Warum mich der ständige Ost-West-Vergleich stört

Die ehemalige Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland ist nur noch an wenigen Orten optisch präsent, wie hier in Mödlareuth. Durch ständige Vergleiche bleibt sie jedoch in den Köpfen bestehen. (Foto: Friederike Deichsler)

Noch Generationen nach der Wiedervereinigung sind die Lebensrealitäten nicht überall in Deutschland gleich. Ständig auf diesen Unterschieden herumzureiten, löst jedoch die Probleme nicht.

Zum 30. Jubiläum der Wiedervereinigung in diesem Jahr gehen Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen wieder einmal der Frage nach, wie „einig“ sich die Deutschen denn nun wirklich sind, wie sehr sich Lebensumstände, Gedanken und Gefühle angeglichen haben. Kurz: Unterscheiden sich „Ostdeutsche“ noch immer von „Westdeutschen“?

Ich bin nach der Wende geboren und habe mich selbst eigentlich nie besonders ostdeutsch gefühlt. Bis ich für das Studium aus meiner Heimat wegzog. Mehr als einmal wurde die Aussage, dass ich aus Brandenburg käme, mit einem „Achso, aus dem Osten“, kommentiert.  Dazu kamen die – natürlich total witzig und ironisch gemeinten – Bemerkungen, ob „bei uns“ denn wirklich alle rechts wären oder ob es denn inzwischen Bananen gäbe.

Später, in meinen journalistischen Praktika, fiel mir auf, dass Ostdeutschland eher selten in der Berichterstattung vorkam und wenn, dann ging es entweder um Rechtsextremismus oder darum, dass „der Osten“ in irgendeiner Vergleichsstudie mal wieder schlecht abgeschnitten hatte. Geringeres Einkommen, niedrigere Renten, mehr Langzeitarbeitssuchende, schwächere Infrastruktur, die Liste ist lang. Natürlich sind das zweifelsohne Missstände, auf die aufmerksam gemacht werden muss und bei denen dringend Handlungsbedarf besteht. An ihnen ändert sich jedoch nichts, indem gebetsmühlenartig wiederholt wird, in welchen Bereichen die neuen Bundesländer hinterherhinken. Auch nicht durch Abhandlungen darüber, wie „die Ostdeutschen“ angeblich seien, wie und warum sich ihre Mentalität vom Rest der Bundesrepublik unterscheide. Denn dadurch wird reproduziert, was eigentlich vor 30 Jahren endete: die Abgrenzung von Ost- gegenüber Westdeutschland. Die Ansicht, dass Ostdeutschland noch immer irgendwie anders, irgendwie eigen und irgendwie nicht so ganz dazugehörig ist. Die Lesart der meisten Vergleiche ist ungefähr folgende: Der Westen ist der Maßstab, der Osten nähert sich allenfalls an, erreicht ihn aber nie.

Problematisch ist dabei aus meiner Sicht auch, dass häufig über Ostdeutschland gesprochen, aber eben nicht genau hingeschaut wird. Das liegt auch daran, dass Menschen aus ostdeutschen Bundesländern in politischen Gremien und Führungspositionen kaum präsent sind. Dadurch verschmelzen sie in der allgemeinen Wahrnehmung zu einer homogenen Masse, die häufig auch noch mit Klischees besetzt ist. Das wiederum führt dazu, dass sie sich erwiesenermaßen nicht ausreichend gesehen fühlen und verstärkt ein fast schon trotziges Wir-gegen-die-anderen-Gefühl – was möglicherweise die Erfolge bestimmter politischer Strömungen beeinflusst. 

Ich will gar nicht abstreiten, dass auch eine oder zwei Generationen nach der Wiedervereinigung noch soziale, kulturelle und wirtschaftliche Unterschiede bestehen. Statt jedoch ständig darauf herumzureiten, sollten wir lieber gemeinsam daran arbeiten, dass sich an den strukturellen Problemen etwas ändert.