen des Protagonisten an Ereignisse und Begegnungen aus seiner Vergangenheit aufgebrochen. Viele Personen, die er in seinem Leben traf, spielen dabei auf wundersame Weise auch bei seinen Zusammentreffen mit Mitgliedern der Bob Dylan-Gesellschaft und bei seiner Mission, Trumps Wiederwahl zu verhindern, eine Rolle.

Fazit

„Jokerman“ ist ein Buch, das in seinem Grundthema – Verschwörungstheorien – den Nerv unserer Zeit trifft. Die Erinnerungen, die immer wieder die Erzählung unterbrechen, haben zwischendurch einen verwirrenden Charakter, was ebenfalls passend erscheint. Da aber auch die Satzstruktur stellenweise sehr verschachtelt ist, muss man einige der Stellen öfter lesen oder auf genauere Klarstellung verzichten. Trotzdem bietet das Buch eine Lektüre, die man auch für kurze Lesemomente zur Hand nehmen kann, ohne das Gefühl zu haben, alles auf einmal lesen zu müssen. Die Handlung an sich ist dennoch so seltsam und zwischenzeitlich verworren, dass man nur hoffen kann, dass es sich bei „Jokerman“ tatsächlich um einen Roman handelt und nicht um einen aufbereiteten Tatsachenbericht.

Weitere Informationen:

AutorStefan Kutzenberger
Verlagberlin Verlag
Preis22,00 Euro
Seitenzahl349