Bereits vor einigen Monaten verzweifelte unser Autor Lucas am Trash-TV. Nach „Promis unter Palmen“ kommt jetzt das nächste Format, das uns Kopfzerbrechen bereitet: Das „Sommerhaus der Stars“ treibt die Grenze der Niveaulosigkeit weiter ins Unendliche.
2.030.000. In Worten: Zwei-Komma-Null-Drei-Millionen. Oder in Einwohnern: Köln und das Saarland. So viele Menschen verfolgten laut dem Online-Portal „Quotenmeter“ am Sonntagabend das RTL-Format „Sommerhaus der Stars“. Auch „Love Island“ verzeichnet auf RTL 2 absurd hohe Einschaltquoten.
Trash-TV boomt – obwohl Corona der RTL-Produktion „Sommerhaus der Stars“ eigentlich einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Denn eigentlich hätte die TV-Show in einem echten Sommerhaus in Portugal gedreht werden sollen.
Dann kamen die Reisebeschränkungen. Und nun ist das im Sendungstitel angepriesene Sommerhaus eben kein wirkliches Sommerhaus, sondern ein baufälliges Bauernhaus im nordrhein-westfälischen Bocholt. Aber das ist alles egal. Was zählt, sind die Kandidaten. Und die sind natürlich auch keine echten Promis, sondern acht Paare, die größtenteils in vergangenen TV-Formaten für Aufsehen gesorgt haben.
Um Klarheit zu schaffen, müssen alle Paare zu Beginn der Show vorsichtshalber erklären, warum sie denn überhaupt bekannt sind. Und überraschenderweise reichen dafür ein dritter Platz bei „DSDS“, die Teilnahme in der Mallorca-Soap „Goodbye Deutschland“ oder auch ein Auftritt in der RTL-Kuppelshow „Der Bachelor“ aus. Mittlerweile scheint „Trash-TV-Star“ ein offizieller Beruf zu sein. Etliche Kandidaten machten ihre ersten Schritte beim „Bachelor“, wurden groß auf „Love Island“, gingen dann in die Lehre bei „Promi Big Brother“ und fanden ihren Abschluss im „Sommerhaus der Stars“, bevor sie noch auf eine Ehrenrunde im „Dschungelcamp“ vorbeischauten.
„Hascht du mir ins Gesischt geschpuckt?!“
Eine ähnliche Karriere machte auch Ex-Bachelor-Kandidatin Georgina Fleur, die mit ihrem Partner Kubilay Özdemir in der ersten Folge derart deplatziert und betriebsstörend durch das Bauernhaus trampelte, dass beide nach zwei Tagen die Show verlassen mussten.
Ex-Bachelor Andrej Mangold geriet mit Georginas „Kubi“ in ein zunächst banales Scharmützel. Die ruhige, aber offenbar unabsichtlich feuchte Aussprache von Andrej genügte, um bei Kubi die letzte Sicherung zum Platzen zu bringen. „Hascht du mir ins Gesischt geschpuckt?“, polterte Kubi und spuckte Andrej unvermittelt aus einem halben Meter ins Gesicht. Und als man sich gerade noch fragt, ob das jetzt wirklich passiert ist, zeigt RTL das Ganze nochmals in Zeitlupe. Ekelhaft.
Aber irgendwie beschreibt Kubis Spuck-Attacke auch, wofür das „Sommerhaus der Stars“ steht: Komplette Enthemmung, Maßlosigkeit und Primitivität. Trash-TV eben. Und dabei ist es nun mal egal, ob im Hintergrund portugiesisches Bergpanorama oder ein nordrhein-westfälischer Acker zu sehen ist.
Alkohol und andere Abgründe
Und falls die „Promis“ nicht schon von sich aus ausfällig werden, hilft Trash-Gott RTL nochmal nach. „Goodbye Deutschland“-Urgestein Andreas Robens hat ein Problem. Alkohol. Also gibt ihm RTL natürlich Alkohol. Genial! Nach ein paar Gläsern ist der VOX-Auswanderer geistig derart ausgeknipst, dass er Andrejs Freundin Jenny in seiner ausgeprägten Direktheit als „Miststück“ anranzt.
Offen zur Schau gestellte Alkoholprobleme sind zwar eine fragwürdige Form der Unterhaltung, lösen jedoch auch ein Gefühl der Betroffenheit aus. Gegenseitig werfen sich die Paare ihr Promille-Problem vor. „Du hast doch gestern Abend dein Bier in die Saftgläser gekippt, damit keiner das merkt!“, bekriegt sich der Freund der DSDS-Drittplatzierten mit dem Mann der Ex-Bullyparade-Darstellerin.
Für weitere geistige Höhenflüge sorgen Lisha und Lou, das YouTube-Pärchen aus Berlin. Gemeinsam schielen die Botox-Gesichter mit den Schlauchboot-Lippen in Richtung drei grasender Kühe. Als sich eins der drei Bocholter Tiere erleichtern muss, grölt Lisha: „Oh mein Gott! Er pisst ihm wirklisch auf den Kopf!“. Puh.
Studiospiele aus der Hölle
Jeden Tag kann sich ein Paar vorzeitig davor retten, von den anderen nach Hause geschickt zu werden. Dafür denkt sich RTL natürlich augenfällig dramatische Aufgaben aus, um die labilen Promi-Pärchen weiter in Richtung des nervlichen Kollapses zu treiben. Eine dieser Challenges soll beispielsweise herausfinden, wie gut sich die Paare gegenseitig kennen.
Die Männer müssen dabei Fragen über ihre Partnerin beantworten. Bei einer falschen Antwort bekommt die Frau Ekel-Shakes der Geschmacksrichtung „Tintenfisch-Aioli“, „Blaubeeren mit Blauschimmel“ oder „Shrimps mit Knoblauch“ über den Kopf gegossen. Als Lisha ihren Freund Lou nach ihrem Sternzeichen fragt, antwortet dieser „Steinbock…?“ „Fick disch, isch bin Krebs“, bölkt Lisha durch das Studio. Ein herrlicher Satz für ein IKEA-Wand-Tattoo. Der Tintenfisch-Aioli-Saft habe ihre 1500 Euro teuren Haare zerstört, mault Lisha. Geschrei, Drama, Pöbelei. Alter, digga, isch schwör. „Das Sommerhaus ist ein Hurensohn“, stellt Lisha am Ende der Szene fest. Bravo!
Portugal oder Bocholt? Hauptsache Trash!
Am Ende des dreistündigen Trash-Marathons muss man tief durchatmen. Warum? Aber diese Sinnfrage zu stellen, führt nicht weiter. Denn die Antwort lautet schlicht und einfach: Quote! Und für über zwei Millionen Sommerhaus-Zuschauer bleibt die Perversion der Niveaulosigkeit wohl zu faszinierend, um etwas anderes zu gucken.